Kurt Beck fordert Wolffsohn zum Rücktritt auf:
Folter-Äußerung unerträgliche
Entgleisung
Mitteilung der SPD-Pressestelle: Als "unakzeptable
Haltung" hat der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, Ministerpräsident
Kurt Beck, die Äußerung des Professors an der Bundeswehr-Universität München
Dr. Michael Wolffsohn (Auszug
aus dem Wolffsohn-Interview)
über die Zulässigkeit der Folter als Mittel der
Terrorismus-Bekämpfung bezeichnet.
Nach Becks Auffassung ist es auch keinesfalls zulässig, diese
Einschätzungen durch die wissenschaftliche Freiheit eines Professors zu
decken. Wolffsohn habe durch seine Tätigkeit an der Bundeswehrhochschule
eine besondere Verpflichtung. Es habe einer jahrzehntelangen engagierten
vertrauensbildenden Arbeit im In- und Ausland bedurft, um deutlich zu
machen, dass sich deutsche Sicherheitskräfte stets an die Grundregeln des
internationalen Rechts und der Menschenrechte halten: "Weder für deutsche
Polizisten noch für deutsche Soldaten kommt Folter in irgendeiner Form als
Mittel der Verbrechensbekämpfung oder im Rahmen friedenssichernder Missionen
in Frage", so Beck.
Es sei für ihn völlig undenkbar, dass jemand, der an der
Hochschule der Bundeswehr arbeitet, eine solche Haltung - wider Grundgesetz
und internationalem Recht - vertritt. Es müsse dabei berücksichtigt werden,
dass die Bundeswehrhochschule Offiziersnachwuchs ausbildet und auf
Führungsaufgaben vorbereitet.
Beck forderte Wolffsohn ungeachtet beamtenrechtlicher
Einschätzung auf, die Konsequenzen zu ziehen und seine Lehrtätigkeit für die
Bundeswehr einzustellen.
Mitteilung des Bundesministeriums für Verteidigung:
Im Gespräch mit
Sandra Maischberger hat Verteidigungsminister Peter Struck am Mittwoch (12.
Mai) erklärt, warum es in Deutschland keine Folter geben kann und hat
Stellung zu den umstrittenen Äußerungen Wolffsohns genommen.
Verteidigungsminister Peter Struck schloss in einem Interview auf n-tv am
Mittwoch (12. Mai) aus, dass es von Seiten deutscher Soldaten zu Übergriffen
auf Gefangene kommen könne. Das Prinzip der Inneren Führung verhindere
derartige Vorkommnisse. Alle deutschen Soldaten, so Struck "lernen in der
Ausbildung, dass sie rechtswidrige Befehle nicht befolgen dürfen."
Ein deutscher Soldat, erklärte der Verteidigungsminister weiterhin, "foltert
nicht, achtet auf die Gesundheit der Gefangenen, behandelt sie nach
humanitären Regeln und nach den internationalen Regeln, wie man
Kriegsgefangene behandeln muss." Gleichzeitig verwies Struck darauf, dass
die Bundeswehr in der Regel keine Kriegsgefangenen habe. Nur im Kosovo seien
zu Beginn des Krieges in Übereinstimmung mit den anderen beteiligten
Nationen Menschen gefangen genommen worden, bis sie dann an die UNMIG - also
die Polizeikräfte der Vereinten Nationen - übergeben worden seien.
Als "in keiner Weise tolerabel und akzeptabel" bezeichnet Struck die
Äußerungen von Professor Michael Wolffsohn zu Fragen der Folter. Der
Professor der Bundeswehruniversität in München hatte am 5. Mai auf n-tv
geäußert, dass er als eines der Mittel gegen Terroristen Folter oder die
Androhung von Folter für legitim halte. Die Stellung des
Verteidigungsministeriums dazu sei klar: derzeit werde geprüft, ob
rechtliche Konsequenzen gegenüber Wolffsohn gezogen werden könnten. (Tonbandabschrift
des gesamten Interviews) Auf seiner
Homepage gab
Professor Dr. Michael Wolffsohn zu seinem Interview in "Maischberger",
folgende Erklärung (07-05) ab:
"Viele Reaktionen auf mein Interview zeigen mir, dass es mir offenbar nicht
gelungen ist,
1) meine wissenschaftlich-theoretischen Überlegungen klar genug von den
tagespolitischen Ereignissen und Bildern aus dem Irak und Guantanamo zu
trennen,
2) meine grundsätzliche und moralische Verurteilung sadistischer Racheakte
und Folterungen (zum Beispiel Irak, Guantanamo) zweifelsfrei zu
verdeutlichen.
