Nazis im Landtag:
Cool bleiben?
Ignorieren,
Ausgrenzen und Isolieren - einen anderen Umgang darf es im neuen
sächsischen Landtag mit der NPD nicht geben. Denn alles andere würde
sie als normale politische Akteure legitimieren. Vor Ort dagegen, wo
ein Viertel aller WählerInnen NPD
gewählt hat, gilt es zu intervenieren.
Von Heike Kleffner
Auf 15 bis 25 Prozent schätzen Demografen den Bevölkerungsanteil mit
verfestigten ausländerfeindlichen Einstellungen. Bislang hat die
Mehrheit der rechten Wähler die großen Volksparteien gewählt: Weil
sie denen in ihrer Autoritätsfixiertheit die Lösung schwieriger
Probleme eher zutrauten. Nun haben sich diese Wähler fürs Original
entschieden. Erstmals seit 30 Jahren zieht die dienstälteste
Neonazi-Partei Deutschlands - die NPD - wieder in einen Landtag ein.
Das rechte
Potenzial der Mitte der Gesellschaft hat genau die Partei gewählt,
die mit extremem Rassismus, Nationalismus und
Autoritarismus die eigenen Haltungen in Reinkultur
verkörpert. Die Mandatsträger der NPD sind bekennende Rassisten und
Antisemiten; sie glorifizieren den Nationalsozialismus und eine
Ideologie der Ungleichheit. Daraus haben sie nie einen Hehl gemacht.
Und sie agieren aus der Mitte der Gemeinden.
Der Erfolg der
NPD in Sachsen wird das Selbstbewusstsein der extremen Rechten -
auch der militanten Neonazi-Kameradschaften - bundesweit stärken.
Schon im ersten Halbjahr diesen Jahres
wurde in Ost und West ein Anstieg rechter Gewalt registriert. Jeden
Tag wird in Deutschland jemand angegriffen, weil er oder sie nicht
ins rechte Weltbild passt. Eine Zivilgesellschaft, die jetzt nicht
interveniert, lässt diejenigen im Stich, die in der Sächsischen
Schweiz, den Vorortbahnhöfen von Hamburg oder den Schulen in
Oberfranken im Visier von Neonazis stehen. Und nicht die Wahl haben,
einem Viertel der Dorfbevölkerung aus dem Weg zu gehen.
Die NPD setzt
auf die Konzepte der NSDAP: Einkreisung der Städte durch das Land,
"Kampf auf der Straße" und "Kampf in den Parlamenten". Doch die
Erfolge der extremen Rechten sind selten das Ergebnis von brillanten
Strategen; sie sind in erster Linie ein Indikator für die
Gleichgültigkeit und die Versäumnisse der Zivilgesellschaft und
ihrer Institutionen.
Wer noch immer
meint, man könne Neonazis als "Jugendphänomen" verharmlosen,
verkennt die Ursachen ihres Erfolgs. Durch das Scheitern des
Verbotsantrags wurde die Steilvorlage geschaffen für die derzeitige
Inszenierung der NPD: Als permanente Opfer einerseits, als scheinbar
widerspenstige Rebellen andererseits. In dieser Inszenierung finden
sich die WählerInnen der Neonazipartei
wieder. Hinzu kommt der allzu kurze "Aufstand der Anständigen": Wer
erinnert sich noch daran, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)
vor vier Jahren parteiübergreifend dem
Rechtsextremismus den Kampf ansagen und demokratische Kultur stärken
wollte? Gerade in den Regionen, in denen die NPD ihre besten
Ergebnisse einfuhr, wird eine nicht rechte oder alternative Kultur
mehr denn je als eigentlicher Störenfried der kommunalen Ordnung
ausgegrenzt.
Mitverantwortung
tragen aber auch Gewerkschafter, die Standortnationalismus als
letzte Hoffnung gegen die negativen Folgen einer globalisierten
Wirtschaftsordnung propagieren. Oder Organisatoren von
"Montagsdemonstrationen", die militante Neonazi-Kameradschaften und
NPD-Funktionäre mitlaufen lassen mit dem Argument: "Wir wollen
niemand ausschließen, solange er gegen Hartz
IV und nicht verboten ist."
Politisch
Verantwortliche, die die Kultur des Wegsehens und der Verharmlosung
von rechter Alltagsdominanz und Gewalt weiter wie bisher betreiben,
verschaffen der NPD und ihren Steigbügelhaltern bei den
Neonazi-Kameradschaften noch mehr Freiräume und Zulauf. Nicht
Schönreden ist jetzt gefragt, sondern Unterstützung für diejenigen,
die vor Ort für eine offene Gesellschaft und gegen
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus streiten.
HEIKE KLEFFNER arbeitet als freie Journalistin zu den Themen
Rechtsextremismus und Migration. Derzeit leitet sie die "Mobile
Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt" in Sachsen-Anhalt.
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24-09-2004 |