"Erinnerungskultur":
Wie die CDU/CSU deutsche Geschichte entsorgen will
Von Max Brym
Am 17. Juni fand im deutschen Bundestag eine wenig
beachtete Debatte statt. Thema war der Antrag der CDU/CSU Fraktion "über die
Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland". Der
Antrag (Drucksache 15/3048) ist namentlich von den Unionsabgeordneten Günter
Nooke, Bernd Neumann, Renate Blank, Peter Gauweiler, Günter Krings, Martina
Krogmann, Vera Lengsfeld, Dorothee Mantel, Erwin Marschewski, Melani Oßwald,
Heinrich Wilhelm Ronsöhr, Erika Steinbach, Christian Freiherr von Stetten,
Edeltraut Töpfer und Wolfgang Zeitelmann gestellt.
Der Antrag macht das Geschichtsbewußtsein und die aktuelle
Politik der Union deutlich. Er setzt den Hitlerfaschismus mit seinen
singulären Verbrechen mit dem Regime in der ehem. DDR gleich und will den
Opfern "der beiden totalitären Diktaturen des 20 Jahrhunderts:
Nationalsozialismus und Kommunismus" gleichermaßen Gedenken.
Der "Umgang mit der doppelten Vergangenheit"
In dem Antrag ist von einer "doppelten Vergangenheit" die
Rede, mit der die Union umgehen will. Der Antrag stellt objektiv Walter
Ulbricht mit Adolf Hitler gleich. Diese Argumentation ist absurd, perfide
und pronazistisch. Wer die DDR mit dem nazistischen Deutschland vergleicht,
für den ist der faschistische Angriffskrieg, der Völkermord und Auschwitz
nichts besonderes mehr. Der Nazismus ist zum beliebigen Verbrechen mutiert.
Damit steigt die gesellschaftliche Reputation des nazistischen Genozids. In
dem Antrag macht die Union deutlich, wie sie Gedenken in Deutschland
gewichtet haben will.
Insgesamt soll der Bund 6 Erinnerungsstätten an die
nazistischen Verbrechen besonders fördern, demgegenüber aber 8
Gedenkstätten, die sich mit "kommunistischen Verbrechen" befassen. Zudem
soll die Gedenkstätte in Buchenwald, in Sachsenhausen und das KZ
Sachsenhausen zweckentfremdet werden. An den Orten des nazistischen
Verbrechens soll nach der Unionsvorlage "auch den Opfern der Sowjets und der
SED" gedacht werden. Ergo den ab Mai 1945 zeitweise in den genannten Orten
festgehaltenen Nazis, steht der selbe Opferstatus zu, wie ihren Opfern bis
1945.
Im Antrag der Union werden zusätzliche Monumente für "die
Opfer von Krieg und Vertreibung" sowie für "Zivile Opfer der alliierten
Luftangriffe des zweiten Weltkrieges" gefordert. Um die Geschichte endgültig
zu entsorgen, will die Union ein besonderes Denkmal für die "Friedliche
Revolution" von 1989. Über die Schiene "alle waren irgendwie Opfer von
Diktaturen und Krieg" wird der Nazismus zum Randphänomen. Am Schluß waren
die Deutschen an sich die Opfer, die sich mit einer "Revolution 89"
befreiten. Daran ändert auch der Satz im Unionsantrag: "Das
Nationalsozialistische Regime hat mit dem millionenfachen Mord an den Juden
ein singuläres Verbrechen begangen" nichts. Der Satz ist nicht ernst
gemeint, er wurde erst nach einer Intervention des "Zentralrates der Juden"
gegen den gesamten Antrag im Januar 2004 in den Unionstext befördert.
Das Festhalten an der "doppelten Diktaturvergangenheit" durch
die Union, belegt hinreichend die Verharmlosung des Nazismus. Auch die
untergeordnete Rolle der nazistischen Verbrechen im Gedenkstättenkonzept der
Union belegt die tatsächlichen Absichten.
