antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

Am Anfang war der Rap:
In Israel boomt der HipHop

Von Claudia Frenzel
Jungle World 30 v. 14. Juli 2004

Die Popszene Israels ist vor allem eins: ziemlich jung. Noch bis vor einigen Jahren war es vor allem traditionelle Musik, die die Radiosender spielten; aber damit ist es jetzt endgültig vorbei, moderne Sounds und vor allem israelischer HipHop bestimmen die Programme. "Israels Musik ist auf der Suche nach dem eigenen unverkennbaren Sound", erklärt der Musiker und Produzent Mook E.

Mook E.: Alle reden vom Frieden
RealAudio hören: musik/sound/shalom.ram

Er war Mitte der neunziger Jahre Mitbegründer von Shabak Samech, einer der ersten HipHop-Gruppen des Landes, die in ihrer Muttersprache rappte und aus deren Kreis mit Yossi Fine und Piloni die heute auch international gefragtesten Musikproduzenten des Landes hervorgingen. "Es ist eine schnell wachsende Szene und HipHop ist momentan wirklich groß, worauf ich sehr stolz bin, denn ich fühle mich als einer der Mitbegründer", erzählt Mook E.

Wurden vor wenigen Jahren noch zwei, drei HipHop-Platten im Jahr produziert, so erscheinen in diesem Jahr 20 Mal so viele. Gruppen schießen wie Pilze aus dem Boden. Israeli Hip Hop
Die neu gegründeten nennen sich Payback Soldiers oder Kele Schesch (Gefängnis 6) und veröffentlichen in diesen Tagen ihre ersten Platten. Auch diese jungen Gruppen erzeugen die in Israel bewährte Mischung aus melodischem, gut produziertem HipHop, orientalisch-mediterranen Klängen und souligen Frauenstimmen im Background gepaart mit harten Raps. "Es gibt viel mehr Frustration, eine größere Depression und ein viel stärkeres Bedürfnis, sich auszudrücken", versucht der israelische Superstar David Broza das Phänomen der schnell wachsenden Musikszene seines Landes zu erklären. "Ich denke, Israel hat mehr Talente als New York, Berlin oder London."

Anfangs orientierten sich die HipHop-Formationen stark an US-amerikanischen Vorbildern, doch schnell wurde klar, dass es im Nahen Osten nicht um Themen wie Bandenrivalitäten oder Probleme mit weißen Cops gehen kann. Der israelisch-palästinensische Konflikt, Terrorangst und Friedenshoffnung, aber auch soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftskrise haben längst Eingang in die Poesie des israelischen HipHop gefunden. Hinzu kommt das Selbstbewusstsein, nicht nur in der eigenen Sprache zu rappen, sondern auch die eigenen kulturellen Ursprünge in die Musik eingehen zu lassen. "Jeder sampelt das, was er am meisten mag, und ich sample die Sachen, mit denen ich aufgewachsen bin. Musik aus dem Nahen Osten, israelische Musik und alte jüdische Folk-Songs. Ich mische das in meine Produktionen, und es entsteht ein völlig neuer Sound", meint der als Subliminal bekannte Rapper Kobi Shimoni. Er und sein Mitstreiter The Shadow, Yoav Eliasi, bilden die zionistische HipHop-Formation Subliminal & The Shadow, die momentan populärste Gruppe des Landes überhaupt. Die Mittzwanziger treten selbst beim Interview recht martialisch auf. Große Davidstern-Tattoos zieren Eliasis Körper, und sie tragen das Symbol stolz als Goldschmuck. Ganz wie ihre westlichen HipHop-Vorbilder geben sie sich cool und machohaft. Die in der Szene nicht unumstrittene Band, die vor allem Fans unter Soldaten hat, bewegt sich zwischen Textaussagen wie: "Ich trage den Davidstern bis zu meinem letzten Tag" und "Es gab einmal Frieden, mein Freund. Handschläge, falsches Lachen. Verträge mit Blut unterschrieben. Wo ist Gott?" Im Interview verbergen die beiden ihre Resignation über die politischen Entwicklungen, so gut es geht. "Ich denke, es ist zu viel Blut für Frieden auf den Straßen vergossen worden", meint Yoav Eliasi, der fünf Jahre in der israelischen Armee diente und dessen kleiner Bruder bei einer Militäroperation im Gaza zum Krüppel geschossen wurde.

