Namenslesung des Jüdischen Studentenverbands Berlin (JSB) e.V.:
Jeder Mensch hat einen Namen
Von Miriam Budwig
Auf den ersten Blick scheinen die Namen David Abraham und
Klaus-Lothar Kaiser nicht viel gemeinsam zu haben. Wenn man den Hintergrund
kennt, vor dem sie genannt werden, sieht man den Zusammenhang sehr
wohl. Beide gehören zu den 55.696 ermordeten Berliner Juden, deren Namen vom
18. April 19.30 Uhr bis zum darauf folgenden Tag um 24 Uhr vor dem jüdischen
Gemeindehaus in der Fasanenstrasse vorgelesen wurden.
Organisiert
wurde die Lesung vom jüdischen Studentenverband Berlin (JSB) mit
Unterstützung der jüdischen Gemeinde. Hans Wall, ein Unternehmer, der kurz
zuvor mit dem Heinrich-Stahl-Preis ausgezeichnet worden war, war einer der
ersten, der ein paar Namen vorlas. Im weiteren Verlauf des Abends, der Nacht
und des folgenden Tages lasen Schüler der jüdischen Schule, jüdische
Studenten und Erwachsene die knapp 56.000 Namen.
Die Namen werden auch oftmals von den eigenen Angehörigen
gelesen. Alle Freiwilligen, die keine Mühe gescheut haben und auch mitten in
der Nacht an die Berliner Opfer des Nationalsozialismus erinnert haben,
haben Außergewöhnliches geleistet, um die Erinnerung an die Geschichte
aufrecht zu erhalten. Sie führten uns das Schreckliche, das damals geschah,
vor "die Ohren". Auf diese Weise zeigten alle Helfer ausdrucksvoll ihre
Betroffenheit und Trauer. Teilweise blieben sie stundenlang, lasen selbst
oder hörten zu.
Gerne
hätte man die Namenslesung an einem belebteren Ort als der Fasanenstr.
abgehalten, aber die hohen Sicherheitsanforderungen erlaubten eine
Namenslesung beispielsweise auf dem Wittenbergplatz nicht. Die dortige
Namenslesung verlief friedlich, die Wasserflasche, die ein Anwohner um drei
Uhr nachts auf die NamensleserInnen warf, einmal abgesehen. Die eigentliche
Gedenkveranstaltung für die im Holocaust ermordeten Juden begann am Sonntag
schon um 18 Uhr. Nach der musikalischen Einleitung begrüßte Albert Meyer,
der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde zu Berlin, alle Anwesenden. Da die
Veranstaltung auch dem 61. Gedenktag des Aufstandes im Warschauer Getto und
der Verleihung des Heinrich-Stahl-Preises gewidmet war, äußerte der
Vorsitzende die Gemeinsamkeit dieser beiden Ereignisse, den Widerstand.
Zur Zeit des Warschauer Gettos, war es der Widerstand der
Juden gegen die Nazis. Heutzutage richtet er sich gegen Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit. Aufgrund der Handlungen, die Hans Wall unternahm, um
diese Ideale zu verwirklichen, wurde er vom Bürgermeister von Berlin, Harald
Wolf ausgezeichnet. Im Anschluss daran sprach Rabbiner Rozwaski und es gab
einen musikalischen Ausklang. Am Mahnmal für die in den Konzentrationslager
ermordeten Juden legte man dann einen Kranz nieder.
hagalil.com
29-04-2004 |