Ich bedauere, wenn ich mich missverständlich ausgedrückt haben sollte".
Bundesminister der
Verteidigung, Dr. Peter Struck, war zu Gast in der n-tv Sendung
"Maischberger" am 12. Mai 2004 um 17:15 Uhr.
Frau Maischberger:
Herzlich Willkommen zur heutigen Sendung. Für die Beteiligten sind das
vielleicht nur Bilder vom Krieg. Mit der Hinrichtung, gefilmten Hinrichtung
eines US-Zivilisten kann man aber jedenfalls feststellen, dass der Krieg der
Bilder eine neue Qualität erreicht hat. Die Frage, die wir heute stellen
wollen, markiert dieser letzte Höhepunkt einen Wendepunkt in diesem Krieg.
Im zweiten Teil der Sendung sehen Sie dazu den Deutschlandkorrespondenten
von Al Dschasira, Aksal Suleiman im Gespräch mit seinem US-Kollegen William
Boston. Jetzt soll es auch um diese Frage gehen, aber u.a. auch um die Frage
des Krieges der Worte. Also, darf ein Bundeswehrprofessor die Folter im
Krieg gegen den Terrorismus als ein legitimes Mittel bezeichnen - ja oder
nein? Eingeladen ist sein oberster Dienstherr, der
Bundesverteidigungsminister Peter Struck. Herzlich Willkommen Herr Struck.
Peter Struck:
Danke schön.
Frau Maischberger:
Zunächst mal aber zu diesem Hinrichtungsvideo, das wir jetzt gesehen haben.
Ist das für Sie ein Wendepunkt in diesem Krieg?
Peter Struck:
Eindeutig. Vorweg natürlich aber auch schon die Bilder über die Misshandlung
von irakischen Gefangenen durch amerikanische Soldaten. Es ist in keinerlei
Weise hinnehmbar, was dort praktiziert worden ist. Einerseits durch die
amerikanischen Soldaten in dem Gefängnis und andererseits natürlich erst
recht, dass was die Irakis jetzt mit dem Amerikaner gemacht haben. Es ist
ein Wendepunkt insofern, als man den Eindruck haben muss - gerade die letzte
Tat, die Ermordung des Amerikaners - ist eine unmittelbare Antwortung auf
die öffentlichen Bilder der Misshandlung der irakischen Gefangenen. Und wenn
man arabisches Selbstverständnis ein bisschen kennt, dann muss man damit
rechnen, dass noch mehr solche Ereignisse passieren werden immer im Hinblick
daraufhin: "Wir nehmen jetzt Rache für unsere misshandelten irakischen
Landsleute."
Frau Maischberger:
Weil man es ja auseinander dividieren muss. Die Misshandlungen in den
irakischen Gefängnissen werden durch US-Soldaten verübt, die Hinrichtung
wird verübt durch Al Kaida-Terroristen. Also es gibt da eine - Experten
nennen das eine Asymmetrie.
Peter Struck:
Ja, trotzdem ist eigentlich das Ergebnis entscheidend, Frau Maischberger.
Also, welche Bilder werden vermittelt und wie wird gehandelt im Irak. Die
Situation im Irak ist absolut verfahren. Also, obwohl der Krieg offiziell
beendet ist durch die Erklärung des amerikanischen Präsidenten, gibt es den
Krieg weiter nur auf einer niedrigeren subtileren und menschenverachtenden
Weise, als durch "normale militärische Auseinandersetzungen". Und das muss
einem Sorge machen, weil nicht abzusehen ist, wann diese Art der
Auseinandersetzung beendet sein wird.
Frau Maischberger:
Heißt: wir befinden uns nicht am Ende, wir befinden uns mittendrin, befinden
wir uns am Anfang einer Auseinandersetzung, die wir nicht abschätzen können?
Peter Struck:
Ja. Wir befinden uns mittendrin in einer Auseinandersetzung, die mit solchen
menschenverachtenden Methoden geführt wird. Und wir alle hoffen, dass durch
die Übertragung auf einen neuen irakischen Übergangsrat/Regierungsrat ab
01.07. sich die Situation entspannen wird, entspannen könnte, wenn diese
neue irakische Übergangsregierung die Legitimität und mindestens die
Anerkennung der Irakis findet. Ich bin skeptisch, weil eine endgültige
Anerkennung nur nach allgemeinen und demokratischen Wahlen im Irak, und die
sind für den Januar 2005 vorgesehen, denkbar ist.
