Noblesse oblige:
"Zur Zeit" für "Religionsfreiheit"
Von Karl Pfeifer
Als Autor nimmt der Herr Bundesrat Mag. John Gudenus (FPÖ)
den Adelstitel "Graf" in Anspruch, obwohl Adelstitel von der Republik
Österreich schon bald nach ihrer Entstehung vor 76 Jahren abgeschafft
wurden. Der Herr "Graf" fragt in der von ihm herausgegebenen Wiener
Wochenzeitung "Zur Zeit" Nr.15/04 besorgt: "Steuern wir einer 20- zu 80
Gesellschaft zu? 20 Prozent Oberklasse, 80 Prozent Unterschicht." Und er
fragt auch mit treuherzigen Augenaufschlag: "Ist es wahr, dass diese
Probleme [Sozialabbau, Arbeitslosigkeit, Absenkung des Lebensstandards,
Kriminalität] von einer kleinen, profitorientierten Gruppe eingeleitet
wurden und von vielen Gutgläubigen weiter betrieben wird?"
Hier verlässt er sich auf das Gespür seiner Leser, die unter
einer "kleinen profitorientierten Gruppe" schon die richtigen ausmachen
werden. Wenn der Herr "Graf" damit die in Österreich seit vier Jahren
regierende schwarzblaue Koalition meinen würde, dann hätte er sich anders
ausgedrückt. Als stramm rechter Politiker und als "konservativer" Katholik
hat er auch das Alleinheilmittel gefunden, um all unsere Probleme lösen zu
können: "Alle Bemühungen um eine Pensionsreform sind nur Systemklitterungen,
wenn es nicht gelingt, den natürlichen Optimismus in der Bevölkerung zu
erwecken und die natürliche Genugtuung zu empfinden, sich am eigenen
Nachwuchs zu erfreuen."
Mag. Gudenus kann sich wirklich am eigenen Nachwuchs
erfreuen, hat doch einer seiner Söhne, der zufällig auch Vorsitzender der
Freiheitlichen Jugend ist, vor der "Umvolkung" gewarnt. Dass dieser Begriff
direkt der NS-Diktion entnommen ist, stört den Vizekanzler der Republik
Österreich Hubert Gorbach nicht und vermutlich auch nicht Mag. Gudenus sen.,
der sich doch gegen das NS-Verbotsgesetz mehrfach heftig ausgesprochen hat
und deswegen auch von den Rechtsextemisten dickes Lob erhielt.
Mag. John Gudenus hatte bereits vor Jahren Aufmerksamkeit und
Zustimmung von Rechtsextremisten erhalten, als er von einer
Bezirksversammlung in Wien IV "zum Problem der obdachlosen Junkies auf dem
Karlsplatz allen Ernstes (forderte), diese gewaltsam auf die Donauinsel 'in
ein umzäuntes Areal zu verschaffen', um sie dort dann 'entsprechend zu
betreuen'."
Der Herr "Graf" leistete sich im österreichischen Nationalrat
folgenden Angriff gegen Erhard Busek (ÖVP): "Sie sind nicht nur ein
Koalitionstrottel, Sie sind ja nicht normal, Sie sind ein Idiot" und setzte
noch drauf: "Sie gehören geohrfeigt!"
1995 musste er sein Nationalratsmandat zurückgeben, nachdem
er in einer Diskussion gemeint hatte: "Gaskammern? Ich halte mich da raus.
Ich glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist."
"Bundesrat John Gudenus für orthodoxe Kultusgemeinde"
Der Herr Bundesrat ließ sich nun mit drei bärtigen Juden,
darunter der schon sattsam bekannte "Oberrabbiner"
Moyshe A. Friedman abbilden und dieses
Bild in der gleichen Ausgabe von "Zur Zeit" (15/04) publizieren. Der
angebliche Oberrabbiner nennt die "Schuldigen" am Holocaust, nämlich "die
Zionisten" und ist seither der Liebling aller Rechtsextremisten. Ein Jude,
der nicht die Täter, sondern die Opfer beschuldigt an diesem in der
Geschichte wohl einmaligen Massenmord schuldig zu sein, ist ein Mann den der
Herr "Graf" unbedingt fördert, denn seine Sorge gilt der "Religionsfreiheit"
und deswegen hat er mit seinen Schützlingen bei Frau Bundesminister
Elisabeth Gehrer vorgesprochen und diese gebeten die paar Leute die Herrn
Friedman unterstützen als Kultusgemeinde anzuerkennen.
Wie sich die Kameraden von Herrn Mag. Gudenus diese
Religionsfreiheit vorstellen, las man eine Woche zuvor in "Zur Zeit". Helmut
Steinwandter kritisiert in seinem Artikel "Schächtungsopfer": "Die
Verfassungsrichter verwechseln – absichtlich? – die Ausübung des Glaubens
mit der Ausübung von Tätigkeiten." Er kommt dann zu folgendem interessanten
Schluss: "Der Glaube ist eine Angelegenheit des Gehirns (nicht des
Denkens!), die Tätigkeit ist jedoch eine andere Kategorie. Zur Ausübung des
Glaubens ist eine Tätigkeit nicht erforderlich, schon gar nicht ein
steinzeitliches Opferritual! Eine unbedingte Abhängigkeit des Glaubens von
einer Tätigkeit ist nicht gegeben und somit ist die Genehmigung des
Schächtens zwecks "Religionsausübung! hanebüchener Unsinn oder präziser
gesagt: tendenziöse oder liberale "Recht"-Sprechung."
Es folgt dann der Lob der Azteken, "mit ihren jährlichen
Feiern mit Menschenopfern von einigen wenigen "auserwählten" Jungen und
Mädchen gegenüber den millionenfachen Religionsopfern...." und es folgt eine
Aufzählung der Opfer der Inquisition, der Hexenverbrennung, der Vernichtung
der Albigenser und Katharer, dem 30jährigen Krieg, die Ermordung der
Indianer, "der daraufhin vom Papst angeregten Versklavung (1538) der "viel
kräftigeren Neger".
Nicht vorenthalten soll die Schlussfolgerung von Helmut
Steinwandtner werden: "Die gegenwärtige Entwicklung in fanatischen Sekten
und die Duldung von brutalen "religiösen Riten" deutet sehr auf ebendiese
"fortschrittliche" Richtung hin, in welcher in naher Zukunft – wie in den
antiken Staaten oder im Mexiko der Azteken – Menschen aus religiösen und
staatspolitischen Gründen rituell geopfert, geschlachtet und geschächtet
werden! Es kann ja sozusagen demokratisch freiwillig sein, wir erinnern uns
noch allzu gut an die Selbstanklagen im Ostblock zur ‚Höheren Ehre des
Staates’, so dass also der kultische Ritualmord einer entarteten Demokratie
anerkannt wird. Damit werden Orwells Horrorvisionen in seinem "1984" noch
übertroffen!"
Die Ritualmordbeschuldigung kommt diesmal aus einer
antiklerikalen Tierschützerecke. Hier wärmt ein Autor ein uraltes
antisemitisches Stereotyp mit einer äußerst verworrenen Argumentation wieder
auf.
Bezeichnend für die Zustände in Österreich ist, dass eine
Wochenzeitung, die derartiges transportiert, Presseförderung erhält und das
nicht zu knapp.
hagalil.com
16-04-2004 |