Kölner Konferenz:
(Nichts) Neues in der deutschen Nahost-Debatte?
Am 5. Juni findet in Köln unter dem Titel
"Stop the Wall" eine "Internationale Konferenz für einen gerechten Frieden
in Palästina und Israel" statt
Von Alfred Schobert
Graswurzelrevolution, 27.
Mai 2004
Der fortgesetzte Mauerbau und der Armee-Einsatz in Rafah
wecken Interesse an einer Konferenz, die "gewaltlose Kampagnen israelischer
und palästinensischer Aktivistinnen und Aktivisten" unterstützen will.
Teilnehmer wie Amnon Raz-Krakotzkin und Moshe Zuckermann
könnten vielleicht sogar den Überdruss besiegen, den viele schon beim bloßen
Gedanken an deutsche Nahost-Debatten verspüren. Verstärkt seit Beginn der
zweiten Intifada und im Kontext aufeinander folgender
Antisemitismus-Skandale spricht es bei diesem Thema bekanntlich aus
deutschen Bäuchen, und in der Linken und den (neuen) sozialen Bewegungen ist
die Diskussion durch Verfallen in die binäre Reduktion auf 'Freund oder
Feind' erstarrt (I.).
Die der Konferenz zu Grunde liegende "Kölner Erklärung"
unterscheidet sich zwar wohltuend vom alten Anttiimp-Antizionismus der
deutschen Palästina-Solidarität, ist aber durch verdächtige Asymmetrien
gekennzeichnet (II.). Mag man versucht sein, beim Lesen des Textes
wohlwollend über sie hinweg zu sehen, zeigt ein Blick auf einen Teil der
Konferenz-Veranstalter, Unterstützer und Podiumsteilnehmer, dass die
Konferenz ernsthaft Gefahr läuft, die eine Position der
binär-reduktionistischen Konstellation doch zu reproduzieren (III.). Die
andere Position, die ihrem Gegenpart an Stupidität in nichts nachsteht, hat
bereits Gegenaktivitäten angekündigt (IV.).
I.
Überdruss an deutschen Nahost-Debatten dürften viele
verspüren. Nicht zuletzt diejenigen, die den eskalierenden Konflikt nicht
simpel nach 'gut' und 'böse' sortieren. Die also nicht
-
entweder als lebende Fossile des Antiimperialismus 'den guten
Palästinensern' als Opfer (und nur als Opfer) 'das böse Israel' als
staatsterroristische Besatzungsmacht und 'die Zionisten' als Rassisten und
somit als Täter gegenüberstellen,
-
oder in einer neuen Variante des Philosemitismus als
"Antideutsche" 'das gute Israel' im Überlebenskampf gegen 'die
terroristischen Palästinenser', verstanden als einheitliches völkisches (und
somit antisemitisches) Kollektiv und fester Bestandteil des islamistischen
Megaterrors, halluzinieren.
Mit dem, was in Israel und in den besetzten Gebieten
geschieht, haben diese Bilder und (Wahn-)Vorstellungen wenig bis gar nichts
zu tun. Impulse zur Entspannung der Lage und für Schritte aus der bisweilen
ausweglos scheinenden Situation, soweit sie überhaupt aus Deutschland oder
Europa kommen können, sind von dieser Debatte, in der zwei gleichermaßen
realitätsferne, in der Hauptsache auf Wahrung der eigenen Identität bedachte
Positionen ineinander verkrallt und aufeinander angewiesen sind, nicht zu
erwarten. Solche Nahost-Debatten, die auf dem stupiden Betriebssystem der
binären Reduktion laufen, sind günstigstenfalls nutzlos. Zumeist zeitigen
sie fatale Effekte für die politische Kultur, ein Begriff der Politologie,
der hier Gefahr läuft, als Euphemismus zu funktionieren: Sie sind Teil der
Nährlösung, in der einerseits anti-antisemitisch artikulierter
antiislamischer Rassismus, andererseits - bisweilen antirassistisch
verpackter - Antisemitismus 'von links' gedeihen (daher ist es sinnvoll, es
sich gelegentlich zuzumuten, diese Debatten zu beobachten). "Es gibt keinen
Grund, zwischen gutem Rassismus und schlechtem Antisemitismus zu
unterscheiden", schreibt Esther Benbassa, beide "bezeichnen dasselbe Elend".
