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Anschlag auf jüdische Einrichtung:
Neonazi-Gewaltwelle in Frankreich

Von Bernard Schmid, Paris

In der Nacht vom vorigen Samstag auf Sonntag (22. August) wurden erneut französische Neonazis aktiv, indem sie zwischen 3 und 4 Uhr früh ein jüdisches Sozialzentrum im 11. Pariser Arrondissement anzündeten. Bei der Einrichtung in der rue de Popincourt umfasst eine koschere Küche für sozial bedürftige Menschen. Ein Drittel der insgesamt 300 Quadratmeter umfassenden Einrichtung in der ersten Etage eines fünfstöckigen Gebäudes brannte aus; ein drohendes Übergreifen der Flammen auf die anderen Stockwerke, die Wohnungen umfassen, konnte glücklicherweise durch die Feuerwehr verhindert werden.

Am Tatort wurden, im Gebäudeinneren, Hakenkreuzschmierereien und rechtsextreme Aufschriften ("Ohne die Juden wären wir glücklich") entdeckt. Der französische konservative Premierminister Jean-Pierre Raffarin fand sich am Sonntag mittag ebenso am Tatort ein wie der Pariser sozialistische Bürgermeister Bertrand Delanoë; Raffarin kündigte exemplarische Härte bei der Strafverfolgung aus. Im Dezember 2003 hatte die französische Nationalversammlung mit der Loi Lellouche die Höchststrafen für antisemitisch oder rassistisch motivierte Straftraten deutlich verschärft. Alle politischen Kräfte verurteilten den Brandanschlag.

Zuletzt hatte in Paris die Entdeckung eines Hakenkreuzes und der Inschrift "Tod den Juden" auf dem Vorplatz der Kathedrale Notre Dame am vorletzten Samstag, 14. August, in breiten Kreisen Empörung hervorgerufen.

Aber auch in anderen Landesteilen haben seit dem Frühjahr 2004 von Neonazis und Faschisten begangene Straftaten für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt.

"Phineas" stellte sich der Polizei

Der Mann wird am Samstag Abend bei der Polizeiwache im Pariser Araberviertel Goutte-d'Or vorstellig. Am Eingang präsentiert er den Hitlergruß, dann händigt er den Beamten eine Axt aus ­ die dritte, die er binnen kurzer Zeit gekauft hat. Am selben Tag, so erklärt er den Beamten, habe er einen Mann mit seinem Beil angegriffen. Und dann listet er vor den Polizisten die Straftatbestände, die er in den vorangegangenen Tagen begangen habe, und ihre jeweiligen juristischen Qualifikationen auf. "Der Junge kennt die Gesetzestexte sehr genau", wird Kommissar Lagarde später gegenüber Libération anmerken.

Auf diese Weise wurde am vorletzten Wochenende, in der Nacht vom 14. auf den 15. August 04, das Rätsel um den Täter, der unter dem Namen "Phineas" operierte, aufgeklärt. Phineas ist eine biblische Gestalt, die für die Idee von Selbstjustiz ­ im Alten Testament ging es noch gegen Gotteslästerer ­ stehen soll; ihr Name wird seit bereits 30 Jahren von US-amerikanischen Neonaziorganisationen benutzt, die Gewalttaten gegen Schwarze und Homosexuelle begehen. In diesem Zusammenhang hatte der Täter von dem Namen aus einer Fernsehdokumentation auf dem Sender M6 erfahren.

Hinter "Phineas" verbirgt sich in diesem Fall ein bisher unauffällig lebender und schüchtern wirkender 24jähriger aus Villeurbanne, bei Lyon, namens Michaël Tronchon. Nach dem, was er gegenüber der Polizei aussagte, fand er die bestehenden rechtsextremen Organisationen "zu schlapp" und wollte ein Zeichen setzen, um deren "Bewusstsein zu wecken". Eigenen Angaben zufolge gewann Tronchon durch die Attentate des 11. September 2001 den Eindruck, in einem weltweiten Rassenkrieg zu stehen, und wollte gegen die "Invasion" in Frankreich und Europa kämpfen. Kurze Zeit will Tronchon in Lyon bei einer Gruppe namens "RAA, Résistance anti-arabe" (Anti-arabischer Widerstand) aktiv gewesen sein. Dieser Gruppenname ist der Polizei bisher unbekannt; doch nachdem sich andere detaillierte Aussagen des Inhaftierten Tronchon als zutreffend erwiesen haben, schenken die Ermittler seinen Schilderungen nunmehr Glauben.

