Kinostart:
Birkenau und Rosenfeld
Von Gudrun Wilhelmy
Wer
sich 50 Jahre später seinen Erfahrungen als KZ-Gefangene stellt, möchte
eigentlich vergessen. Genau diesen Satz spricht Miriam Rosenfeld (gespielt
von Anouk Aimée) aus. Dies gesteht sie sich weniger anderen. In Paris trifft
sie, aus den USA kommend, erstmalig auf ehemalige Mitgefangene. Sie hatte
bisher solche Zusammenkünfte vermieden. Die sie quälen Fragen, die selten
laut gestellt werden: "Haben wir überlebt, weil die anderen dafür sterben
mussten?"
Mehr forciert als aus eigenem Antrieb fährt sie mit dem Zug
an den Ort zurück, an dem über Leben und Tod entschieden wurde. Sie und alle
ihre Mitgefangenen unterlagen Lebensbedingungen mit unausweichlicher
Todesfolge vor Augen hatten. Sie trifft auf einen jungen polnischen Juden
(Zbigniew Zamachowski), der dort sitzt und wie auf ehemalige Gefangene zu
warten scheint und ihnen hilft, Spuren ihrer Vergangenheit wieder zu finden.
Er begleitet sie bis in die Wohnung ihres Vaters hinein, wo die Mieterin
nicht mehr zeigt als Angst vor "Wiedergutmachungszahlungen".
Auf dem Gelände von Birkenau begegnet Miriam einem jungen
deutschen Fotografen (August Diehl), der vergeblich versucht Bilder zu
finden, die das Geschehen widerspiegeln könnten. Er erhofft sich Hilfe von
Miriam und folgt ihr. Er, einer Täterfamilie entstammend und dies nicht
verschweigend, sie, die ehemalige Gefangene, stehen sich fremd gegenüber.
Miriam erinnert sich an die Namen ihrer Mitgefangenen und "spricht" mit
ihnen dort in der alten Baracke, auf dem Gelände, dass sie als "mein
Zuhause" bezeichnet. Auch wenn sie sich nicht an alle Einzelheiten erinnern
kann, verzweifelt die Unrichtigkeit ihrer Erinnerungen im Austausch während
nächtlicher Telefonate erkennen muss, ist sie dennoch immer noch in der
Vergangenheit so verhaftet, als Teil ihrer eigenen Gegenwart.
Die Regisseurin Marceline Loridan-Ivens versucht in diesem
Film ihre eigene Geschichte zu erzählen. Und vielleicht liegt es auch daran,
dass der Film nicht richtig gelingt. Filmisch gesehen, gibt es keine Bilder,
die das Grauen in den leer stehenden Baracken, dem hoch gewachsenen Gras
oder auf den Schienen wiedergeben können. Was man sieht, ist eine Frau, die
sehr verloren auf dem Gelände herumläuft und versucht sich zu erinnern. Das
geografische Gedächtnis versagt ihr, was das historische ihr immer wieder
zuflüstert. Das aber ist zu wenig, um aus "Birkenau und Rosenfeld" einen
guten, sehenswerten Film zu machen – leider.
Der Film ist zu dokumentarisch angelegt und eben doch kein
Dokumentarfilm. Diese Unentschlossenheit der Regisseurin, nimmt dem Film,
was er hätte sein können: Wie arbeitet eine quälende Erinnerung in einem
Menschen, der diese Erinnerung nicht zulassen will? Schade.
Birkenau und Rosenfeld
Eine frz.-dt.-poln. Koproduktion (2002), 90 min.
Orginalfassung mit deutschen Untertiteln und synchronisierte Fassung
Darsteller: Anouk Aimée, August Diehl u.a.
Buch + Regie: Marceline Loridan-Ivens
Bundesweiter Kinostart: 15. April 2004
hagalil.com
19-04-2004 |