"Ein Friedensvertrag ist nicht mehr als ein Stück Papier, das zwei Leute unterschreiben. Aber ich denke, wenn zwei Leute es unterschreiben, dann wird es sicher irgendwann Frieden geben", fügt Shimoni hinzu. Seine Eltern sind aus dem Iran und Tunesien kommende Juden, und er versucht durchaus, die palästinensische Seite zu verstehen. "Ich habe nichts gegen einen 21jährigen, der in Gaza lebt, wenn wir uns in Deutschland treffen würden, wären wir vielleicht Freunde. Wenn ich in seiner Situation wäre, würde ich vielleicht genauso handeln – ich meine, nicht Terrorist sein oder so ein Mist, aber ich würde mein eigenes Land haben wollen und wahrgenommen werden wollen." Das Tragische, so meinen beide, sei, dass die Politik auf beiden Seiten inzwischen viel zu abgehoben von der Basis ist. Vielleicht erfreut sich deshalb HipHop, die Stimme der Straße, so großer Beliebtheit.

Mit ihrer Platte "The Light And The Shadow" stiegen sie im vergangenen Jahr in die Liga der israelischen Superstars auf. "Im Grunde ist es für die Israelis und die Juden das erste Mal, dass sie sich im HipHop wiederfinden, dass jemand die Sachen aus ihrer Sicht erzählt", erklärt Kobi Shimoni. "Es ist das erste Mal, dass HipHop meine Leute repräsentiert und sagt, was wir denken."

Seit drei Wochen auf Platz eins der israelischen Charts

Über den derzeitigen Erfolg von HipHop sind auch HaDag Nachash überrascht. Ihr soeben erschienenes drittes Album "Local Stuff" hält sich seit drei Wochen auf Platz eins der israelischen Charts. Dass ihre Songs so populär sind, versteht Texter und MC Shaanan David Street als Bekenntnis der Israelis, dass es etwas zu ändern gilt.
Ihre Texte treffen den Nerv der Gesellschaft: "Eins ist die Zahl der Länder vom Jordan-Ufer zum Meer, zwei ist die Zahl der Länder, die einmal da sein werden. Drei Jahre und vier Monate dauert die Zeit, die ich Wehrdienst leisten musste. Fünf Schekel kostet ein Busticket. Ich war sechs Jahre alt, als Sadat nach Israel kam, sieben, als sie die Verträge unterschrieben. Acht ist die Nummer eines Fußballspielers, den ich immer mochte. Neunmal war ich zu nah an einem Terroranschlag. Und zehn, das Slangwort für super, ist die beliebteste Antwort auf die Frage: Wie geht’s?"

Mit ihrer Mischung aus HipHop und Funk, die sie inzwischen auch mit asiatischen Klängen und Gypsy-Einsprengseln angereichert haben, enterte die siebenköpfige Gruppe im vergangenen Jahr überraschend die Charts. "Dass wir keinen Frieden haben, keine Sicherheit, und die Schnauze voll von einem Leben in Terror", heißt es in "Gabi und Debbie", einem anderen populären Song der Band. Die eher links einzuordnende Gruppe wendet sich vor allem sozialen Themen zu. Dass Arbeitslosigkeit, Armut und mangelnde Emanzipation in den Schatten von Sicherheitspolitik und Militärausgaben gestellt werden – dem daraus entstehenden Ärger macht die Band in ihren Texten Luft. "Wir machen keine Musik, bei der man aus allen Problemen flüchten kann", erklärt der 33jährige Sänger. "Unser Musik ist groovy, aber die Texte sind immer noch 50 Prozent des Produkts." Wenn man fliehen wolle, dann müsse man sich in Israel andere Musik suchen.

So gern er mit seiner Band seine Musik auch im Ausland vorstellen würde, so sehr unterstreicht er, dass dafür die Zeit vielleicht noch nicht reif ist. "Wir verdienen es vielleicht nicht, dass Israel anders als im Kontext des Krieges wahrgenommen wird. Die Probleme hier müssen gelöst werden. Das ist die wichtigste Aufgabe. Erst dann können wir ein Land sein, das auch etwas anderes zu zeigen hat." Gleichwohl ist Street stolz auf alle Israelis, die im Ausland erfolgreich sind.

Auch in Richtung Popszene streckt der HipHop seine Fühler aus. Gerade hat sich Israels Popsternchen Sarit Hadad, die in Europa durch ihre Teilnahme beim Grand Prix de la Chanson 2002 mit dem Titel "Light a Candle" bekannt wurde, mit Subliminal & The Shadow im Studio getroffen, um gemeinsam drei Songs zu produzieren. Diese sind sowohl auf ihrem neuen Album als auch dem der HipHop-Musiker zu hören. Der Erfolg dieser Titel, was Radioplays und Charts betrifft, ist quasi programmiert. Mit dem Popsänger Shar-El haben sie ebenfalls einen Song produziert, der bereits den Charteinstieg in Israel geschafft hat und geschickt mediterranen und orientalischen Pop mit rauem Rap verbindet. So gedeiht der HipHop Israels weiter prächtig unter einer Glasglocke, aus der kaum etwas nach außen dringt. Schade eigentlich.


hagalil.com 19-07-2004

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved