Vermeintliche österreichische
Neo-Nazi Band:
Auftritt in Tel Aviv verschoben
[FORUM]
[ENGLISH]
by Hilary Leila Krieger,
Jerusalem Post, 04.10.2004
Ein Konzertmanager aus Tel Aviv hat den unmittelbar
bevorstehenden Auftritt einer österreichischen Band verschoben, der weit
verbreiteten Kritik folgend, es handele sich um eine Neo-Nazi-Band, die
pro-faschistische Botschaften verbreite.
Natan Sharansky, Minister ohne Geschäftsbereich und zuständig für
Angelegenheiten der Diaspora, Knessetmitglied Yossi Sarid aus Yahad, Ron
Huldai -Bürgermeister Tel-Avivs und die "Anti-Defamation-Liga waren mit die
lautesten Stimmen eines Chores welche forderten, die Gruppe "Der Blutharsch"
von Albin Julius von der für Sonnabend angesetzten Veranstaltung
auszuschließen.
Sarid sagte: "Sie kennzeichnen die faschistischen, neonazistischen Teile der
europäischen Gesellschaft und ich glaube nicht, sie sollten nach Israel
eingeladen werden."
Obwohl der Organisator Igor Simkin sich dafür entschieden
hat, die Veranstaltung um einige Monate zu verschieben will die
Stadtverwaltung Tel Aviv die Angelegenheit vor Gericht zu bringen und den
Klub schließen lassen.
Eine Sprecherin des Innenministeriums sagte indessen, obgleich bisher keine
Visa-Anträge der Mitwirkenden vorlägen, werde die Situation seitens des
Ministeriums beobachtet, man werde eine Entscheidung über die
Einreiseerlaubnis fällen, sollten entsprechende Anträge eintreffen. Sie
fügte hinzu: "Es wird gesagt sie seien Neo-Nazis aber wir können nicht
sicher sein nur weil einige Leute dies sagen".
Julius und Simkin beharren darauf, dass "Der
Blutharsch" nichts dergleichen sei. "Wir sind eine unpolitische Band und
sind nicht bereit uns für eine Ideologie oder politische Richtung
vereinnahmen zu lassen“ so Julius.
Wir verbreiten keinen Hass oder Rassismus, noch begünstigen wir den
Nationalsozialismus. Wir sind Künstler und nutzen die Provokation als Teil
unsrer Kunst. Uns auszuschließen wäre wirklicher Faschismus. Meiner Meinung
nach war es doch gerade das Dritte Reich, welches Künstler davon
ausgeschlossen hat, ihrer Kunst nachzugehen, nicht wahr?"
Angesprochen auf den Namen der Gruppe, welcher eingetrocknetes, geronnenes
Blut bedeutet und Assoziationen an Verwundungen in
germanisch-mittelalterlichen Feldzügen weckt, meint er, er habe diesen Namen
wegen des guten Klanges und der passenden Phonetik gewählt: "Ich mag die
Lautmalerei. Unsere Musik ist eine Art perverser Marschmusik. Industriell
und experimentell, bestimmt durch Schlagzeug, akustische Gitarren und
Sampling.
Nach Ansicht der Historikerin Andrea Livnat,
Leiterin der Tel Aviver Redaktion des deutsch-jüdischen Onlinemagazins
haGalil, die sich von hier aus mit der Band beschäftigt hat, beinhalten eben
diese Samples Auszüge aus Liedern der Hitler-Jugend, Video-Clips werden mit
Hakenkreuzen und weiterer NS-Symbolik garniert.
Livnat berichtet von früheren Fällen, in denen Konzerte der Band aus eben
diesen Gründen abgesagt werden mussten. Zuletzt führte anfangs des Jahres in
Chicago der massive Druck einer Aktivistengruppe, die die faschistische
Propaganda der Band anprangerte, zur Stornierung eines Auftritts. Jim
Derogatis, Musikkritiker der Chicago Sun-Times schrieb jedoch, eine
Internet-Recherche habe nur wenig verurteilenswerte Information
hervorgebracht: "Es liegen nur geringe Anzeichen dafür vor, dass die
österreichische Band "Der Blutharsch" in ihren Songs Hass predigt".
Livnat setzt dem entgegen, die Band habe die am
meisten beanstandeten Abbildungen inzwischen entfernt.*)
Es sei in Europa nicht so einfach mit direkt antisemitischen Texten
durchzukommen. Entsprechende Aussagen werden schneller wahrgenommen und
registriert, da man auch viel eher damit rechnen muss. Hass-Musiker mit
antisemitischen hard-core Texten stehen recht verlässlich unter dem Beschuss
antifaschistischer Gruppierungen. Auch juristische Mittel werden von einigen
Juristen sehr konsequent und erfolgreich angewandt. Manche Gruppen versuchen
ihre Botschaft deshalb zu verschlüsseln. Selbst wenn eine Band aber
gerademal ihren Antisemitismus nicht so dominant herausstreicht, sollten wir
uns nicht täuschen lassen, fügt Livnat hinzu: "Letztendlich sind alle
Rechtsextremisten Judenfeinde. Man sollte den Feind nicht zu sich nach Hause
einladen".