Frau Maischberger:
Der Vatikan sagt, die Folterbilder bedeuten für die USA einen schwereren
Schlag als die Terrorakte vom 11. September.
Peter Struck:
Nein, das würde ich für falsch halten.
Frau Maischberger:
Weil es eben dann ein Schlag ist, der von den USA selber gegen sich
sozusagen geführt wird, also gegen die eigene moralische Autorität.
Peter Struck:
Ja, aber der Anschlag auf das World Trade Center und auf das Pentagon, der
ja mehr als 3.000 Menschenleben gekostet hat - unschuldige Menschen - ist
doch schon eine andere Dimension. Richtig an dieser Bemerkung des Vatikan
ist, dass den Amerikanern in Amerika selbst in erschreckender Weise deutlich
gemacht wird, dass der Anspruch, wir befreien ein Volk von Diktatur, von
Unterdrückung ja relativiert wird durch das Verhalten der US-Soldaten in den
Gefängnissen. Und dass das offenbar dann auch von höchster, mindestens
militärischer Stelle dort vor Ort von einer Generalin und dergleichen
befohlen oder toleriert worden ist, zerstört sicherlich auch das Vertrauen
der Amerikaner in die Fähigkeiten der eigenen Armee.
Frau Maischberger:
Die US-Soldatin bzw. ihr Verteidiger sagt, hier versteckt sich generell ein
Verteidigungsminister hinter einem 20-jährigen Bauernmädchen aus
West-Virginia, weil ja die offizielle Lesart die ist, zu sagen, das sind
Einzelfälle, das sind Auswüchse eines Krieges, während diese Soldatin und
auch andere sagen, nein, das ist Befehl. Wenn man diese Befehlskette
zurückverfolgt, müsste man die Frage stellen, ob der Verteidigungsminister,
Ihr Kollege Donald Rumsfeld, derjenige ist, der die Verantwortung auch
insofern übernehmen muss, dass er zurücktreten sollte. Das werden Sie hier
öffentlich sicherlich nicht sagen, aber Franz Müntefering hat es getan.
Peter Struck:
Ja, ich denke, dass das eine Sichtweise ist, die man durchaus als
Nicht-Regierungsmitglied auch öffentlich äußern kann. Sie haben völlig
richtig vermutet, dass ich mich in dieser Weise nicht äußern werde. Richtig
ist allerdings, dass der amerikanische Senat, und der tut das ja intensiv,
die Befehlskette verfolgt und sieht, wie weit hinauf geht denn das Wissen
über diese Art von Behandlung von Kriegsgefangenen. Es darf in der Tat nicht
sein, dass die Soldaten, die letztlich die Handlung tatsächlich vorgenommen
haben, die einzigen sind, die bestraft werden. Wenn sich herausstellen
sollte, dass mit Wissen von Vorgesetzten - meinetwegen auch im Pentagon -
solche Misshandlungen vorgenommen worden sind, wird mit Sicherheit auch der
Senat und auch die amerikanische Regierung da entsprechende Konsequenzen
draus ziehen.
Frau Maischberger:
Sind sie denn die einzigen, also der Senat und die amerikanische Regierung,
die in dieser Frage überhaupt zu entscheiden haben. Also Joschka Fischer
hatte diesen kleinen Spalt heute genutzt, indem er gesagt hat, das wäre doch
jetzt ein guter Punkt für die Amerikaner, um dem internationalen
Strafgerichtshof als Unterzeichner beizutreten. Russland sagt, das ist eine
Sache der UNO, also diese Dinge sollen von der UNO auch untersucht werden.
Hertha Däubler-Gmelin sagt, der Strafgerichtshof ist zuständig. Was glauben
Sie?
Peter Struck:
Ich könnte mich dieser Auffassung der Verantwortlichkeit des internationalen
Strafgerichtshofes durchaus anschließen. Wir wissen aber, dass die
amerikanische Regierung eine völlig andere Auffassung dazu hat und versucht
hat, in bilateralen Gesprächen mit anderen Staaten zu erreichen, dass
amerikanische Soldaten von dieser Gerichtsbarkeit ausgenommen werden. Wir
haben immer die klare Position vertreten - die Bundesregierung -, dass das
nicht gelten sollte, sondern alle sich dieser Justiz unterwerfen sollten.
