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Prozess Kameradschaft Süd:
Der Spitzel hat den Plan

Ein V-Mann soll die neonazistische Kameradschaft Süd maßgeblich beeinflusst haben. Das könnte beim Prozess eine Rolle spielen.

Von Andreas Speit
Jungle World 33 - 04. August 2004

"Eine durchsichtige Ablenkungsstrategie" sei es, die Verantwortung für die geplanten Münchner Bombenanschläge der Kameradschaft Süd um Martin Wiese einem V-Mann in die Schuhe zu schieben, meint Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Das verwundert nicht, könnten doch die Aktivitäten des verdeckten Ermittlers den Neonazis im Prozess als Entschuldigung dienen.

In der ARD-Sendung "Report" vom 26. Juli erklärte Wieses Anwältin Anja Seul: "Der V-Mann hat Wiese eine Menge erzählt und beigebracht, was auch Wiese noch nicht wusste, und hat insofern nicht nur Wiese inspiriert und geprägt, sondern mittelbar über Wiese selbstverständlich auch die ganze Gruppierung." Denn der 27jährige Anführer der Münchener Kameradschaft habe alle Informationen postwendend an die Gruppe weitergegeben.

Erneut gefährdet somit ein Amt des Verfassungsschutzes (VS) durch seine Arbeitsmethoden die Verurteilung einer militanten Neonaziorganisation. Vor gut einem Jahr scheiterte vor dem Bundesverfassungsgericht das Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) wegen der Innenbehörden. Was als Höhepunkt des "Aufstands der Anständigen" im Januar 2001 begann, endete im März 2003 wegen der "Handlungsweise der Zuständigen". Während der Verhandlungen flogen fünf führende Funktionäre der NPD, welche als "Kronzeugen" im Verbotsantrag gegen die älteste neonazistische Partei der Bundesrepublik angeführt waren, als besoldete Ermittler unterschiedlicher VS-Ämter auf.

Das sei "ein unausweichliches Verfahrenshindernis", erläuterte damals der Vorsitzende Richter des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Wilfried Hassemer. Denn der Einsatz von V-Leuten, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungierten, sei bei einem Parteiverbotsverfahren "unvereinbar mit den Anforderungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens". Schließlich würde die staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei zu einer "unvermeidbaren Einflussnahme auf deren Willensbildung und Tätigkeit" führen.

Als im September vergangenen Jahres die bayrischen Behörden mitten im Landtagswahlkampf gegen die Münchener Kameradschaft vorgingen, brüstete sich Beckstein noch mit dem Fahndungserfolg. Eine "Braune Armee Fraktion" sei zerschlagen worden, die für den 9. November 2003 einen Bombenanschlag bei der Grundsteinlegung für eine Synagoge auf dem St. Jacobsplatz in München geplant hätte. 14 Kilo Sprengstoff und die Attentatspläne seien den Ermittlern in die Hände gefallen. Gegen 13 Angehörige der Kameradschaft Süd erhob Generalbundesanwalt Kay Nehm sogleich Anklage wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Die vergangene Woche von der Rechtsanwältin Seul ausgesprochenen Vorwürfe hielten jedoch den "Tatsachen" nicht stand, betonte Beckstein. Schon deshalb seien die Vorwürfe unbegründet, weil der "Generalbundesanwalt die Einstellung des Verfahrens gegen den V-Mann wegen geringer Schuld" beantragt habe. Dem aus Frankreich stammenden V-Mann wirft die Bundesanwaltschaft "nur" vor, eine terroristische Vereinigung unterstützt und Beihilfe zum unerlaubten Waffenbesitz geleistet zu haben. Ein agent provocateur soll er nicht gewesen sein.

Die "enge Zusammenarbeit" seiner Behörde mit dem V-Mann leugnet Beckstein nicht, habe sie doch "entscheidend dazu beigetragen, einen Sprengstoffanschlag der 'Schutztruppe' zu verhindern". Seine harsche Reaktion auf die jüngsten Vorwürfe kann Wieses Verteidigerin verstehen: "Es wäre relativ unangenehm, wenn nicht mein Mandant über Attentatspläne gesprochen hat, sondern der V-Mann."

