Für die internationale Frankfurter Buchmesse im Jahre 2004 haben Sie die
Arabische Literatur als Schwerpunkt ausgewählt, deren Autorinnen und Autoren
ausschließlich von der politisch fundierten Arabischen Liga bestimmt werden.
Dieses "Pauschalarrangement" verwundert und gibt inzwischen international
Anlaß zur Kritik.
Abgesehen davon, daß die Arabische Liga nicht gerade ihrer literarischen
Qualitäten wegen bekannt geworden ist, sondern als rigide Statthalterin des
antiquierten Panarabismus, ist unter ihrer Federführung damit zu rechnen,
daß vornehmlich konforme "Staatsdichter" ausgewählt werden.
Vor allem aber wird durch dieses Arrangement der Gestaltung der aktuellen
Buchmesse erneut unterstellt, bei dem gesamten Nahen Osten handele es sich
um eine hermetische arabische Angelegenheit.
Es existiert aber in den Ländern des Nahen Osten Ländern weder eine
homogene Kultur noch existieren homogene arabische Staatsvölker – vielmehr
handelt es sich hier seit Jahrtausenden um Vielvölkernationen, deren diverse
Angehörige in der Regel zwangsarabisiert wurden.
Wo erscheinen und gewinnen auf der diesjährigen Buchmesse jene Stimme und
Gewicht, die als Kurden, Yeziden, Assyrer, Drusen, Tscherkessen, Kopten oder
Berber sehr wohl einen wesentlichen literarischen Beitrag dieser Region für
die Welt geleistet haben?
Sie sämtlich unter dem Siegel des Arabismus erscheinen zu lassen, würde
lediglich die Fortsetzung ihrer Verleugnung und Unterdrückung gutheißen.
Der syrische Romancier Khalil Suwailih (arabischer Abstammung) hat
bereits öffentlich davor gewarnt, daß die von Ihnen gewählte Art der
Präsentation dazu führe, eher die "arabische Kultur zu verurteilen, als sie
zu würdigen".
Es verwundert daher nicht, daß die aktuelle Buchmesse unter den
nahöstlichen Intellektuellen – gleich welcher Herkunft – bislang wenig
Aufmerksamkeit gefunden hat. Einige haben ihre Teilnahme bereits abgesagt.
Die Betroffenen wissen nur zu gut, daß die Arabische Liga 22 nahöstliche
Staaten umfaßt, die ihre eigenen "Hofdichter" unterhalten und gleichzeitig
unabhängige Autorinnen und Autorinnen hindern, bedrängen und verfolgen.
Wenn aber die Intellektuellen in den einzelnen Ländern schon alles andere
als eine homogene Gruppe darstellen, sollte auch die Kultur dieser Länder
pluralistisch repräsentiert werden.
Sie wären besser beraten, die Vielfalt des nahöstlich-mesopotamischen wie
des mediterranen Kulturraumes und auch die des Exils vorzustellen – und
deren Auswahl an unabhängige internationale Kulturinstitute, an Verlage und
Intellektuellen-Vereinigungen zu übertragen.
Es trifft zu, was Ihnen Hassan Dawud, Schriftsteller und Feuilletonchef
der libanesischen Tageszeitung "AL-Mustaqbal" geschrieben hat:
"Die 'eine arabische Kultur' verbindet die arabischen Länder schon lange
nicht mehr. Es gibt nicht mehr die arabische Elite, der man als
Intellektueller angehört. Das Leben hat sich verändert, und nun kämpfen die
unterschiedlichen Eliten für verschiedene Interessen – und nicht mehr
unbedingt an erster Stelle für Kultur und Bücher".
Nur der Vorstand der Frankfurter Buchmesse scheint aus unverständlichen
Gründen einem panarabischen Anachronismus weiter verbunden zu sein.
Wir fordern Sie auf, sich von der Arabischen Liga als Ausrichterin der
Buchmesse zu trennen.
Unabhängigen und exilierten Autorinnen und Autoren wesentlichen Platz
einzuräumen.
Vor allem aber:
Der Vielfalt der Vielvölkerstaaten durch signifikante Hervorhebung und
Beteiligung von Schriftstellern der unterdrückten kurdischen, der
assyrischen, tscherkessischen, armenischen und berberischen Populationen und
ihrer kulturellen Verbände im Rahmen eigener Veranstaltungen und events auf
der Messe Ausdruck zu verleihen. Wie kann es gerechtfertigt werden, die
Autorinnen und Autoren von 40 Millionen Kurden nicht einmal namentlich als
existent zu erwähnen?
Wir erwarten Ihre freundliche Antwort und stehen Ihnen gerne in jeder
Weise zur Verfügung.
Wir erklären die Bereitschaft der kurdischen Dichter, Publizisten und
Autoren, in angemessener Weise an der Buchmesse 2004 beteiligt zu sein.
Sivan Perwer
Stiftungsvorsitzender
23-8-2004