Die Debatte im Bundestag
Der Abgeordnete Nooke hielt für die CDU/CSU in der Debatte an
dem Argumentationsstrang der Vorlage fest. Die Staatsministerin beim
Bundeskanzler, Christina Weiss, wies den Unionsantrag zurück. Ihre
Begründung war allerdings mehr als bedenklich. Besonders wichtig war ihr
"das Ansehen Deutschlands im Ausland", das durch "den Unionsantrag Schaden
nehmen würde würde". Der Frau Staatsministerin fiel es nicht ein, den
Unionsantrag inhaltlich abzulehnen, sondern sie verwies defensiv auf die
"Anstrengungen der Bundesregierung den SED Opfern angemessen zu gedenken".
Entweder ist Weiss die Intention der Union verborgen geblieben oder sie
signalisierte: "Wir machen das, was ihr wollt, aber taktisch geschickter".
Kein Interesse an der Diskussion hatte offensichtlich Hans
Joachim Otto von der FDP. Der Kernsatz seiner Ausführungen war: "Lassen Sie
uns von dieser schwierigen Diskussion, die inzwischen die Grenzen dieses
Landes überschritten hat, Abstand nehmen". Offensiv ging Claudia Roth von
den Grünen mit dem Unionsantrag ins Gericht. Bei ihr vielen Worte wie
"Geschichtsrevisionismus" und " Einzigartigkeit des Holocaust". Damit
brachte Sie die Haltung der Alt 68-er Generation der Grünen auf den Punkt.
Die Grünen wurden im Lauf ihrer Entwicklung machtbewußt und
wirtschaftsliberal, aber sie verbinden dies mit demokratischen
Bekenntnissen. Ziemlich scharf lehnte die PDS-Abgeordnete Gesine Lötzsch den
Unionsvorstoß ab. Immer wieder von Zwischenrufen unterbrochen, verwies sie
auf die "bräunlichen Traditionslinien" in der Union. Das
Gedenkstättenkonzept der CDU/CSU brachte Gesine Lötzsch mit dem nazistischen
Marinerichter Filbinger in Verbindung. Frau Lötzsch sagte: "Ich habe mich in
Baden Württemberg erkundigt. Es wurde bisher noch kein Widerstandskämpfer
gegen den Faschismus durch die dortige CDU für die Wahl eines
Bundespräsidenten nominiert, dafür aber sieben Mal Hitlers Marinerichter
Filbinger, der auch noch Ehrenvorsitzender der CDU in Baden Württemberg
ist." Diese Erklärung von Frau Lötzsch ist zutreffend.
Der Antrag der Union dürfte vorläufig im Bundestag keine
Mehrheit finden. Die rechtsradikale "Junge Freiheit" bedauert dies in ihrer
Ausgabe vom 2. Juli. Dennoch ist der Unionsantrag gefährlich, er erfolgt mit
strategischem Hintergedanken.
"Patriotismusdebatte"
Vor einigen Wochen gab der CDU Generalsekretär Laurenz Mayer
der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ein Interview zum Thema
"Patriotismus" und "Patriotismusdebatte", wobei erdie Patriotismusdebatte
der Union in direkten Zusammenhang mit der "notwendigen Umgestaltung des
Landes" stellte. Das Bekenntnis zum Vaterland ist für den CDU- Politiker
"sehr wichtig". Verbunden sind damit für Mayer einige Tugenden, wie
"Opferbereitschaft und Hingabe". Die Diskussion über den "Standort" und die
Konkurrenzfähigkeit, ist dem CDU-General zu "ökonomistisch" und er
befürchtet, dass der neoliberale Diskurs auf die Dauer nicht tragfähig ist.
Demzufolge orientiert sich die Union an "Patriotismus" und
"Vaterlandsliebe", um den Opfern neoliberaler Politik über die
"vaterländische Hingabe" die Zahnlücke schmackhaft zu machen. Der Antrag zur
Gedenkstättenkultur, die Verharmlosung des Faschismus paßt in dieses
Konzept. Genauso paßt es, wenn in Sachsen Unionspolitiker wegen der
Wahlerfolge der dortigen NPD "eine schärfere Hinwendung zu nationalen und
rechten Themen fordern".
Gedenkstätten-Konzept der Union:
Waagschalen-Mentalität
CDU und CSU eskalieren die Auseinandersetzung um
Erinnerung und Gedenken in der Bundesrepublik...
hagalil.com 11-07-2004 |