"Königstreue Widerstandskämpfer":
Elsässer und die serbischen Tschetniks
Von Max Brym
Jürgen Elsässer scheint bestrebt zu sein, den
Imperialismus zu bekämpfen. Besonders die deutsche Außenpolitik hat es ihm
angetan und steht im Fokus seiner Kritik. Die ehrenwerte Absicht des Jürgen
Elsässer ist löblich, dennoch ist bekanntlich der Weg zur Hölle mit guten
Vorsätzen gepflastert.
Jürgen Elsässer führt neuerdings wieder den "Kampf" gegen den
"deutschen Imperialismus" in der Tageszeitung "Junge Welt". Sein Motto ist:
"Der Feind meines Feindes ist mein Freund". In diesem Zusammenhang schrieb
Elsässer am Freitag den 11. Juni 04 einen Artikel, indem er den serbischen
Faschisten der "Serbischen Radikalen Partei" in den Allerwertesten kroch.
Von Slobo zu Vojo
Unter dem Titel "Slobo, Vojo und ausgeleierte T-Shirts"
berichtet Elsässer von einer Wahlkundgebung der SRS anläßlich der
Präsidentschaftswahlen in Serbien. Im Artikel beschreibt Elsässer die
serbischen Tschetniks folgendermaßen: "Die Tschetniks waren königstreue
Widerstandskämpfer, die sich noch vor den Kommunisten den deutschen
Okkupanten entgegenstellten, später aber die Seite wechselten und vielerorts
zum Vorteil der Wehrmacht gegen die Partisanen kämpften". Hier liegt Jürgen
Elsässer völlig daneben, zum Teil ist seine Haltung als
"geschichtsrevisionistisch" zu bezeichnen.
In der Tat, kämpften im Sommer 1941 in Serbien nur die
Kommunisten organisiert gegen den Hitlerfaschismus. Ein Teil der Tschetniks
unter Oberst Draza Mihailovic tat unter dem Druck des serbischen Volkes so,
als ob sie die Nazis bekämpften. Ab November 1941 wechselte Mihailovic offen
die Seite und kämpfte mit der Kollaborationsregierung Nedic offen gegen die
Partisanen. Das führte zum Rückzug der Partisanenarmee 1941 aus Serbien. Im
Jahr 1946 wurde Mihailovic in Belgrad als Kollaborateur und Verräter
gehängt. Wer Details über den faschistischen Charakter der Tschetniks
erfahren will, sollte das Buch von Walter Manoschek (Serbien ist judenfrei -
Oldenburg Verlag 1995) lesen. Der Autor hat sich im Gegensatz zu Elsässer
mit dieser Geschichtsperiode befasst und unzählige Dokumente der Naziführung
ausgegraben, die den Charakter der Tschetniks ausgezeichnet belegen.
Für Elsässer hingegen kommt eine objektive Betrachtung der
Geschichte und der aktuellen Rolle der Tschetniks nicht in Frage, denn sonst
könnte er nicht so freundlich über den Auftaktsong der Kundgebung (Macht
euch bereit, Tschetniks) mit dem Präsidentschaftskandidaten Nikolic
berichten. Mit Sympathie schreibt Elsässer über Devotionalienhändler, die
Bilder "des Tschetnikführers Mihailovic feilboten". Weit hat es ein
sogenannter "Antiimperialist" gebracht, wenn ihn dies nicht stört. Ganz im
Gegenteil, Elsässer lobt und schätzt die aktuellen Tschetniks, deren
Kundgebung ihn an "gute alte Zeiten" mit Milosevic erinnern. Damit sagt
Elsässer ungewollt etwas halbwegs korrektes. Natürlich kam Milosevic mittels
einer nationalistischen Kampagne an die Macht. Wenn Jürgen Elsässer seine
Solidarität mit Milosevic nun offen auf Seselj und Nikolic überträgt, so ist
das nur konsequent.
Die Tricks des Jürgen Elsässer
Nachdem Elsässer die Vergangenheit der Tschetniks mit
leichtem Magengrummeln glücklich entsorgte, läßt er in dem Artikel seiner
Begeisterung über die jetzigen Tschetniks freien Lauf. Jürgen Elsässer
schreibt: "Die Partei hat ihren Antikommunismus schon in den frühen
neunziger Jahren abgestreift". Ausgerechnet in einer Zeit, in der in ganz
Osteuropa antikomunistische, nationalistische und antisemitische Gruppen
wieder aus ihren Löchern krochen, soll in Serbien die große Läuterung der
Tschetniks eingesetzt haben. Das sind schlechte Märchen, die den Zweck
haben, den Frust von bestimmten deutschen "Linken" zu bewältigen.