Am 5. August 04 verletzte der selbsternannte "Phinéas" gegen 6 Uhr früh auf einer Straße in Villeurbanne einen behinderten Mann, der aus Algerien stammt. Frustriert darüber, dass die Aggression, deren politischer Gehalt nicht erkannt wurde, in der Lokalpresse nur mit wenigen Zeilen Erwähnung fand, beschloss Tronchon "eine Tat zu begehen, die mehr Aufmerksamkeit erregt". Aufgrund der seit dem Frühjahr sich häufenden Medienberichte über die Schändung jüdischer und moslemischer Friedhöfe, vorwiegend in Ostfrankreich, dachte Tronchon an den jüdischen Friedhof von Lyon, einen der größten in Frankreich. Am 9. August schändete er dort 60 Gräber, schmierte Hakenkreuze, den Namen von Adolf Hitler sowie einen Slogan gegen die "islamische Invasion"; dann hinterließ er das Beil von seiner vorherigen Aggression. Eine DNA-Analyse der Blutspuren daran erlaubte es, einen definitiven Zusammenhang zwischen beiden Taten herzustellen. Fünf Tage später ging Tronchon mit einer neuen Axt in Paris unweit des Lyoner Bahnhofs auf die Jagd, um, wie er aussagte, "irgend einen Moslem" aufzuspüren und "ihm den Schädel zu spalten". Die Campingaxt, die er für drei Euro erworben hatte, erwies sich dafür allerdings als ungeeignet: Das Opfer, ein älterer Mann, bekam nur eine größere Beule ab und begriff die Natur der erlittenen Aggression nicht. Deswegen identifizierten die Polizisten erst am Donnerstag vergangener Woche (19. 08.) dieses letzte Opfer von "Phineas". Dieser hatte sich, nachdem er seine "Mission als teilweise erfüllt" ansah, einige Stunde nach der Tat gestellt.

Die rechtsextremen Parteien und ihre "Durchgeknallten"

Dass die rechtsextremen Großorganisationen wie der Front National (FN) oder der Mouvement national républicain (MNR) aktionistischen oder "durchgeknallten" Hitzköpfen nur als Ideenliefanten oder Durchlauferhitzer dienen, ist bereits ein älteres Phänomen. Man erinnert sich etwa an Philippe Vigneau und Vincent Parera. Beide hatten sich bei einer Wahlkampfveranstaltung von FN-Chef Jean-Marie Le Pen im April 1995 kennen gelernt; außer rassistischen Ideen hatten sie nicht viel miteinander gemeinsam: Vigneaud war ein Student aus gutbürgerlichem Hause, Parera dagegen ein versponnener Einzelgänger, der von der Gründung einer die "weiße Rasse" verherrlichenden Kirche bzw. Sekte träumte. Im Mai 1995 beschlossen sie, "irgend einen Ausländer" umzubringen, und setzten ihr Vorhaben in die Tat um; ferner entführten sie einen jüdischen Geschäftsmann. Im Juni 1998 wurden sie wegen Mordes zu lebenslanger Haft bzw. 20 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Natürlich distanzierte der FN sich von den beiden "Durchgeknallten".

Aber derzeit, da beim Front National das Parteileben sich auf den Machtkampf zwischen Le Pen und seiner Tochter Marine einerseits und den altgedienten Kadern andererseits konzentriert und fast alle Basisaktivitäten zum Erliegen gekommen sind, nimmt seine Integrationskraft auf aktivistische Elemente noch ab. Der 1999 gegründete MNR von Bruno Mégret seinerseits, der einige Jahre lang für die militanten Neonazis attraktiver war, ist nahezu in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

Welle von Friedhofsschändungen in Ostfrankreich

Besondere Aufmerksamkeit durch die Schändung sowohl jüdischer Friedhöfe als auch moslemischer Gebetsräume oder der Gedenkstätten für im Krieg gefallene Soldaten moslemischer wie jüdischer Herkunft hat seit dem Frühjahr 2004 die Region Elsass auf sich gezogen. Zuletzt wurden am 28. Juli der jüdische Friedhof in Saverne und am 6. August die Gräber von 40 moslemischen Weltkriegssoldaten in Strasbourg mit Hakenkreuzen beschmiert. Auch hier deutet alles auf einen Neonazi-Hintergrund der seit April nicht abebbenden Taten hin.

Bisher nur in einem Fall, der die Schändung eines Mahnmals für jüdische Soldaten des Ersten Weltkriegs in Douaumont (in der Nähe von Verdun) betrifft, konnte der Täter gefasst werden. Der 22jährige Neonazi Matthieu Massé wurde am 29. Juli in einem von Rechtsextremen besetzten Haus in Bar-le-Duc festgenommen. Bei ihm wurde auch Propagandamaterial der rechtsextremen Jugendfront FNJ, Front national de la jeunesse, aufgefunden. Das Denkmal war in der Nacht vom 6. zum 7. Mai 04 geschändet worden. Eine Laboranalyse der verwendeten schwarzen Farbe erlaubte es, zu beweisen, dass dieselbe Farbe auch für Schmierereien in dem besetzten Haus von Bar-le-Duc benutzt und ferner in der Autowerkstatt, wo Massé arbeitet, eingesetzt wurde.

Das Elsass scheint ferner, unter anderem aufgrund seiner geographischen Situation, in jüngster Zeit zum Versammlungsgebiet für militante Neonazis aus Deutschland, der Schweiz, Belgien und Frankreich geworden zu sein. Die Pariser Tageszeitung Libération berichtete etwa am 10. August über eine Saalveranstaltung von über 400 Neonazis aus den drei Ländern, die am Wochenende des 1. August im elsässischen Hipsheim stattfinden konnte. Bei zwei der jüngst stattgefundenen Schändungen wurde das Kürzel "HVE junior" benutzt. Die neonazistische "Heimattreue Vereinigung Elsass" wurde 1993 gesetzlich verboten.

hagalil.com 22-08-2004

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