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Albanien:
Selbst das Wort Antisemitismus ist unbekannt

Am 30 Juli brachte Radio DW in albanisch eine spannende Reportage zum Thema “Die Rettung der Juden in Albanien“. Die Sendung wurde maßgeblich von Frau Aida Cama gestaltet. Ausgangspunkt war die vor zwei Jahren in Osteuropa gestartete Aktion “Operation Letzte Chance“ des Simon Wiesenthal Zentrums.

Ziel der Operation des Simon Wiesenthal Zentrums ist es, noch lebende Nazikollaborateure zu fassen, die sich aktiv an der Ermordung der europäischen Juden beteiligt hatten. Die Suche beschränkt sich nicht nur auf die baltischen Länder, Polen, Ungarn und Rumänien, sondern auf alle Balkanstaaten. Albanien ist nicht darunter, denn dort wurden Juden nie verfolgt.

Das albanische Gegenmodell

In der Zeit der faschistischen Besatzung Albaniens (Von April 1939 bis Juli 1943 durch Italien, danach bis November 1944 vom nazistischen Deutschland) kam kein einziger albanischer Jude und keiner der nach Albanien geflohenen Juden ums Leben. Alle 200 albanischen Juden überlebten und auch die fast 900 nach Albanien geflüchteten Juden überlebten die Schoah im Land der Skipetaren. Im Jahr 1945 lebten in Albanien mehr Juden als vor dem Krieg, das war beispiellos in Europa.

In der Sendung berichtete die in Washington lebende Jutta Neumann über ihre Zeit in Albanien. Frau Neumann ist in Hamburg geboren, dort hat sie bis zur zweiten Klasse die Schule besucht. Dann war Frau Neumann 1939 mit ihrer Familie über Italien nach Albanien geflohen, so wie etwa 100 andere aus dem Machtbereich des faschistischen Deutschen Reiches. Frau Neumann berichtete: “Und wie wir angekommen sind in Durazzo am ersten März, wussten wir überhaupt nicht, was zu erwarten war. Wir haben nicht gewusst, dass es schon andere Emigranten dort gab. Dann haben wir bei einer mohammedanischen Familie gelebt. Da haben wir zum ersten Mal Ramadan, Bajram erlebt. Es war wunderbar. Die Leute haben uns behandelt wie ihre eigene Familie. Essen ist geschickt worden, Baklava und Pilav - wunderbar. Die Albaner waren phantastisch.“

Ähnliches weiß auch die in Albanien geborene Jüdin Anna Cohen zu berichten: “Ich bin in Albanien geboren und aufgewachsen und habe mich immer als Albanerin jüdischer Herkunft gefühlt. Meine Familie ist nach Albanien aus Thessaloniki in Griechenland gekommen und hat im Dorf Tre vllaznit, zu deutsch Drei Brüder, in der Nähe von Vlora Zuflucht gefunden. In Albanien haben wir uns immer wie zu Hause gefühlt. Von Antisemitismus war nie die Rede. Dass wir jüdischer Herkunft sind, hat überhaupt keine Rolle gespielt.“ Anna Cohen erblickte kurz nach Kriegsende das Licht der Welt und lebte dort unter dem sich kommunistisch nennenden System, unter Führung Enver Hoxhas. Heute ist sie Zahnärztin in New York und spricht weiterhin fließend die Sprache, die sie zuerst gelernt hat: Albanisch. Auf Nachfrage erklärte sie: “Nein auch unter Enver Hoxha gab es keinen Antisemitismus. Und noch heute ist es so, wenn man vom Antisemitismus spricht, wissen die Albaner nicht, was damit gemeint ist. Man kennt nicht einmal das Wort“.

Warum keine Judenverfolgung und Judenvernichtung in Albanien?