(1)
Nicht zuletzt führt diese Art Nahost-Debatte dazu, dass
innerhalb dessen, was "die Linke" oder die "(neuen) sozialen Bewegungen"
genannt wird, eine hinreichend gründliche Diskussion des vielfältig, in
Deutschland insbesondere historisch (vom Nazismus bis zu den Irrwegen des
bewaffneten Kampfes mancher Ausläufer der "Neuen Linken", nicht zu vergessen
den staatlichen Antizionismus der DDR) überdeterminierten Themas kaum
stattfindet. Stattdessen werden konfrontativ Glaubensbekenntnisse
ausgetauscht. Jede Position verfügt dabei über 'ihre Juden' bzw. 'ihre
Israelis', die - ob ihnen dies bewusst ist und ob sie dies wollen oder nicht
- wie religiöse Autoritäten (selektiv) zitiert und präsentiert werden.
Auf dem Weg zum Glaubenskrieg ist man in den letzten Monaten
einige Schritte voran gekommen. Wer sich dies antun wollte, konnte nach dem
Fiasko der Antifa-Demonstration in Hamm am 17. Januar, der Hamburger
Demonstration gegen den Nazi-Aufmarsch am 31. Januar und der "antideutschen"
Strafexpedition nach Hamburg am 24. April auf den diversen Geblubber-Seiten
der Antiimps und der Antideutschen heroische Darstellungen und
Interpretationen aus dem Glaubensstraßenkampf nachlesen. Wer da als erstes
wem die Förmchen geklaut und wer als erster dem anderen aufs Maul gegeben
hat, ist im Gewimmel der einander widersprechenden Erzählungen kaum zu
rekonstruieren. Ob's überhaupt der Mühe wert ist? Nun ist der nächste
"Feldzug" der "Antideutschen" angekündigt, sein Ziel ist die Kölner
Konferenz.
II.
Die Konferenz-Grundlage, die am 17. Januar 2004
verabschiedete "Kölner Erklärung: Den Mauerbau in Palästina unverzüglich
stoppen!", unterscheidet sich wohltuend von den gewohnten
antiimperialistischen Kampftexten der deutschen Palästina-Solidarität. Doch
das heißt ja auch nicht sehr viel.
So vermeidet die Erklärung, den Terror auf palästinensischer
Seite beim Namen zu nennen und ihn zu verurteilen; stattdessen spricht man
bloß von "Gegengewalt". Auch drückt man sich um die ausdrückliche Forderung
nach einem Ende dieses Terrors, während man bezüglich eines Endes der
israelischen Besatzung Klartext redet: "Für einen solchen Frieden ist ein
Ende der israelischen Besetzung und Besiedlung die unabdingbare
Voraussetzung", heißt es im Aufruf. Der palästinensische Terror ist wohl,
wie man das von Orwell kennt, irgendwie 'gleicher als gleich', wenn er kurz
zuvor in der Rede von "verbrecherischen Angriffen auf unschuldige Zivilisten
beider Seiten" mit den Aktionen der Besatzungstruppen auf eine Ebene
gestellt wird.
In resolutionärer Hochstimmung verkündet man mit allergrößter
Gewissheit: "Nur ein Ende der Besatzung, ein rascher und endgültiger Rückzug
Israels aus den besetzten Gebieten und eine faire Lösung des
Flüchtlingsproblems werden auch zu einem Ende der Gewalt führen" (Hrvh. v.
A.S.). Dass "faire Lösung des Flüchtlingsproblems" ein arg
interpretationsoffener Formelkompromiss ist, der auch für eine
palästinensische Maximalforderung stehen kann, sei nur am Rande erwähnt. (2)
Grob fahrlässig ist die wie eine Garantie präsentierte Behauptung, ein Ende
der Besatzung und die nebulös bleibende "faire Lösung des
Flüchtlingsproblems" würden quasi automatisch "zu einem Ende der Gewalt
führen". Sollten sich die islamistischen palästinensischen Terrorgruppen,
die Israel zerschlagen wollen, nicht an die weissagende Direktive aus Köln
halten, würde man dafür nicht in Köln, sondern in Tel Aviv oder anderswo in
Israel bluten.
