DocAviv 2004:
Sainkho - A Voice on the
Edge Von Dietrich Leder
Kunsthochschule für Medien, Köln
Die Orte: Ein barocker Konzertsaal in England, ein etwas
heruntergekommener Club in Rom, ein staubiger Dorfplatz am Ende der Welt.
Die Musik: Jazz, Pop und Drum'n Bass. Die Frau: Ein Stimmwunder, ein
Energiebündel, eine Verletzte, sowie eine Großmutter und Freundin.
Wer
Sainkho Namtchylak das erste Mal in diesem Film hört, wie sie mit ihrer
Stimme einen Raum öffnet, wie sie vom Flüstern unvermittelt in einen Schrei
wechselt, wie sie Obertonklänge an Scatgesang reiht, der ahnt, dass sich in
ihrer Person mehr als nur Musikstile begegnen.
"Sainkho", der erste Dokumentarfilm von Erica von Moeller, stellt die
Sängerin vor, die aus der Tuva, einer Republik an der Grenze zur Mongolei
kommt. Kaum 20, zieht es sie nach Moskau, begegnet dort dem Jazz, der sie im
Westen Europas bekannt macht, in dem sie von Avantgarde-Musikern aller
Fraktionen geschätzt wird. Eine Reisende in Sachen Weltmusik, die sich von
den sie umgebenden Räumen immer wieder zu ganz eigenen Klangexperimenten
inspirieren lässt. Eine nervöse Forscherin des Klangs der menschlichen
Stimme. Eine ungeduldige Lehrerin ihrer heimatlichen Gesangstechnik.
"Sainkho" ist ein Reisefilm, der die Stationen einer
typischen Konzert-Tournee aufsucht und der am Ende staunend mit seiner
Protagonistin in ihre Heimat zurückkehrt. Es ist ein Konzertfilm, der ihre
bewegenden Auftritte an den unterschiedlichsten Orten dokumentiert und ihr
improvisierendes Zusammenspiel mit ihrer Band und ihren Freunden festhält.
Es ist ein filmisches Porträt, das in seinen zurückhaltenden Beobachtungen
und abwartend tastenden Gesprächen etwas von der Geschichte der Musikerin zu
erspüren versucht.
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"Sainkho" ist zusätzlich noch etwas anderes.
Der Film ist das Dokument der Suche einer Entwurzelten, die sich in der
Stimme und der Erscheinung der Sängerin hörbar und sichtbar entfaltet. Es
ist Recherche nach den Elementen, aus denen sich die Vielfalt ihres
musikalischen Ausdrucks zusammensetzt. Das Aufzeigen eines Lebenswegs, der
seiner Protagonistin viele Opfer abverlangt hat. Er ist der Versuch, einer
Frau nahe zu kommen, die sich allein mit ihrer Stimme jeder Zeit Abstand
verschaffen kann.
Der
Film bleibt auf Distanz und sieht doch genau hin. Er registriert staunend,
wie die Sängerin sich behauptet und ihr fremde Welten erobert. Er nähert
sich der Frau der vielen Perücken und der unterschiedlichen Gesichter an,
lässt manches von dem erahnen, was sie durchmachte und durchmacht, und
gewährt ihr doch ihr Geheimnis. Und er spiegelt Glücksmomente wider, wie sie
nur großen Künstlern gelingen und gewährt werden: wenn das improvisierende
Zusammenspiel sich in einer Ekstase wechselseitig stimulierender Klänge
entlädt, wenn der Auftritt als Rückkehr der heimischen Künstlerin gefeiert
wird, wenn die Nomaden der tuvinischen Steppe gelassen der Musik zu hören,
die mit Sainkho Namtchylak von hier aus in die Welt zog.
SAINKHO
A Voice on the Edge - A Journey of Extremes
Ein Dokumentarfilm von Erica von Moeller
80 Min., 35 mm, Farbe, 2002
Kamera: Hajo Schomerus, Daria Moheb Zandi
Ton: Martin Ehlers, Heino Herrenbrück
Redaktion: Werner Dütsch, Reinhard Wulf
Betreuung: Prof. Dietrich Leder
Produzent: Titus Kreyenberg
Eine Produktion der Colonia Media, Label 131
In Koproduktion mit der Kunsthochschule für Medien und dem WDR
Gefördert mit den Mitteln des Filmbüro NW
http://www.sainkho.de
DocAviv 2004
hagalil.com
19-04-2004 |