Auch diese Frage wurde in der Sendung behandelt. Allerdings wurde die Fragestellung nur beschreibend ohne genauere Analyse abgehandelt. Beschrieben wurden die wiederholten Versuche der faschistischen Besatzungsmächte in Albanien, die Juden in Lagern zusammenzutreiben, um sie zu deportieren. Aber albanische Bauern nahmen Juden auf und versteckten sie, während die albanischen Beamten und Politiker, die mit den Faschisten kollaborierten, in dieser Frage die Anordnungen der Besatzer unterliefen. Zu stark war die Ablehnung in der Bevölkerung gegenüber der angeordneten Judenverfolgung.
Etwas kurz kommt in dem Radiobeitrag die Rolle der starken kommunistisch geführten Partisanenarmee unter Enver Hoxha und Mehmet Shehu. Besonders sicher waren die Juden in den von den Partisanen befreiten Gebieten. Akte individueller Heldenhaftigkeit gegenüber nazistischen Suchtrupps waren nicht mehr von Nöten.
In den Gebieten unter faschistischer Herrschaft wurden alle Juden versteckt. Es war ein Gebot der Ehre, sein Haus, das nach einem alten albanischen Ehrenkodex “Gott und dem Gast gehört“, den Juden zur Verfügung zu stellen. Der Hamburger Historiker Michael Schmidt Necke erklärte in der Sendung ansatzweise, woher die Sonderrolle Albaniens im Verhalten gegenüber den Juden kam. Schmidt-Necke sagte: “Die Juden in Albanien waren durchweg hoch assimiliert und von der übrigen Bevölkerung kaum zu unterscheiden. Kaum einer sprach Ladino, die romanische Sprache der südeuropäischen Juden. Nur in Vlora gab es zeitweilig eine Synagoge. Die Juden in Albanien haben das typische Diaspora-Leben geführt. Das religiöse Leben spielte sich in den eigenen vier Wänden ab. Sie waren keine sichtbare Gruppe, mit der man sich hätte auseinandersetzen können“. Diese Analyse von Schmidt-Necke ist etwas oberflächlich und banal. Tatsächlich waren die kleinen jüdischen Gemeinden in Delvine und Vlora den Albanern bekannt. Die Juden lebten überwiegend vom Kleinhandel und waren oft die einzigen, die in dem gebirgigen Land zum Bäuerlein empor kletterten um ihm ein Stück Stoff zu bringen. Die Verfolgung seines Freundes des Juden nahm der albanische Bauer nicht hin. Zudem war Albanien damals das rückständigste Gebiet in Europa. Der moderne Antisemitismus hatte keinen Weg nach Albanien gefunden. Es galt noch der alte Ehrenkodex, die Gastfreundschaft sowie die Verteidigung des Gastes.
Gleichzeitig kam im Rahmen des historischen Gesetzes von der ungleichzeitigen und kombinierten Entwicklung, zumindest die albanische Intelligenz mit der ursprünglichen französischen Aufklärung oder gar dem Kommunismus in Berührung. Die 1878 gegründete “Liga von Prizeren“ nannte Friedrich Engels: “Die fortschrittlichste bürgerlich demokratische Bewegung auf dem ganzen Balkan“. Die negative Moderne von Turnvater Jahn über Nietzsche und Wagner, der antisemitische Zeitgeist umkurvte damals Albanien. Es gab in dem Land nie eine Partei oder eine Bewegung auf der Basis des Antisemitismus.
Dennoch hat Schmidt Necke zurecht noch auf eine weitere historische Besonderheit der albanischen Entwicklung hingewiesen. Sie ermöglicht zu verstehen, warum auch der Vorläufer des "aufgeklärten“ Antisemitismus, der Antijudaismus, in Albanien nicht vorhanden war. Schmidt-Necke sagte: “Albanien ist ein gemischt religiöses Land. Vor dem zweiten Weltkrieg waren etwa zwei Drittel der Bevölkerung Muslime, verteilt auf zwei große Glaubensgemeinschaften, bei den Christen Albaniens gab es ebenfalls eine Spaltung in Orthodoxe und Katholiken. Das führte zu einem hohen Grad an interreligiöser Toleranz und auch interreligiösem Zusammenleben auf kleinem Raum“. An dieser Feststellung von Schmidt-Necke ist viel wahres. Trotzdem sollte die Rolle der archaischen Tradition mit seinen Ehrbegriffen in die Erklärung miteinbezogen werden. Aber auch die Realität, dass Religion weitgehend als Privatangelegenheit betrachtet wurde. Die nationale Identität war und ist eher laizistisch unterlegt, mittels einer Kombination aus Tradition und Fortschritt.

Max Brym

hagalil.com 01-08-2004

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