Das Vertrackte nach Jahrzehnten der Besatzung und der davon
begünstigten (nicht hingegen durch sie verursachten) zunehmenden militanten
Islamisierung relevanter Teile der palästinensischen Gesellschaft ist doch,
dass sich die so formierten Subjektivitäten und Assoziationen nicht mit
einem Mal auflösen, sondern fortzudauern drohen, selbst wenn einige
bedeutende Umstände ihrer Entstehung historisch erledigt wären. Ein Ende der
Besatzung ist eben keine Garantie für ein Ende des Terrors; sie würde
allerdings die Chance (nicht mehr, nicht weniger) eröffnen, den Zulauf zu
den terroristischen Gruppen zu verringern und diesen Terror mittelfristig
auszutrocknen, effektive, also vor allem unzweideutige Ächtung des Terrors
und seine tatsächliche, d.h. unter den gegebenen zivilisatorischen
Standards: rechtsstaatlich begrenzte, polizeiliche Bekämpfung vorausgesetzt.
Dass die Aktivitäten der Palästinensischen Autonomiebehörde diesbezüglich
bisher weit hinter dem Erforderlichen zurück bleiben, lässt sich nicht
allein damit entschuldigen, dass die Besatzungstruppen erhebliche Teile
ihrer Infrastruktur zerschlagen haben.
III.
Die eine oder der andere mag diese Lektüre der Kölner
Erklärung vielleicht für haarspalterisch halten und einwenden, manches,
dessen Fehlen in der Erklärung kritisiert wurde, so eine Verurteilung des
Terrors, verstehe sich doch von selbst. Schaut man sich Veranstalter,
Unterstützer und Konferenz-Teilnehmer genauer an (3),
entdeckt man doch wieder lebende Fossile des dumpfen Antiimperialismus und
Antizionismus in relevanter Zahl, so dass manch als selbstverständlich
Geltendes alles andere als selbstverständlich ist.
Das gilt nicht nur für die als Unterstützer genannte
"Redaktion der kommunistischen Internet-Zeitung" kommunisten-online.de.
Deren Anfang Mai 2004 verschickter Newsletter enthielt nicht nur den Aufruf
zur Kölner Konferenz, sondern neben einer Verbeugung vor Stalin
("prophetische Voraussage") mehrere Links zu Texten, an denen sich das
erbärmliche Niveau des Antiimp-Antizionismus einmal mehr studieren lässt:
Das K-Grüppchen deckt das Spektrum von Dummheiten (an Möllemanns
antisemitischem Wahlkampf-Flyer lasse sich nichts Verwerfliches erkennen)
über faktenresistenten Hass auf Israel und den Zionismus bis zu
antisemitischer Paranoia (eine kritische Studie des DISS zur
Nahost-Berichterstattung deutscher Medien wird als durch Geld vom
israelischen Geheimdienst Mossad finanzierte Arbeit von "Diversanten"
entlarvt) ab. (4)
Unter den Unterstützern und Veranstaltern der Konferenz
finden sich mehrere Unterstützer der Kampagne "10 Euro für das irakische
Volk im Widerstand", die vom Campo antiimperialista und der Wiener AIK
gestartet wurde. Da diese Kampagne bereits mehrfach Thema in dieser Zeitung
war (GWR 285 u. 289), sei an dieser Stelle lediglich auf ein Interview der
Wiener AIK mit Jabbar Al Kubaya verwiesen. Der Anführer der Irakischen
Patriotischen Allianz, derjenigen irakischen Gruppe, der die Kampagne zugute
kommen soll, deutet an, wen er gemeuchelt sehen will; verpackt in eine
Prognose sieht der große Führer des Volkes im Widerstand schon das Blut
'linker Verräter', nämlich der irakischen Kommunisten, fließen: "In einem
gewissen Sinn sind sie [die irakischen Kommunisten] sogar schlimmer als die
Besatzer. [...] Später werden sie vom siegreichen Volk ausgemerzt werden.