Der französische Faschist Le-Pen ist realer, er verband im
Jahr 1997 die "Front National" brüderlich mit den "Serbischen Radikalen
Partei". Der Bund wurde in Belgrad geschlossen. Auch Herr Schirinowski aus
Rußland unterhält brüderliche Beziehungen mit den aktuellen Tschetniks. In
der "Deutschen-Nationalzeitung" lassen sich freundliche Berichte über die
serbischen "Radikalen" finden. Die Tschetniks sind Bestandteil der aktuellen
europäischen Rechten. Sicherlich nicht, weil sie so kommunistisch und
fortschrittlich sind, wie der politische Roßtäuscher Elsässer zu suggerieren
versucht.
Jürgen Elsässer findet bei den Serbischen Radikalen auch
keinen Rassismus, er betrachtet dies nur als ein Produkt "westlicher
Zeitungsberichte". Diese Stelle macht die Borniertheit und umgedrehte
nationalistische Engstirnigkeit des Herrn Elsässer deutlich. Für ihn sind
westliche Zeitungsberichte grundsätzlich falsch und das Gegenteil muss
richtig sein. Offenbar ist es ihm nie eingefallen, einen Blick in die
Zeitung der Tschetniks, "Groß-Serbien", zu werfen. Dort hätte er im November
1995 einen Leitartikel gefunden, in dem detailliert die Vertreibung der
Albaner aus Kosova/Kosovo besprochen wurde. Selbstverständlich ist es Jürgen
Elsässer nie in den Kopf gekommen, die vom Tschetnik-Terror betroffenen
Familien in Kosova oder Bosnien zu besuchen. Er hat nie Todes- und
Suchanzeigen in der dortigen Presse gelesen. Nein, Herr Elsässer liest
deutsche und vielleicht englischsprachige Zeitungen und schreibt für
deutsche Zeitungen. Aber es gehört schon einiges dazu, eine Äußerung des
Faschisten Nikolic auf der Tschetnik Kundgebung "gegen das Anzünden von
Moscheen" mit der Linie von Tito in Einklang zu bringen.
Der kerndeutsche Journalist Elsässer steht auf verbale
Bekundungen der Tschetniks und nimmt sie für bare Münze. Dabei übersieht er
den Leichenberg, den die Tschetniks auf dem Balkan hinterlassen haben. Das
Ganze nennt sich Kampf gegen den "Imperialismus", in Wahrheit jedoch nützt
das verzweifelte Suchen nach widerlichen Bündnispartnern nur dem Gegner, der
angeblich bekämpft werden soll. Nur mittels der Wahrheit läßt sich Politik
betreiben, auch wenn die Lüge oft süßer schmeckt.
Karl Liebknecht gegen den Krieg
Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Karl Liebknecht
stimmte 1914 gegen die Kriegskredite. Am 1. Mai 1916 propagierte er die
Losung: "Der Hauptfeind steht im eigenen Land". Liebknecht hatte Recht und
ideologisches Format. Er bekämpfte den Krieg des imperialen Deutschlands
ohne jegliche Blödeleien. Zu Beginn des Krieges versuchte die kaiserliche
Kriegspropaganda, das Schicksal der Juden im zaristischen Rußland zu
instrumentalisieren. Die deutsche Kriegspresse wies auf die besondere
Unterdrückung der Juden in Rußland hin und gab sich als Befreier der Juden
aus. Liebknecht fiel es nicht ein, dieser Propaganda mit dem Argument
entgegenzutreten: "In Rußland gibt es keine Unterdrückung", auch lief der
Spartakusbund nicht mit Zarenfahnen durch Berlin, um die Menschen gegen den
Krieg zu mobilisieren. Hätte es damals Leute wie Elsässer oder Pirker
gegeben, die den Zarismus hochleben ließen, wäre dies dem kaiserlichen
Hauptquartier und seiner Propaganda entgegengekommen. Diese Leute wären im
Abseits gelandet und das Gaudium der Monarchie gewesen.
Anmerkung: Der Artikel wurde vor dem amtlichen Ergebnis
der Wahlen in Serbien geschrieben. Sollte der Tschetnik-Kandidat die Wahl
gewinnen wird die "Junge Welt" in "Jubel" ausbrechen.
hagalil.com 14-06-2004 |