Ohne den verdeckten Ermittler wäre Wiese niemals in der Lage gewesen, die Kameradschaft zu leiten, betont sie. Nach seinem Einstieg im Jahr 2002 sei der fließend deutsch sprechende V-Mann schnell zu Wieses "Berater" aufgestiegen. "Er war eine Art Lehrmeister für meinen Mandanten", der ihm auch "Tipps" gegeben habe, "wie sich Computerprogramme verschlüsseln und polizeiliche Observierungen erkennen" lassen, behauptet Seul.

Wieses Stellvertreter Alexander Maetzinger sagte aus, dass der Spitzel mehrmals von einem "Bumm" gesprochen habe. Nach Angaben des 27jährigen, der wegen gefährlicher Körperverletzung am 26. Juli zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt wurde, habe er gesagt: "Wenn ich über den Marienplatz gehe, dann stelle ich mir vor, wie toll es wäre, wenn so ein Ding hochgeht und 2 000 Leute draufgehen." Im Fernsehmagazin "Report" erklärte Beckstein indes, der V-Mann habe nur "im Zusammenhang mit einer europäischen Revolution vom 'Bumm' gesprochen".

Dass es kein Grund für den Verfassungsschutz sein muss, die Zusammenarbeit mit einem V-Mann zu beenden, wenn dieser eine maßgebliche Rolle in einer neonazistischen Gruppierung einnimmt, hat der im vergangenen Jahr in Buchform veröffentlichte Feldversuch zweier Aussteiger aus der Neonaziszene, Jörg Fischer und Peter Viola, erneut bestätigt. Viola wurde trotz seines Aufstiegs zum Landesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation und der Lieferung wertloser Informationen weiterhin großzügig belohnt.

Aus den Akten der Bundesanwaltschaft soll hervorgehen, dass der V-Mann zusammen mit Wiese und Maetzinger in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) Waffen und Munition beschafft habe. Nach Angaben von Beckstein habe der Verfassungsschutz seinen Mitarbeiter anweisen müssen, keine weitere Beschaffung von Waffen zu unterstützen. Die Lieferanten Marcel K. und Steven Z. verurteilte das Neuruppiner Landgericht am 3. März dieses Jahres zu einem Jahr und neun Monaten bzw. zu einem Jahr Haft, jeweils auf Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte Haftstrafen ohne Bewährung für die den Behörden seit langem bekannten Neonazis beantragt.

Keine Einwände erhob die bayrische Innenbehörde gegen die Anti-Antifa-Aktivitäten ihres Mitarbeiters, hatte sie ihm doch, Seul zufolge, mit Infos über die Linken den Einstieg in die Kameradschaft erleichtert. Systematisch spionierten die Neonazis linke Gruppen und Treffpunkte aus. Ein V-Mann sei nun mal jemand, der "in der Szene mitschwimmt", wusste Beckstein zu dessen Entschuldigung zu sagen.

Bis heute sei keines der "linken Anschlagsziele" von den Behörden gewarnt worden, betont Paula Scheibe von der Roten Hilfe München, "obwohl die ehemalige Kameradschaft Süd jetzt unter dem Namen 'Aktionsbüro Süd'" weiter arbeite. Sie vermutet, dass das "die kriminellen Machenschaften" des VS gefährden würde. Sogar der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard-Rudolf Baum (FDP) erklärte im Zusammenhang mit der neuen V-Mann-Affäre, der Verfassungsschutz habe rechtsstaatliche Grenzen überschritten. Der V-Mann sei "der aktive, der treibende Teil der Organisation, das Gehirn der Truppe gewesen".

Wer nach dem Scheitern des NPD-Verbots – den Behörden des Inneren sei Dank – deren vollmundigen Ankündigungen von schnellen Reformen des Apparats und genauen Richtlinien für verdeckte Ermittlungen glaubte, dürfte enttäuscht sein. Anfang Oktober muss sich das Gericht mit der Rolle des Münchener V-Mannes auseinandersetzen.

hagalil.com 08-08-2004

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