Niemand wird weinen, wenn ein Kollaborateur getötet wird, selbst wenn er
sich selbst als kommunistisch bezeichnet." (5)
Unter den Veranstaltern findet sich der Verband Deutsche
Freidenker, deren Vorsitzender in seiner Verbandsfunktion seine
Unterstützung der Kampagne "10 Euro" per Presseerklärung rechtfertigte. (6)
Die deutsche Zentrale der Kampagne, Initiativ e.V. (Duisburg), zählt zu den
Unterstützern der Konferenz.
Als Moderator des erstens Konferenz-Panels vorgesehenist
Ludwig Watzal, der in der Zeitschrift Intifada des Campo antiimperialista
publiziert (wird). (7)
Ein Konferenz-Moderator, Rüdiger Göbel, hat sich neben seiner
Unterschrift auch publizistisch für diese Kampagne stark gemacht, als
devoter Interviewer des Kampagnen-Initiators Langthaler und zuvor im
kumpanenhaften Interview mit dem Kampagnen-Unterstützer Joachim Guilliard
(vom Heidelberger Antikriegs-Forum, Unterstützer der Kölner Konferenz). (8)
Diese Texte Göbels müssen im Kontext der Blattlinie der jungen Welt
betrachtet werden (so wie Göbels Tätigkeit für das Blättchen im
Konferenz-Programm als Qualifikation des Moderators benannt wird). Werner
Pirker, Leitartikler der jungen Welt (und Unterstützer der Kampagne) hat in
der jungen Welt Terror legitimiert. (9)
In dem gemeinsam mit Langthaler verfassten Antiamerikaner-Katechismus
liefert Pirker die Hintergrundargumentation für den "Solidaritäts"-Einsatz
der AIK zugunsten der Hamas. (10) Göbel
arbeitet dieser Blatt-Linie zu, wenn er sich journalistisch für die von der
AIK lancierte Kampagne engagiert. Und das hat nicht nur prinzipiell mit der
Gewaltfrage, sondern ganz spezifisch mit dem Konferenz-Thema zu tun. Der
Anführer der durch die Kampagne geförderten Irakischen Patriotischen
Allianz, Jabbar Al Kubaya, stellt den Zusammenhang her: "Die amerikanische
Besatzung des Irak ist unleugbar mit der zionistischen Besatzung in
Palästina verbunden. Das Projekt dieser Besatzungen muss von der arabischen
Nation gemeinsam bekämpft werden." (11)
Durch die starke Präsenz von Unterstützern der Kampagne
zugunsten dieser irakischen "Widerstands-"Kräfte bei der Kölner Konferenz
verliert der in der Kölner Erklärung formulierte Anspruch, "Kräfte in Israel
und Palästina, die für ein gleichberechtigtes, friedliches Zusammenleben
beider Völker eintreten", und "gewaltlose Kampagnen israelischer und
palästinensischer Aktivistinnen und Aktivisten" zu "unterstützen", massiv an
Glaubwürdigkeit.
IV.
Gegen die Kölner Konferenz richten sich Aktivitäten
antideutscher Gruppen. Sie "rufen dazu auf, das Recht auf Selbstverteidigung
des Staates Israel gegen die TeilnehmerInnen und BesucherInnen der Konferenz
'Stop the wall!' zu verteidigen und vor Ort die Solidarität mit dem Land
praktisch werden zu lassen, das gegründet wurde, um all jenen, die von
Antisemiten verfolgt werden, Schutz zu bieten." (12)
Was darf man sich nach den vorangegangenen Schlägereien unter der
Ankündigung, "Solidarität [...] praktisch werden zu lassen" und "das Recht
auf Selbstverteidigung des Staates Israel gegen die TeilnehmerInnen und
BesucherInnen der Konferenz [...] zu verteidigen" vorstellen, wenn der Guru
dieser Sektierer zuvor ein Loblied auf den französischen BETAR anstimmte, da
dieser "manchmal auch militant gegen antisemitische Manifestationen" (bzw.