Ich habe den Eindruck, dass der Versuch, die amerikanische Haltung zu
verändern, nicht erfolgreich sein wird.
Frau Maischberger:
Also Sie geben jetzt schon auf?
Peter Struck:
Ja, man kennt unsere Position. Rumsfeld kennt unsere Position, der
amerikanische Präsident natürlich auch. Und sie werden mit Sicherheit diese
Ereignisse nicht zum Anlass nehmen, ihre Position zu ändern.
Frau Maischberger:
Sie könnten aber reagieren, indem sie beispielsweise die Zusammenarbeit
deutscher und US-Soldaten erst einmal aussetzen. Also, es gibt ja auch den
Fall in Afghanistan Pakistan, glaube ich, dass deutsche Soldaten ihre
Gefangenen an die US-Soldaten ausgeliefert haben. Das dürften sie nach dem
Grundgesetz, wenn bewiesen ist, dass dort gefoltert wird, wo die
Ausgelieferten hinkommen, gar nicht tun. Also, welche Konsequenz können Sie
ziehen?
Peter Struck:
Deutsche Soldaten haben amerikanischen Soldaten keine Taliban- oder Al
Kaida-Kämpfer ausgeliefert. Was wir gemacht haben im Zusammenhang mit dem
Mandat ENDURING FREEDOM, also Kampf gegen internationalen Terrorismus, war
zu melden, wenn wir beispielsweise verdächtige Personen in Gehöften, bei
denen vermutet wurde, dass Waffen gehortet werden, Waffen geschmuggelt
werden, den amerikanischen Truppen gemeldet haben. Und das ist geschehen.
Die haben also überhaupt gar keinen Einfluss darauf, was mit Gefangenen, die
die Amerikaner dann gemacht haben, auch in Afghanistan, geschieht. Aber wir
hätten auch nach unseren Regeln, das haben Sie völlig zu recht gesagt, wir
hätten sie auch nicht an die Amerikaner ausliefern können, wenn wir selbst
festgenommen haben; denn für uns gilt natürlich der Hinweis auf das
internationale Recht und internationalen Gerichtshof.
Frau Maischberger:
Können Sie eigentlich ausschließen, dass es von Seiten deutscher Soldaten,
aber auch seitens deutscher KSK-Mitglieder zu Übergriffen gekommen ist?
Peter Struck:
Ja, ich schließe das aus. Ich sage das im vollen Bewusstsein der Folgen
einer solchen Äußerung, wenn sich das Gegenteil herausstellen sollte. Sie
wissen was ich damit meine. Ich schließe das deshalb aus, weil unsere
Soldaten selbst die, die nur die 9 Monate Grundwehrdienst machen lernen in
der Ausbildung, dass sie rechtswidrige Befehle nicht befolgen dürfen. Und es
wäre ein rechtswidriger Befehl erst mal die Tatsache selbst einen solchen
Befehl zu geben, der ein rechtswidriger Befehl, und es wäre ein
rechtswidriger Befehl, wenn jemand anordnet, Gefangene sind so zu behandeln
beispielsweise, wie wir das jetzt aus den Bildern kennen im Irak. Ein
deutscher Soldat foltert niemanden. Ein deutscher Soldat behandelt
Gefangene, wenn er denn überhaupt welche hat und wir hatten nur im Falle des
Kosovo zu Beginn des Krieges in Übereinstimmung mit den anderen beteiligten
Nationen, Menschen gefangengenommen, bis sie dann an die UNMIG - an die
Polizei - übergeben worden foltert nicht, achtet auf die Gesundheit der
Gefangenen, behandelt sie nach humanitären Regeln und nach den
internationalen Regeln, wie man Gefangene, Kriegsgefangene behandeln muss.
Ich bin der festen Überzeugung, dass auch ein noch so junger und nicht
"besonders gebildeter" Soldat niemals so etwas machen würde, wie das, was
wir gesehen haben.
Frage Frau Maischberger:
Damit sind wir mitten in der deutschen Debatte. Die deutsche Debatte ist
unter anderem durch Äußerungen von Prof. Michael Wolffsohn noch mal, um ein
Standpunkt bereicht worden. Er hat es in dieser Sendung getan, weshalb wir
es einmal ganz kurz für die, die diese Sendung nicht gesehen haben und die
entsprechende Passage einmal wiederholen möchten.
