Von Sch. Zahubi, Haifa
Dieses Land ist derart reizvoll, dass die Sonne bevorzugt darauf
scheint und die Luft beständig aufheizt. Hat man das Glück im Monat Juli,
dazu noch um die Mittagszeit, weit weg von Schatten und Klimaanlage in
freier Natur eine Fahrradfahrt zu unternehmen, so gibt es eine hohe
Wahrscheinlichkeit, dass man sich den Begriff "Glück" in diesem Zusammenhang
noch einmal durch den Kopf gehen lässt.
Mehr als 70% des Menschen bestehen aus Wasser. Dieses besitzt die
Eigenschaft, bei hohen Temperaturen allmählich zu verdunsten. Der Mensch
schwitzt und wird immer weniger. Vergisst er sich mit der ausgeschwitzten
Wassermenge wieder aufzufüllen, dann kann es dazu kommen, dass er nicht nur
bleibend an Substanz reduziert wird, sondern auch in seinen
Funktionsmöglichkeiten. Das Hirn liefert Tagträume, der körperliche Schmerz
wird nur noch schemenhaft wahrgenommen, das Unwohlsein weicht einer
Gleichgültigkeit, im Gehirn brechen technische Abläufe zusammen und liefern
permanente Falschmeldungen, bis das System Mensch zusammenbricht und die
Seele mitsamt der Lebensmechanismen den Körper verlassen. Ein derartiger
Ablauf wird gerne mit dem prägnanten Wörtchen "Tod" umschrieben. Alsbald
liegt der leblose Leib irgendwo herum und die noch funktionierenden
Mitglieder des Biotops kümmern sich um ihn. Kleinstlebewesen krabbeln über
seine aufgedunsene Haut, finden Öffnungen und erforschen diese auf der Suche
nach Verwertbarem. Durch den Feuchtigkeitsverlust verliert die Haut ihre
Geschmeidigkeit und bricht an einigen Stellen auf.
Verwesungsgeruch lockt Aasfresser an und in kurzer Zeit findet der
liebevoll aufgefüllte Leib eine bunte Schaar hungriger Mäuler, die sich an
ihm gütlich tun. Nichts geht verloren. Irgendwo in der flirrenden Hitze
blickt der Seelenrest, im Aufstieg begriffen, noch einmal kurz auf den
zurückgelassenen Körper, um sich alsbald mit anderen "Dingen" zu
beschäftigen.
Diese Abläufe sind gut erforscht und jedem, sogar unbedarftem bekannt.
Dennoch versucht der Mensch sich aus dem Austausch von aufblühenden und
vergehenden Substanzen auszuklinken. Er ist nicht einverstanden mit seinem
Anteil als Naturdünger und beansprucht die Unsterblichkeit für sich. Als
derzeit erfolgreichstes Lebewesen auf dem Planeten Erde will er sich aus dem
lebensstiftenden Kreislauf entfernen und vergisst dabei, dass er
mittlerweile einen großen Teil der irdischen Biomasse für sich beansprucht.
Seine Verpflichtung, die entzogene Biomasse mit neu hergestellter
auszugleichen, hält er nicht ein. Absterbende Menschenleiber werden
therapiert und schließlich, trotzdem, gut eingesargt, vergraben. Der Körper
gelangt zwar auf Umwegen doch noch zurück zur Erde, könnte jedoch weit
wirksamer, unmittelbar Verwertung finden. Eine ethisch scheinbar
unüberwindliche Mauer müsste beseitigt werden, um unter dem Begriff des
"Kannibalismus" eine andere Technik der Wiederverwertung einzuleiten.
Anstelle von Millionen von Tieren, die gemästet mit edlem Gras und Kraut
dem Menschen als Nahrung dienen, sollte man darüber nachdenken, wie
Verstorbene wieder schmackhaft aufbereitet würden, um kein umstrittenes
Grundstück für ein Grab sondern einen Platz auf dem Mittagsteller zu finden.
Die derart eingesparten Friedhofsparzellen könnten dem Anbau von Gemüse
überlassen werden. Viele Tiere als Fleischlieferanten würden alsbald nicht
mehr benötigt, also auch nicht mehr gezüchtet, -ihre Leben würden vermieden,
damit aber auch Millionen von Quadratkilometer Weideland die zur Ernährung
bereitgestellt, anderen Nutzungen zugeführt.
Sei dieser Text ein Produkt der oben angesprochenen Verdunstung, die am
Organ, welches für die Denkprozesse zuständig ist, beginnen würde, so mag
dennoch ein Hinweis auf die Heilige Schrift erlaubt sein, worin die
Speisevorschriften, insbesondere was den Fleischverzehr anbelangt, eindeutig
darauf hinweisen, jenen so weit als möglich einzuschränken. Er ist als
Zugeständnis zu verstehen, um vom in der Frühzeit üblichen Kannibalismus
abzukommen, jedoch gleichwohl als Überleitung zur empfohlenen vegetarischen
Ernährung. Über den Ekel, den man beim Gedanken an den Kannibalsimus
empfindet, könnte für die Gegenwart eine weitere Überleitung zum
fleischlosen Ernähren der Menschheit ,gefunden werden.
So betrachtet, hat die Verdunstung in der Hitze des Orients, die im
Gehirn beginnt, schließlich zu einer weiteren Bereicherung in der Kultur -
insbesondere der Esskultur - geführt.