Antisemitische Karikatur:
Grazer Geschichten
Von Karl Pfeifer
Die in Graz und Klagenfurt erscheinende "Kleine Zeitung"
ist die dritt größte Tageszeitung Österreichs und im Eigentum einer
Verlagsgesellschaft, die der katholischen Kirche Österreichs gehört. Am 19.
Mai erschien in ihr eine Karikatur, die leider kein Novum in der
österreichischen Presselandschaft ist. Bereits während des Libanonkriegs
wurden ähnliche Karikaturen in Österreich in seriösen Zeitungen publiziert.
Das Wiener Dokumentationsarchiv des österreichischen
Widerstandes (DÖW) veröffentlichte dazu am 21. Mai 2004 folgende
Pressemitteilung:
"Antisemitische Karikatur in österreichischer Tageszeitung
In der "Kleinen Zeitung" erschien am 19. Mai 2004 eine
Karikatur, welche den Holocaust mit dem israelischen Vorgehen in den
besetzten Gebieten gleichsetzt und somit gröblich verharmlost. Das mit
"Vergangenheit" betitelte Bild zeigt einen Soldaten mit Hakenkreuzbinde und
einen jüdischen Jungen vor einer Ruine. Daneben ein Bild aus der "Gegenwart"
mit dem gleichen Szenario, wobei nun der Soldat als Israeli [mit Davidstern
an der Armbinde K.P.] und der Junge als Palästinenser dargestellt ist.
Man kann, ja soll die israelische Politik gegenüber den
Palästinensern kritisieren, insbesondere dort, wo sie in Widerspruch zur
Menschenrechtskonvention gerät. Dabei ist aber der Terror von
Palästinensern, der sich systematisch gegen Zivilisten richtet, nicht aus
den Augen zu verlieren.
Bei gegenständlicher Karikatur handelt es sich jedoch nicht
um Kritik, sondern um antisemitische Demagogie. Die Gleichsetzung der
nationalsozialistischen Vertreibungs- und Vernichtungspolitik, deren
Singularität nur von Antisemiten und NS-Nostalgikern in Abrede gestellt
wird, mit dem israelischen Vorgehen in den besetzten Gebieten, das eben
nicht die systematische Vernichtung der Palästinenser zum Ziel hat, stellt
einen Skandal dar.
Gerade von einer an und für sich seriösen Tageszeitung in
Österreich wäre es zu erwarten gewesen, dass man sich des Unterschiedes
zwischen geplantem Völkermord und der Eskalation in einem bewaffneten
Konflikt bewusst ist.
In einem Leserbrief an die "Kleine Zeitung" brachte Dr.
Wolfgang Neugebauer [wissenschaftlicher Leiter des DÖW K.P.] diese Position
zum Ausdruck"
Soweit die Stellungnahme des DÖW
Es ist natürlich kein Zufall, wenn in einer österreichischen
Zeitung mit einer solchen Karikatur die nationalsozialistischen Verbrechen
gröblich verharmlost werden. Damit befriedigt man ein Bedürfnis der
Entschuldung. Was aufhorchen lässt, ist die Tatsache, dass nun die "Kleine
Zeitung", die sich für Kurt Waldheim seinerzeit in die Bresche geschlagen
hat, einen deutsch-österreichischen Soldat mit einer Hakenkreuzbinde
hinstellt. Bekanntlich haben ja die Soldaten der Wehrmacht in der Regel
keine Hakenkreuzbinde getragen. Es geht der "Kleinen Zeitung" also darum
aufzuzeigen, was viele Menschen in den postnationalsozialistischen Ländern
hören und lesen wollen, dass "die Juden" auch nicht besser sind. Deswegen
die Gleichsetzung der nationalsozialistischen Verbrechen gegen Juden mit
einer Militäraktion eines Staates, der den Überlebenden des von Deutschen
und Österreichern verübten Genozids eine Heimat geworden ist.
Österreichische Politiker betonen bei Gesprächen mit
ausländischen Journalisten, dass Österreich ein besonders strenges
NS-Verbotsgesetz hat. Zum § 3 h des NS-Verbotsgesetz erklärt Heinrich
Gallhuber im "Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus" (2. Auflage,
Wien 1996, ISBN 3-216-30099-4, Seiten 638-9): "Tatbildlich nach § 3 h
handelt, wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium
oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich
wird, den nationalsozialistischen Völkermord oder andere
nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich
verharmlost, gutheißt oder zu rechtfertigen sucht."
Wer die Praxis der Justiz kennt, und anbetracht der Tatsache,
dass die Staatsanwaltschaft in Österreich weisungsgebunden ist, besteht kaum
eine Chance, dass die Kleine Zeitung wegen dieser Karikatur zur
Verantwortung gezogen wird.
Antisemitismus, der zwar geleugnet wird, aber gerade mit der
Veröffentlichung einer solchen Karikatur die böse Fratze zeigt, ist Teil des
nationalen Konsensus in Österreich.
Darauf spekulieren auch die anonymen Verfasser eines
Flugblattes, das an der Grazer Universität während des Wahlkampfes, also vor
dem 25. April 2004 verteilt wurde und dessen Kopie in meiner Hand ist und
deren Wortlaut sie hier finden:
"Fischer als Präsident
Al Quaidà
Bombenterror in Österreich
[Darunter abgebildet die israelische Fahne K.P.]
Mit Heinz Fischer als Präsident wäre seine Ehefrau eine JÜDIN,
Israelfreundin und US-Vertraute "First Lady" von Österreich. Damit
wären wir als Handlanger des US Krieges gegen den IRAQ [sic! K.P.] und der
Israelischen Agressionspolitik [sic! K.P.] automatisch im Fadenkreuz von
Osama bin Laden!
11.9. [Symbol eines Flugzeuges K.P.] New York
11.3 [Symbol einer Bombe K.P.] Madrid
11.6. [Davidstern K.P.] Graz
Spaniens Volk hat sich schon für den Frieden entschieden!!
"Osama bin Laden / al Quaidà am 17.3.2004"
Allahu akbar!!"
So schwappt antisemitische Propaganda aus islamischen Ländern
nach Österreich herüber und es findet eine Annäherung zwischen dem
islamistischen und dem europäischen Antisemitismus statt, der man hier aus
verschiedenen Gründen bislang versäumte energisch entgegenzutreten. Was muss
geschehen, damit man sich damit auseinandersetzt?
hagalil.com
23-05-2004 |