Johannes Heinrich Schulz:
Mit Ruhe und Gelassenheit ins KZ
Die wahre Geschichte
Im Tausendjährigen Reich mit seiner Vorstellung von einer
Herrenrasse war kein Platz für Homosexuelle. Sie galten als "Perverse".
Gekennzeichnet mit einem "rosa Winkel" auf der Häftlingskleidung wurden sie
von 1933 an in Untersuchungshaft gesteckt. Dort wurde allerdings unter der
Leitung eines Psychiaters fein säuberlich selektiert, ob ein schwuler Mann
ins Konzentrationslager kam oder als "heilbar" eingestuft wurde.
Zu einem gab es die so genannten muttergeschädigten
Homosexuellen, die als "erbkrank" galten und die die "Deutsche
Seelenheilkunde" nicht heilen konnte. Sie mussten im KZ allerschlimmste
Erniedrigungen erleiden. Homosexuelle der so genannten Kategorie "liebes
Brüderchen" versuchte man durch Einwirken eines Psychotherapeuten zum
überzeugten Heterosexuellen umzupolen. Für die schwierige differenzierte
Diagnose – erbkrank, und damit lebensunwert oder nur leicht neurotisch, also
heilbar – gab es ein perfides Ritual. Im Beisein des leitenden Psychiaters
und einer Kommission musste der Kandidat mit einer Prostituierten den
Geschlechtsverkehr vollziehen. Wer in dieser Stresssituation existenzieller
Bedrohung seine Manneskraft öffentlich demonstrieren konnte, blieb vom KZ
verschont.
Der leitende Psychiater, der sich diesen Test ausgedacht
hatte, war ein international hoch geschätzter Wissenschaftler. Kurz vor dem
ersten Weltkrieg war es ihm im Selbstversuch gelungen, mit "formelhaften
Vorsatzbildungen" die "Resonanzdämpfung der Affektion", eine
"Selbstberuhigung der Persönlichkeit", sowie die "Konzentrative
Selbstentspannung" zu erzeugen. Unbehelligt und unter dem Schutzmäntelchen,
seine "rege Publikationstätigkeit" sei während der NS-Zeit "unterbrochen
worden", erfreute sich der Nervenarzt auch nach dem Krieg bei Patienten und
Medizinern großer Wertschätzung.
Und auch, als seine Glorifizierung durch seine Rolle während
der NS-Zeit etwas verdunkelt wird, bewährt sich das alte Schema: Verdrängen,
Leugnen, Tabuisieren. Man müsse die Tätigkeit des Psychiaters während der
NS-Zeit "aus Not der Zeit verstehen, über die wir uns nicht erheben sollen",
verteidigt ihn der Medizinsoziologe Gernot Huppmann auf dem Magdeburger
Psychologenkongress im Mai 1994. Auf die Ikone sollte kein Schatten fallen.
Denn der Euthanasiefreund und Rassenhygieniker, der zahllose
Männer auf Leben und Tod koitieren ließ, war nach Sigmund Freud der
meistgelesene Seelenarzt deutscher Sprache: Johannes Heinrich Schultz – der
Erfinder der Methode des Autogenen Training.
Quelle: Die wahre Geschichte, FM Radio Network
Zum Weiterlesen:
Grundzüge der NS-Politik gegen Homosexuelle:
Ziele, Methoden
und Tätergruppen
Deutsche Medizin im NS-Staat:
Rassenwahn
Ärzte im Nationalsozialismus:
Im
Dienste der Volksgesundheit
Buchenwald - Ravensbrück -
Auschwitz:
Verbrecherische
Humanexperimente in Konzentrationslagern
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22-04-2004 |