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Rechtsextreme Szene in Vorpommern:
Braun und bürgernah

Sie gründen Bürgerinitiativen und organisieren Sportfeste. In Vorpommern etablieren sich die Rechtsextremen in der Mitte der Gesellschaft

Von Georg Picot
Jungle World, Nr. 41 v. 29.09.2004

Die jüngsten Wahlerfolge der NPD und der DVU in Sachsen und Brandenburg erhielten viel Aufmerksamkeit. Die beiden Bundesländer sind aber nicht die einzigen in Ostdeutschland, in denen Rechtsextremisten an Zulauf gewinnen. Die rechtsextreme Szene hat sich auch in Mecklenburg-Vorpommern, vor allem in Vorpommern, mittlerweile in der Gesellschaft verankern können und gilt Neonazis in ganz Deutschland als vorbildlich. "Erschreckend ist vor allem, wie selbstverständlich Rechtsextreme im Alltag präsent sind", sagt die Expertin für Rechtsextremismus, Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung, über die Situation in Vorpommern.

Wenn Rechtsextreme dort demonstrieren, gibt es nur selten Proteste dagegen. Offen treten sie als Nationalsozialisten auf. So sah man vor kurzem in einem Beitrag des ARD-Magazins Panorama, wie in dem Ort Wolgast ein Aktivist sich in einem Redebeitrag auf einer Demonstration über "die Herren" beklagte, "die meinen, nur weil wir Nationalsozialisten sind, nur deswegen gegen uns zu sein". Der Bericht über die Neonazi-Szene in Ostvorpommern wurde im Internetforum des so genannten Freien Widerstands begeistert kommentiert. "Ich zieh nach Wolgast!", schreibt unter anderem jemand mit dem Pseudonym "NS Punkrocker".

In den neunziger Jahren war die rechtsextreme Szene Vorpommerns geprägt von Skinheads, die sich in Bomberjacken auf der Straße herumtrieben. Das Jahr 2000 wurde für die Szene jedoch zu einem Wendepunkt, schildert rückblickend Günther Hoffmann vom Verein Bunt statt Braun aus Anklam. In diesem Jahr wurden in Heringsdorf auf der Insel Usedom und in Greifswald zwei Obdachlose umgebracht. Nach diesen Vorfällen schwand zunächst die Attraktivität der Skinheadszene. Nach außen hin war die rechte Szene nun weniger sichtbar. Tatsächlich jedoch professionalisierten sich ihre Akteure. Sie bauten ihre Strukturen aus, verstärkten ihre gesellschaftlichen Verbindungen und wählten eine bewusst bürgernahe Strategie.

Die NPD kam bei den Kommunalwahlen im Juni 2004 in einzelnen Orten der Region auf bis zu zwölf Prozent der Stimmen. Dennoch ist sie nicht der Hauptakteur unter den Rechtsextremen, wie der Verfassungsschutz von Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. "Organisiert sind die ideologisch gefestigten Angehörigen der Skinhead- und Neonaziszene zumeist in ›Kameradschaften‹ oder ähnlichen Zusammenschlüssen", berichtet die Behörde über das Jahr 2003. Vernetzt sind die Kameradschaften in Vorpommern über die "Pommersche Aktionsfront". Aus deren Umfeld stammt auch das Blatt Der Insel Bote, von dem zumindest nach Angaben der Rechten alle zwei Monate 30 000 Stück in der Region kostenlos verteilt werden.

Um sich bürgernah darzustellen, treten die Rechtsextremen in jüngster Zeit als Bürgerinitiativen auf. "Bürgerinitiative schöner und sicherer Wohnen in Ueckermünde" oder "Bürgerinitiative schöner Wohnen Wolgast": Der Verfassungsschutz bestätigt, dass es sich hierbei um "(Tarn)Bezeichnungen" von Kameradschaften handelt. Ein Mitglied aus Wolgast erklärte im Fernsehen: "Auf einmal sind die Themen interessant geworden für die Bürger, und es sind dieselben Themen, bloß der Name hat sich geändert."

Die Namen dieser "Bürgerinitiativen" stammen aus der Diskussion um neue Asylbewerberheime. In Ueckermünde organisierte die "Bürgerinitiative" innerhalb von zwei Monaten zwei Demonstrationen gegen ein geplantes Asylbewerberheim. Darüber hinaus sammelte sie unter den 11 000 Einwohnern des Ortes rund 2 000 Unterschriften gegen die Unterkunft.

Das Netzwerk der Rechtsextremen verfügt auch über ökonomische Strukturen in der Region.. Es gebe Dachdeckerbetriebe, Firmen im Baunebengewerbe, Tiefbaubetriebe, einen Taxibetrieb, einen Szeneladen und ein Tattoo-Studio, die Rechtsextremen gehören, berichtet Günther Hoffmann. Eingestellt werden bevorzugt Gesinnungsgenossen. In einer der wirtschaftlich schwächsten Regionen Deutschlands tragen diese Betriebe viel zur gesellschaftlichen Verankerung der rechten Szene bei.

Außerdem versucht die rechtsextreme Szene, sich mit sozialen Aktivitäten zu profilieren. Der "Heimatbund Pommern" etwa, der sich als "nationale Jugend für Deutschland" bezeichnet und mit den Kameradschaften verbunden ist, arbeitet mit Jugendlichen. Auf seiner Internetseite berichtet er von einem Frühlingsfest, Wanderungen, der Pflege eines Soldatengrabes, einem Sportfest, einem Tag der offenen Tür und einem Sommerlager allein im Jahr 2004. Daneben veröffentlicht die Gruppe kostenlos eine Jugend- sowie eine Kinderzeitung.

Auch die NPD tut sich in der Region mit Aktivitäten wie Sportveranstaltungen und Kinderfesten hervor. Nach Informationen des Verfassungsschutzes steht außerdem hinter der "Schülerinitiative für freie Meinungsbildung und -äußerung" in Greifswald im Wesentlichen die NPD.

Die Wirkung der bürgernahen Strategie der Rechtsextremen ist in einer von Arbeitslosigkeit und Abwanderung geprägten Region nicht zu unterschätzen. "Das sind die einzigen, die hier noch was machen", ist eine Meinung, die man in Vorpommern oft hören kann.

Bei aller demonstrativen Bürgernähe erhalten die Neonazis jedoch gleichzeitig eine Drohkulisse der Gewalt aufrecht, wie Günther Hoffmann von Bunt statt Braun bestätigt. So sprühten sie an das als Asylbewerberheim vorgesehene Gebäude in Wolgast die Drohung: "Lichtenhagen! Solingen! Mölln! Wolgast?"

In der Region gibt es kaum Menschen oder Institutionen, die sich der rechtsextremen Szene entgegenstellen. "Auf wenigen Leuten ruht vor Ort die ganze Last, die Demokratie zu verteidigen", sagt Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung und warnt: "Was für diese Leute an Unterstützung von Gesellschaft und Politik kommt, reicht nicht."

Für Günther Hoffmann, der zu den wenigen Engagierten zählt, besteht ein Hauptproblem darin, dass sich die politischen und behördlichen Amtsinhaber in der Region nicht klar gegen den rechten Trend stellen. Das Amt Ueckermünde-Land gestattete sogar dem "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnis Mitteldeutschland" (NSAM), in den Schaukästen einiger Gemeinden seine Plakate anzubringen.

hagalil.com 04-10-2004

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