Schändungen jüdischer und moslemischer Gräber:
Neonazi-Gewaltwelle in Frankreich
Von Bernard Schmid, Paris
Vor der Aufklärung stand am Sonntag (15.08.) der Fall
der eine Woche zuvor bekannt gewordenen Schändung eines jüdischen Friedhofs
in Lyon. Der Täter hatte 60 Grabsteine u.a. mit Hakenkreuzen gezeichnet, den
Namen von Adolf Hitler sowie eine Wandschrift gegen die "islamische
Invasion" geschmiert.
Er zeichnete mit "Phineas"; den Namen dieser biblischen
Gestalt, die das Ausüben von Rache und Selbstjustiz symbolisieren soll, wird
seit Jahrzehnten von US-amerikanischen Neonazi-Organisationen benutzt.
Bereits wenige Tage nach der Tat stand fest, dass derselbe Täter auch am 5.
August in Villeurbanne (bei Lyon) einen aus Algerien stammenden Mann auf
hellichter Straße mit einem Beil angegriffen hatte: Die Blutspuren an jenem
Beil, das auf dem geschändeten Friedhof gefunden wurde, konnten auf
DNA-Spuren hin untersucht werden.
In der Nacht vom 14. auf den 15. August stellte sich ein
24jähriger Mann in Paris den Polizeibehörden. Zu seiner Motivation gab er
u.a. zu Protokoll, er habe die bestehenden rechtsextremen Parteien in
Frankreich als "zu schlapp" empfunden.
Am Vortag, dem 14. August, waren auf dem Vorplatz der
Kathedrale Notre Dame in Paris ein Hakenkreuz und eine antisemitische
Inschrift ("Tod den Juden") gefunden worden, was breite Emotionen auslöste.
Besondere Aufmerksamkeit durch die Schändung sowohl jüdischer Friedhöfe als
auch moslemischer Gebetsräume oder der Gedenkstätten für im Krieg gefallene
Soldaten moslemischer wie jüdischer Herkunft hatte seit dem Frühjahr 2004
die Region Elsass auf sich gezogen.
Zuletzt wurden am 28. Juli der jüdische Friedhof in
Saverne (Zabern) und am 6. August die Gräber von 40 moslemischen
Weltkriegssoldaten in Strasbourg mit Hakenkreuzen beschmiert. Auch hier
deutet alles auf einen Neonazi-Hintergrund der seit April nicht abebbenden
Taten hin. Das Elsass scheint ferner, unter anderem aufgrund seiner
geographischen Situation, in jüngster Zeit zum Versammlungsgebiet für
militante Neonazis aus Deutschland, der Schweiz, Belgien und Frankreich
geworden zu sein.
Die Pariser Tageszeitung "Libération" berichtete etwa am
10. August über eine Saalveranstaltung von über 400 Neonazis aus den drei
Ländern, die am Wochenende des 1. August im elsässischen Hipsheim
stattfinden konnte. Bei zwei der jüngst stattgefundenen Schändungen wurde
das Kürzel "HVE junior" benutzt. Die neonazistische "Heimattreue Vereinigung
Elsass" wurde 1993 gesetzlich verboten.
hagalil.com
16-08-2004 |