was man dafür hält) vorgehe, und sogar der Ligue de Défense Juive (Jüdische
Verteidigungsliga) gute Seiten abgewann, da sie "zu militanten Aktionen
gegen arabische und linke Antizionisten und andere Antisemiten übergegangen"
sei? (13)
Mit präziser Kritik an der Konferenz halten sich die
Antideutschen nicht lange auf. Ihre Texte vermitteln den Eindruck, dass es
ihnen darum geht, andere Rechnungen zu begleichen. Ihr Hauptfeind heißt
Moshe Zuckermann. Ihn hassen sie, und zwar nicht obwohl, sondern weil dieser
Kritiker der israelischen Regierungspolitik zugleich ein in der Tradition
der Kritischen Theorie stehender kompetenter und scharfer Kritiker deutscher
Normalität (14) ist und das
Ineinandergreifen hiesiger antisemitischer Ausfälle mit israelischer
Regierungspropaganda benennt. (15) Damit
zerstört Zuckermann die Geschäftsgrundlage der Bahamas und ihrer übers Land
verstreuten Kinder- und Jugendgruppen, die gerne einen Monopolanspruch auf
(die wahre und einzige) Kritische Theorie behaupten - daher ist Zuckermann
in ihren Augen viel schlimmer als beispielsweise Uri Avnery und Moshe
Zimmermann, die in deutschen Medien zum Thema Israel ähnlich präsent sind.
So heißt es am Schluss eines Rückblicks auf die antideutsche
Strafexpedition nach Hamburg: "Die linke Kumpanei der vorgeblichen
Antisemitismus-Kritiker mit den tatsächlichen Antisemiten gilt es auch
weiterhin zu stören. Der nächste 'Feldzug' (Kirsche) wird in Köln am 5. Juni
2004 durchgeführt, wenn, wie angekündigt, der Doyen des Postzionismus, Moshe
Zuckermann, mit den Saddamiten von der jungen Welt und den
Westentaschen-Goebbels des palästinensischen 'Widerstandes' den
Schulterschluß übt". (16)
Wenn Zuckermann als Teil einer "linke[n] Kumpanei der
vorgeblichen Antisemitismus-Kritiker mit den tatsächlichen Antisemiten"
namentlich denunziert ausgemacht wird, lässt das immerhin noch offen, ob die
einzigen wahren Antisemitismus-Kritiker ihn zu den "tatsächlichen
Antisemiten" oder zu den "vorgeblichen Antisemitismus-Kritikern" zählen.
Diese Großzügigkeit hat freilich sogleich ein Ende, wenn Zuckermann zum
Nazi-Kollaborateur erklärt wird, indem man ihn im "Schulterschluß" "mit den
Saddamiten von der jungen Welt und den Westentaschen-Goebbels [Hrvh. v.
A.S.] des palästinensischen 'Widerstandes'" sieht. (17)
Dass Zuckermann ganz nebenbei zum "Doyen des Postzionismus" ernannt wird,
beweist die komplette Ahnungslosigkeit des Bahamas-Autors. Zuckermann hat
sich nie zum Postzionismus bekannt, sondern definiert sich als
"Nichtzionist" (18) und hat - wie auch
der Kölner Konferenz-Teilnehmer Amnon Raz-Krakotzkin, der auch in seriöser
Literatur gelegentlich vage dem Postzionismus zugerechnet wird - dieses
Etikett kritisiert. (19) Doch von
Sachkenntnis lässt sich antideutsche Gesinnungsstärke nicht trüben, und so
wetteifert diese Strömung mit ihrem Antiimp-Gegenpart auf der nach oben
offenen Inkompetenz-Skala.
Bei dieser Ausgangslage steht zu befürchten, dass sich in
Köln die binär-reduktionistische Konstellation, in der eine informierte und
verantwortliche Nahost-Debatte unmöglich ist, nur erneut - und womöglich
eskalierend - reproduziert.
Der Autor ist Mitarbeiter beim Duisburger Institut für
Sprach- und Sozialforschung (DISS).
