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Mut, Zivilcourage und Gesicht zeigen:
Der "Kampf gegen rechts" ist gescheitert

Von Burkhard Schröder

Wir befinden uns im Jahre 2008. In ganz Deutschland sitzen die Ultrarechten in den Parlamenten. In ganz Deutschland? Nein, ein kleines Dorf von unbezwinglichen Lichterkettenträgern schafft es immer wieder, Neonazi-Aufmärsche zu verhindern, anständige Aufstände in Permanenz zu veranstalten und das Böse juristisch zu verbieten. Zum Glück wird es einen solchen Zeitungsartikel nie geben, noch nicht einmal in Berlin-Kreuzberg. Dennoch: der "Kampf gegen Rechts" ist gescheitert.

Das ist nicht schlimm, denn in Wahrheit hat es einen solchen Kampf nie gegeben, geschweige denn einen Aufstand der Anständigen. Das gute alte Wort "Aufstand", das so gar nicht zur deutschen Leitkultur passt, legt nahe, die Untertanen stürzten soziale Hierarchien um, enteigneten die Herrschenden ihrer Produktionsmittel und schafften Raum für das Gute, Schöne und Wahre. Davon war nie die Rede. Und ein "Kampf gegen Rechts" setzte eines voraus: dass ein Konsens darüber bestünde, gegen wen oder was sich dieser Kampf richten könnte. Aber dem ist nicht so.

Vor allem die Jungwähler in Sachsen und Brandenburg wählten jüngst die braunen Kameraden. Es gibt keinen Grund anzunehmen, der Nachwuchs in Berlin-Hellersdorf, Zehlendorf oder Marzahn sei politisch ganz anders gesinnt als im Beitrittsgebiet jenseits der hauptstädtischen Grenzen. Oder ist es gar viel schlimmer? Haben die zahlreichen Projekte, die im Logo ein "gegen Rechts" führen, verhindert, dass die Neonazis so viele Stimmen wie der rechtsextremistische "Vlaams Blok" in Antwerpen bekommen hätten? Rund 30 Prozent?

Der "Kampf gegen Rechts" war ein Kampf um Gefühle. Und das geht so: die Obrigkeit fordert von den Untertanen, die richtigen Emotionen zu haben: Mut gegen rechte Gewalt, Mut gegen rechts an sich wie beim Rockkonzert mit Udo Lindenberg. Zivilcourage zeigen, Flagge zeigen, Gesicht zeigen, sich gegenseitig die richtigen Symbole zeigen. Toleranz - aber gegenüber wem eigentlich? Soll Gerald Asamoah tolerant gegenüber Rassisten sein? Die Christen gegenüber den Juden - oder umgekehrt? Sollen die Einwanderer tolerant sein, wenn die Deutschen wieder mal Gesetze beschließen, deren Inhalt durch die Parole "Ausländer raus" hinreichend beschrieben wird? Sei lieb zu den lieben ausländischen und jüdischen Mitbürgern und anderen Fremden! Aber so funktioniert das nicht.

Zu dem gut gemeinten Zweck, dass alle nett zueinander sind, werden zudem öffentliche Rituale "durchgeführt": Fackelzüge, die bei den Guten aber "Lichterketten" heißen, und juristische Exorzismen - der Deutsche möchte am liebsten alles verbieten, was unangenehm ist: die NPD, deren Aufmärsche, ekelhafte Meinungen wie die Leugnung der Shoa, die falschen Symbole. Der durch die Medien ventilierte Appell, das Gute zu tun und das Böse zu lassen, hat aber nur den Effekt wie das "Wort zum Sonntag": man fühlt sich kurzzeitig besser, wenn man dran glaubt. Die Bösen, in diesem Fall die Neonazis, interessiert das alles nicht. Ganz im Gegenteil: sie werden immer mehr. Aber niemand nimmt das zum Anlass darüber nachzudenken, ob Methoden und die zielgerichtete Anstrengung ("Jihad" im Koran) gegen rechts falsch waren und ob man nicht etwas ändern muss.

Der öffentliche Diskurs zum Thema "Rechtsextremismus" ist wie Beton: er besteht aus unveränderlichen kulturpessimistischen Textbausteinen, die jeder seit Jahren kennt. Arbeitslosigkeit, Hatz IV, Sozialabbau, Destabilisierung sozialer Milieus, Individualisierung, Toilettengewohnheiten in der Kindheit, vermeintliche anthropologische Konstanten wie "Fremdenhass", Frust. Der gefrustete Deutsche wird offenbar automatisch zum Rechtsextremisten und Judenhasser, wenn man den Experten glauben will. Will man hier etwas aufbrechen, muss man zum Beispiel Thesen aufstellen, die auch in den Reihen der Lichterkettenträger und Berufsjugendlichen tiefe Verwirrung auslösen. Man ist sich nämlich bei den politischen Essentials keineswegs einig. Wer zum Beispiel behauptet, beim Homo sapiens gebe es "Rassen", ist ein Rassist. Das Thema eignet sich hervorragend für den Biologie-Unterricht, aber manche Lehrer müssten gegen die eigenen Schulbücher argumentieren, weil sich dort genau dieser rassistische Unfug wiederfindet.