Ausschnitt aus der
Sendung am 05.05.2004 mit Herrn Prof. Wolffsohn
Frage Frau Maischberger:
Also, Folter ist auch gegenüber Terroristen in keinem Fall legitim?
Antwort Prof. Wolffsohn:
Das ist eine andere Frage. Sie fragen mich, ob es legitim ist. Ich würde
sagen ja es ist legitim, weil der Terror im Grunde genommen mit den
normativen Grundlagen, also mit den Bewertungsgrundlagen unserer
zivilisierten Ordnung überhaupt nichts mehr zu tun hat. Und wenn wir da
mit Gentleman-Methoden versuchen, den Terror zu kontern, werden wir
scheitern. Auch der Abschreckungseffekt gegenüber Terroristen wäre
gleich null. Aber bei normalen Kriegsgefangenen ist so etwas
inakzeptabel. Wir sind in der schrecklichen Situation, dass die
Brutalisierung der Kriegführung, der Kriegführung ebenso, wie natürlich
des Terrorismus so dramatisch zugenommen hat, dass die Rechtsordnung
bislang überhaupt keine Antwort darauf gefunden hat.
Frage Frau Maischberger:
Aber Ihre Antwort habe ich jetzt gerade schon richtig gehört, wenn es sich
hier, um einen Kampf gegen Terroristen handelte, hielten Sie Folter als
Mittel auch für legitim?
Antwort Prof. Wolffsohn:
Als eines der Mittel gegen Terroristen halte ich Folter oder die Androhung
von Folter für legitim.
Ende Ausschnitt
Frage Frau Maischberger::
So, damit ist er außerhalb des Grundgesetzes. Darf er das? Sie sind ja sein
oberster Dienstherr.
Peter Struck:
Ja, ich will zunächst einmal sagen, welchen Eindruck ich, auch spontanen
Eindruck, ich nachdem ich von diesen Mitteilungen gehört habe, gehabt habe.
Zunächst einmal halte ich das für unglaublich, was Wolffsohn dort in Ihrer
Sendung gesagt hat. Das ist in keiner Weise tolerabel und akzeptabel. Ich
habe ihm einbestellt für Anfang der nächsten Woche. Werde mit ihm darüber
ein Gespräch auch führen. In Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der
Universität der Bundeswehr in München Herrn Prof. Lössl, dessen erweiterte
Senatsleitung auch eine entsprechende distanzierende Stellungnahme abgegeben
hat.
Frage Frau Maischberger:
Wolffsohn selber, das sollte ich hinzufügen, hat gesagt, er sei
missverstanden worden. Hat also auch gesagt, das seien
wissenschaftlich-theoretische Überlegungen und im keinen Fall als konkrete
Meinung, die er lehrt, zu verstehen.
Peter Struck:
Ich lasse prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten die Universität der
Bundeswehr hat und welche ich habe. Er wird sich möglicherweise berufen auf
die Wissenschaftsfreiheit. Und das muss dann abgewogen werden, natürlich
rechtlich. Aber eigentlich gilt es zunächst auch mal, um eine völlig klare
Stellungnahme des Verteidigungsministeriums auch meiner. Und deshalb will
ich klipp und klar sagen, ich halte das für unmöglich und für nicht
akzeptabel, was er dort gesagt hat. Und wenn ich die Möglichkeiten habe,
rechtliche Konsequenzen zu ziehen, dann werden sie auch gezogen.
Frage Frau Maischberger:
Rechtliche Möglichkeiten heißt, dass einer der lehrt, als einer der in
Gewisserweise dem Beamtenrecht untersteht, muss er auf den Bundesgrundgesetz
stehen und das Grundgesetz verbietet in mehreren Artikeln gleich die Folter.
Und wenn Sie die Möglichkeit haben ihm nachzuweisen, das er da nicht drauf
steht, hieße das was?
Peter Struck:
Dann hieße das, dass er aus dem Dienst entfernt werden muss. Es werden jetzt
bei mir viele Hinweise gegeben von Bürgerinnen und Bürgern, die den
Vergleich ziehen mit dem General Günzel, den ich sehr schnell innerhalb von
einigen Stunden dann mit durch Antrag beim Bundespräsidenten entlassen habe.
Da ist die Situation, die rechtliche Situation etwas anders. Ich kann einen
General entlassen, wenn ich kein Vertrauen mehr in ihn habe. Das ist bei
einem Professor einer Universität etwas anderes. Wichtig ist auch, das
Wolffsohn klar erklärt, das wäre ganz günstig, wenn er es noch vor dem
Besuch bei mir erklärt, dass er natürlich nicht in seinen
Lehrveranstaltungen gegenüber den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr
diese Auffassung wiederholt.