NPD-Unterstützung:
Monströse "Widerstands"-Allianz
Die Kampagne "10 Euro für das irakische Volk im
Widerstand" missbraucht Arundhati Roy und genießt die Unterstützung durch
einen NPD-Funktionär...
"10 Euro für den irakischen Widerstand":
"Panorama" ohne Durchblick
Alles andere als eine journalistische Meisterleistung lieferte das
ARD-Magazin "Panorama" am 12. Dezember mit seinem Beitrag "Spenden für den
Terror – Deutsche unterstützen Attentäter im Irak"...
Anmerkungen:
(1) Esther Benbassa: La République face à ses minorités. Les
Juifs hier, les Musulmans aujourd'hui. Paris: Mille et une nuits 2004, S.
105. Benbassa schreibt dies angesichts der merkwürdigen 'Konkurrenz', in die
in weiten Teilen des französischen mediopolitischen Diskurses die Kritik an
"neuer Judäophobie" einerseits, "neuer Islamophobie" andererseits gebracht
werden; vgl. Pierre André Taguieff: La nouvelle judéophobie. Paris: Mille et
une nuits 2002 u. Vincent Geisser: La nouvelle Islamophobie. Paris: La
Découverte 2003.
(2) Vgl. zu einem Vorschlag symbolischer Anerkennung des Rückkehrrechts der
Palästinenser und der daraus resultierenden praktischen Konsequenzen im
Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung Moshe Zuckermann: Zweierlei Israel.
Auskünfte eines marxistischen Juden an Thomas Ebermann, Hermann L. Gremliza
und Volker Weiß. Hamburg: Konkret 2003, S. 104.
(3) Siehe
www.freepalestine.de/040605konferenz/veranstalter.htm; letzter
Datenabruf am 20. Mai. Zwei der als Veranstalter fungierenden
Organisationen, die deutsche Sektion der IPPNW und das Komitee für
Grundrechte und Demokratie, sind ab dem 10. Mai auf die im folgenden
genannten Gruppen und Personen aufmerksam gemacht und mit ausführlichem
Quellenmaterial versorgt worden. Man verschone uns also mit Gejammere
darüber, dass diese Kritik nun öffentlich artikuliert wird.
(4) Siehe
http://www.kommunisten-online.de. Spekulationen über die Finanzierung
des DISS durch den Mossad gab es zuvor nur aus der Nazi-Szene. Vgl. das
corpus delicti: Siegfried und Margrete Jäger (unter Mitarbeit von Gabriele
Cleve, Ina Ruth, Frank Wichert u. Jan Zöller): Medienbild Israel. Zwischen
Solidarität und Antisemitismus. Münster: LIT 2003.
(5) Wir werden überall das Feuer entfachen. Jabbar al Kubaysi über die zu
bildende politische Widerstandsfront (29.4.2004,
http://www.antiimperialista.com/de/view.shtml?category=2&id=1078059715&keyword=+).
(6) "Gegen die Aggressions- und Besatzungstruppen ist jeder, auch
militärischer, Widerstand legitim und völkerrechtlich erlaubt. Hingegen ist
es die bekannte Methode der Angriffskrieger, diesen Widerstand als Terror,
und Partisanen als Terroristen zu verunglimpfen" (Klaus Hartmann:
"Panorama": Gehirnwäsche im Dienste der Angriffskrieger. Pressemitteilung
vom 11.12.2003). Wer davon redet, dass "jeder Widerstand [...] legitim" sei
und die Bezeichnung "Terror" pauschal als eine die Besatzung begünstigende
Verunglimpfung des "Widerstands" kennzeichnet, der legitimiert implizit auch
die Selbstmordanschläge, und zwar ganz egal, wen sie treffen.
(7) Vgl. Ludwig Watzal: Steht den Palästinensern eine neue Vertreibung
bevor? (www.antiimperialista.com/view.shtml?category=31&id=1042360761&keyword=+).
Watzal soll ein Panel moderieren, an dem u.a. Moshe Zuckermann teilnimmt. Ob
die Organisatoren sich dabei etwas gedacht haben, gar Zuckermanns deftige
Bemerkung gegen Watzal im Sinn hatten? Vgl. Moshe Zuckermann: Zweierlei
Israel (Anm. 2), S. 33.