Der Antisemitismus wird ohnehin gern vergessen. Natürlich ist es anständig, auf Friedhöfen nicht die Grabsteine umzuwerfen. Darauf, und auf den Appell, bitte keine Gewalt und keine Synagogen abzufackeln, einigt man sich schnell. Solange Juden auf Friedhöfen liegen und ihre Habseligkeiten in Museen verstaut sind oder man nur ihre restaurierte Architektur vor sich hat und ein bisschen Klezmer für Pfarrerinnen und Fans der völkischen Folklore, gibt es keinen Streit. Aber ein paar Israel-Fahnen am falschen Ort und zum falschen Zeitpunkt, und die militanten Antifa-KämpferInnen schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein.

Der gescheiterte "Kampf gegen Rechts" beruht auf der Lebenslüge der deutschen Republik, und deshalb verfehlt er das Thema: Es geht nicht gegen den "Extremismus" von links und rechts, obwohl diese Floskel den Diskurs bestimmt. Die Weimarer Republik ist nicht zwischen den "Extremen" zerrieben worden, sondern an der unstrittigen Tatsache gescheitert, dass die Großindustrie und die Nationalkonservativen die Demokratie an Hitler ausgeliefert haben. Auch heute sitzt das Problem in der Mitte der Gesellschaft, und zeigt sich symptomatisch an den Rändern. Die Demokratie muss nicht "wehrhaft" sein, sondern nur selbstbewusst ? sie kann mit ihren Feinden leben, ohne die mit undemokratischen Mitteln - wie Zensur und Verboten - zu bekämpfen. Aber davon sind wir noch weit entfernt. Die NPD ist das politische Echo der CDU, so wie die "Rote Armee Fraktion" ohne die linke Subkultur der 68er nicht vorstellbar gewesen wäre. Nur Ist es wie, Ernst Jandl es formuliert, ein "Illtum", lechts und rinks zu velwechsern oder, wie es Sitte und Brauch bei der CDU ist, sie in einen totalismustheoretischen Topf zu werfen.

Rassismus und Antisemitismus sind immer eine Option - wer so denkt, verspricht sich etwas davon. Das militante Neonazi-Milieu ist nicht die Ursache, sondern ein Symptom. Es geht nur und ausschließlich um die Frage, wie die deutsche Nation aussehen soll - und wer dazugehört. Das Thema waren nie "die Ausländer", sondern immer soziale Grenzen zwischen Einwanderern und "Ureinwohnern". Rassismus wird dann virulent, wenn man sich von willkürlich definierten und fiktiven Grenzen gesellschaftliche Vorteile verspricht. "Abstammung" und Rasse sind Grenzen für die Dummen, "Leitkultur" und die Werte des angeblichen christlichen Abendlands sind Kriterien für Salonfaschisten und andere Völkische, um Immigranten zu diskriminieren. Wer jemanden ausgrenzen will, möchte selbst der Nutznießer davon sein. Nicht die Verlierer zücken zuerst die rassistische Karte, sondern die, die sich vor dem Abstieg fürchten und die noch etwas zu verlieren haben. Das ist heute nicht anders als 1933.

Wir sind kein Volk, sondern eine Bevölkerung. Im "Kampf gegen rechts" kämpfen die Deutschen in Wahrheit gegen sich selbst. Wir müssen uns einig werden, wer wir eigentlich sind. Das geht nur im Streit. Die deutsche Nation gab es noch vor 200 Jahren nur auf dem Papier. Deutsche Juden sind eben deutsche Staatsbürger, so wie Israelis arabischer Herkunft Christen und Muslime, aber israelische Staatsbürger sind. Wenn Kreuzberger Türken die spärlichen Erfolge der deutschen Fußballnationalmannschaft feierten - und nicht die der türkischen -, wäre eine Normalität eingekehrt, die in Frankreich und England schon lange Konsens ist. Im Vereinslokal des Kreuzberger Schützenvereins hängt ein Bild Kemal Atatürks, aber die deutsche Fahne. Die Herkunft nicht zu vergessen, aber die neue Heimat und ihre Regeln zu akzeptieren - das ist gut deutsch, und das ist auch gut so.

Mehr von Burkhard Schröder:
http://www.burks.de

hagalil.com 10-10-2004

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