Frage Frau Maischberger:
Weil das Führungskräfte sind?
Peter Struck:
Das sind diejenigen in die ich großes Vertrauen setzte bei der weiteren
Arbeit in der Bundeswehr, bei der Reform der Bundeswehr, das ist unser
künftiges Führungspersonal.
Frage Frau Maischberger:
Bei dem Radikalenerlass, der mal zu einem anderen Anlass erlassen wurde,
auch sagte, das Beamten, die diesem Recht unterstehen sich auch eben in der
Öffentlichkeit außerhalb des Dienstes nicht außerhalb des Grundgesetzes zu
äußern haben?
Peter Struck:
Völlig richtig, die rechtliche Bewertung ist, dass derjenige auch
Angehöriger des öffentlichen Dienstes, der sich äußert auf dem Boden der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen muss. Aber hier ist auch
das Thema der Wissenschaftsfreiheiten natürlich zu berücksichtigen.
Frage Frau Maischberger:
Gleichwohl muss man feststellen, die Debatte findet statt. Das sagt ja auch
der Direktor der Bundeswehrhochschule, also Hans Georg Lössl sagt, die
Diskussion wird ja weltweit geführt. Otto Schily, der sicherlich auf dem
Boden des Grundgesetzes steht, hat dem "Spiegel gesagt, wir müssen uns zur
Wehr setzen, notfalls auf eine Art, die das Leben der Terroristen nicht
schonen kann. Und weiter sagt er, wer den Tod sucht, kann ihn haben. Da sind
wir nicht bei Folter, aber da sind wir ebenfalls bei etwas, was wir
jedenfalls noch nicht so im Grundgesetz erlaubt ist?
Peter Struck:
Ich glaube nicht, das in Deutschland eine solche Debatte geführt werden
muss, Frau Maischberger.
Frage Frau Maischberger:
Warum wird sie dann von Otto Schily ins Leben gerufen?
Peter Struck:
Dazu will ich mich jetzt im Augenblick nicht äußern. Ich sehe da auch
gewisse Unterschiede. Ich glaube in Deutschland ist eigentlich unstrittig,
dass man in der Behandlung von Gefangenen, die Grundsätze des Völkerrechts
anwendet. Das ist auch, glaube ich, die durchgängige Meinung in der
Bevölkerung. Extremisten mal ausgenommen, dass Gefangene wie Menschen
behandelt werden müssen und nicht so behandelt werden müssen, wie wir das
gesehen haben. Und in sofern halte ich diese Debatte auch nicht für
erforderlich, weil es eine Selbstverständlichkeit ist - für mich - das in
unseren Gefängnissen von den Justizvollzugsbeamten oder in Gefängnissen im
Ausland in denen deutsche Polizisten verantwortlich sind oder im
Ausnahmefall auch Soldaten, die sich an dieses internationale Recht halten.
Frage Frau Maischberger:
Dieses ist glaube ich, was Schily meint im Bezug auf den Kampf, also Notwehr
eher. Also gegen jemanden, der einen Anschlag dabei ist. Also so kann ich
ihn nur verstehen, einen Anschlag zu üben. Oder wie verstehen Sie das?
Peter Struck:
Ja, im Bereich der Notwehr kann man natürlich auch darüber nachdenken, ob
man eine größere Gefahr gegenüber jeden irgendjemanden anderem abwendet
indem man dieser direkten Gefahr begegnet notfalls auch durch solche
Auseinandersetzungen, also durch Schießen oder Kämpfen oder was auch immer.
Die Diskussion kenne wir ja auch. Und die ist eigentlich beendet,
ausdiskutiert, durch entsprechende Ländergesetze. Aber ich glaube unser Land
hat es nicht nötig, eine Debatte darüber zu führen, ob wir also unsere
Staatsbürger, die bestimmte staatliche Aufgaben wahrnehmen sich an Recht und
Gesetz, internationales Recht halten oder nicht. Sie halten sich daran.
Frage Frau Maischberger:
Danke für die Klarstellung. Wir bleiben weiter dran. Und danke sehr für den
Besuch Peter Struck.
Peter Struck:
Ich danke Ihnen auch Frau Maischberger.
hagalil.com
13-05-2004 |