(8) Vgl. Rüdiger Göbel: Trotz Hetze in ARD-Magazin: Weiter Spendenerfolg für
Irak? jW sprach mit Willi Langthaler von der Antiimperialistischen
Koordination (AIK) in Wien. In: junge Welt 20.12.2003 (www.jungewelt.de/2003/12-20/016.php)
u. ders.: Irak-Kriegsgegner von Bild-TV vorgeführt: »Panorama« unter
falscher Flagge? [Interview mit Joachim Guiliard]. In: junge Welt 13.12.2003
(www.jungewelt.de/2003/12-13/018.php).
(9) Vgl. Werner Pirker: Legitime Atttacke – Anschlag auf Vizechef des
Pentagon knapp gescheitert. In: junge Welt 27.10.2003
(www.jungewelt.de/2003/10-27/003.php).
(10) Man vergleiche Wilhelm Langthaler/Werner Pirker: Ami go home. Zwölf
gute Gründe für einen Antiamerikanismus. Wien: Promedia 2003, S. 97-98 u.
111-112 mit AIK: Solidarität mit Hamas! Sofortige Aufhebung der Schwarzen
Liste der EU! (13.9.2003).
(11) Wir werden überall das Feuer entfachen (Anm. 5).
(12) Fence Out Terror! Für die Selbstverteidigung Israels – Gegen die
antizionistische Konferenz in Köln! (http://infoladen.de/koeln/casablanca/fenceoutterror/aufruf.html).
(13) Justus Wertmüller: Französische Zustände. In: Bahamas H. 42 (2003), S.
28-34, hier S. 28. Nach viel Lob räumt Wertmüller immerhin die Bindung der
Ligue de Défense Juive an Meir Kahane ein, dessen Organisation in Israel
verboten ist: "Zwar handelt diese Gruppierung durchaus vernünftig für
jüdischen Selbstschutz und gegen das Bündnis aller Antisemiten gegen Israel,
indes, ihre allzu enge Bindung an die Ideologie Meir Kahanes – Stichwort:
Transfer aller Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen
nach Jordanien – [...] macht sie ideologisch in der Tat anrüchig" (ebd., S.
28).
(14) Vgl. Moshe Zuckermann: Gedenken und Kulturindustrie. Ein Essay zur
neuen deutschen Normalität. Berlin u. Bodenheim: Philo 1999.
(15) Vgl. bspw. Moshe Zuckermann: Wie füreinander geschaffen. Die
Möllemänner und die Sharons instrumentalisieren den
israelisch-palästinensischen Konflikt. In: Michael Naumann (Hg.): "Es muß
doch in diesem Lande wieder möglich sein..." Der neue Antisemitismus-Streit.
München: Philo/Ullstein 2002, S. 122-125.
(16) Mitten in der Zone: Hamburg. Zu den Angriffen auf die
israelsolidarische Demonstration am 24.04.2004 (www.redaktion-bahamas.org/aktuell/HH-Nachlese.htm).
(17) Nebenbei gefragt: Warum eigentlich "Saddamiten" und nicht, wie
Bushisten, Mitterandisten oder ehedem Marxisten, Saddamisten? Richtig
vermutet: Wie André Gide Verlaine antworten lässt: "Man sagt Sodomit, mein
Herr", nachdem der Richter ihn gefragt hat, ob er "Sodomist" sei, sagt man
heute Saddamit und bringt die Assoziationsfolge Saddamit(e) – Sodomit(e)
nebst Sadismus in Gang, die das Geschwätz in diversen internationalen
Chatrooms und Diskussionsforen beflügelt.
(18) Vgl. Moshe Zuckermann: Zweierlei Israel (Anm. 2), S. 42f.
(19) Vgl. Jean-Christophe Attias/Esther Benbassa: Israël, la terre et le
sacré [zuerst 1998]. Paris: Flammarion 2ème éd. revue 2001, S. 307-308 und
Raz-Krakotzkins Statements in Neri Livneh: Post-Zionisms only rings once.
In: Ha'aretz 2.9.2001.
hagalil.com
30-05-2004 |