Sowohl Simkin, als auch Julius entgegnen, dass
gerade ein Besuch in Israel beweise, dass die Band nicht antisemitisch sei.
Julius erklärt: "Wenn ich wirklich ein Nazi wäre, ich denke ich würde nicht
nach Israel kommen um da aufzutreten und eine CD für das israelische Volk
herauszugeben, nicht wahr?" Sein Verlangen in Israel aufzutreten beruhe auf
dem Interesse mehr über die Menschen kennen zu lernen, das "heilige Land" zu
sehen - ein Land voller Spannung, welches von vielen Musikern gemieden wird.
Außerdem wolle er wissen, ob die Leute dort bessere Falafel machen, als mein
Lieblingsfalafelverkäufer in Wien.
" Ein hoher
Vertreter der Stadtverwaltung von Tel Aviv geht aber doch von weitaus
finstereren Motiven aus. Er sagt, dass Clubbesitzer, die beabsichtigen "Der
Blutharsch" einzuladen, davon ausgehen, es handle sich hier um eine
"Herausforderung" für solche Gruppen, gebe ihnen dies doch eine Gelegenheit
"uns mit Worten ins Gesicht zu spucken".
"Es
ist vollkommen klar, warum sie nach Israel kommen" meint auch Yossi Sarid,
"sie wollen von uns legitimiert werden, wollen sozusagen einen
Koscher-Stempel, einen israelischen Passierschein. Derart legitimiert und
ausgestattet, wird ihnen niemand mehr den Zugang verwehren können.
Dann können sie denjenigen in Chicago und Holland, die versuchen ihre
Auftritte zu verhindern, nämlich sagen: 'Was wollt ihr von uns? Wer seid
ihr, dass ihr uns als Neo-Nazis oder Faschisten beschimpft, die Überlebenden
des Holocaust haben uns eingeladen'".
Für Andrea Livnat ist es
genau diese Legitimation, die den Auftritt der Gruppe hier so gefährlich
werden lässt: "Ich mache mir keine Gedanken über die 100 Israelis, die hier
ein Konzert besuchen. Ich sorge mich um den Kampf gegen Antisemitismus und
Neonazismus in Europa".
Sie meint eine Frage, die
wir uns jetzt stellen müssen lautet, weshalb überhaupt jemand in Israel
meint, es sei eine gute Idee solche Leute hierher zu einem Auftritt
einzuladen: "Ich vermute mal die Leute denken sie seien bahn- oder gar
tabubrechende Zeugen einer avantgardistischen Performance".
Laura Kam
Issacharoff, Sprecherin der ADL [Anti Defamation League] vermutet, das
Publikum werde sich wohl aus denselben, hauptsächlich aus der früheren SU
stammenden Kreisen problematischer Jugendlicher zusammensetzen, die in
letzter Zeit für die Verbreitung antisemitischer Graffiti im ganzen Land
verantwortlich zu machen sind: "Für uns ist es nicht der herkömmliche
Antisemitismus. Es handelt sich um eine beteiligungslose Jugend. Es ist ein
soziales Problem."
Simkin meint allerdings, das
Publikum sei durchaus gemischt: "Israelis aller Gruppen", also nicht nur
Einwanderer, so wie er, aus der ehemaligen Sowjetunion, "wir rechneten mit
einer kleinen Gruppe, vielleicht 50-100 Leute, die sich für diese Art
alternativer Musik interessieren. Ich bin Jude und hätte doch nie eine Band
eingeladen, von der ich glauben würde, sie sei antisemitisch."
*) Anm. d. Übersetzer - Ein
Besuch der heute aktuellen Seiten der Band ergibt, im Vergleich zur
Präsentation vor drei Tagen, eine völlig überarbeitete und stark
eingeschränkte Darstellung. Auf den ersten Blick ist nur eine einzige Seite
aufrufbar. Diese verlinkt demonstrativ auf ein israelisches Label.
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Vorwurf zur Bunker-Nacht:
Treten in Israel
Nazi-Bands auf?
Wie kann das sein? Ist es möglich, dass eine Band, die in
Israel auftritt neo-nazistisch ist? Manche sagen "Ja!"...
hagalil.com
04-10-2004 |