antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

Ein neuer Antisemitismus?

Radikaler Islamismus
Eine dritte grosse totalitäre Bewegung neben Faschismus und Stalinismus

MICHA BRUMLIK

Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Antisemitismus. Dass die Studie über europäischen Antisemitismus, die vom EUMC (European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia) beim Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung in Auftrag gegeben wurde, nur unter Druck veröffentlicht werden konnte, zeugt davon. Die Behauptung des US-Botschafters bei der EU, Rockwell Schnabel, der Judenhass sei in Europa heute ebenso verbreitet wie in den Zwanziger- und Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts, steht dem Schwadronieren des rechtsradikalen Flügelmanns der israelischen Regierung, Minister Avigdor Liberman, über den wachsenden europäischen Antisemitismus in nichts nach.

Die diesbezüglichen Ergebnisse der empirischen Sozialforschung sind jedoch alles andere als eindeutig. Sie zeigen für westeuropäische Staaten den üblichen Anteil von etwa 15 bis 20 Prozent rechtsextremistisch und xenophob antwortender Befragter – Gruppen, die sich meist auch als mehr oder minder judenfeindlich erweisen. Den beunruhigendsten Befund fördert eine Umfrage der US-amerikanischen Anti Defamation League vom Oktober 2002 zutage, die für unterschiedliche europäische Länder insgesamt 21 Prozent deutliche Antisemiten fand. Indes: Eine Umfrage derselben Organisation kam im Juni des Jahres 2002 auf 17 Prozent US-amerikanischer Bürger, die deutlich antisemitische Haltungen an den Tag legten, darunter überdurchschnittlich viele Hispanics und Schwarze. Bezieht man die Schwankungsbreiten repräsentativer Umfragen ebenso mit ein wie die Problematik, «Antisemitismus» als Einstellung trennscharf und valide zu konstruieren, so herrscht in dieser Hinsicht zwischen den USA und Europa nicht der geringste Unterschied, und die Polemik Schnabels gegen Europa entpuppt sich als schiere Ideologie.

Damit ist das Thema Antisemitismus jedoch keineswegs vom Tisch. Wechselt man die Perspektive und löst sich vom Blick auf die Umfragen in westlichen Ländern, dann zeigt sich, dass weltweit antisemitische Massenbewegungen und Politiker existieren – wie zuletzt im Europa der Zwischenkriegszeit. Sie finden sich freilich – mit Ausnahme Frankreichs und einiger Immigrantenmilieus in den Niederlanden, in Belgien und Schweden – weniger in Europa als in der islamischen Welt: Von den Islamisten Algeriens, deren Führer Ali Belhadj «Kreuzfahrer und Zionisten» hasst, bis zum Indischen Ozean, wo der inzwischen zurückgetretene malaysische Premier Mahatir für einen Antisemitismus der Vernunft plädierte. In Syrien und Ägypten liefen im staatlich kontrollierten Fernsehen politische Soaps über die «Protokolle der Weisen von Zion». Judenfeindliche Karikaturen, die dem «Stürmer» in nichts nachstehen, erscheinen nahezu täglich in der arabischen Presse.
Der israelische Historiker Yehuda Bauer hat den radikalen Islamismus als dritte grosse totalitäre Bewegung bezeichnet, neben den europäischen Faschismen und dem Stalinismus. Dem ist zuzustimmen, auch wenn auf den ersten Blick die Unterschiede zu überwiegen scheinen. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes existieren – mit Ausnahme des Grenzfalls Saudi-Arabien – keine offen islamistischen Diktaturen mehr, und auch die Taliban-Herrschaft war alles andere als ein die Massen begeisterndes, von einem charismatischen Führer und einer gut organisierten Partei regiertes, modernste Herrschaftstechnik aufbietendes Regime.

Der Blick in die Gründungsschriften der radikalislamistischen Bewegung, von den Überlegungen des Inders Sayd al-Maududi, des Gründers der Moslembrüder Hassan al-Banna, bis zu den Schriften des jahrelang in Nassers Gefängnissen eingesperrten und 1966 aufgehängten Sayd Qutb, zeigt bei allen Differenzen ein geschlossenes Bild.
Paul Berman hat in seinem Buch «Terror und Liberalismus» (Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2004) das Weltbild Qutbs nachgezeichnet – eines Mannes, der an der Orientierungslosigkeit der säkularen, westlichen Kultur litt und festen Halt nur noch in einer Weisung sehen konnte, die menschlicher Willkür entzogen zu sein scheint: im Koran, der nicht nur Seligkeit im Jenseits, sondern auch eine gerechte Herrschaftsordnung, die den Kapitalismus in seine Schranken weist, mit absoluter Autorität gebietet.

Diese Gedankenfigur unterscheidet sich vom darwinistischen Geschichtsglauben der europäischen Faschisten und vom Geschichtsdeterminismus der Stalinisten nur durch seine Inhalte. Der Form nach, im Glauben also, durch ein überhistorisches Gesetz einen der demokratischen Entscheidung entzogenen Auftrag erhalten zu haben, der gegebenenfalls mit terroristischen Mitteln durchzusetzen ist, gleichen sie sich wie ein Ei dem anderen. Wie im Nationalsozialismus und wie in der stalinistischen Polemik gegen das «Kosmopolitentum» stehen auch hier die Juden als Feindbild fest. Qutbs Interpretation der Auseinandersetzung des Koran mit Judentum und Christentum kommt zum Schluss, dass der vom Propheten gegen die Juden begonnene Krieg fortzusetzen sei.
Wer all dies für einseitig und alarmistisch hält und davor warnt, die Haltung einzelner Ideologen und Prediger mit der von Bevölkerungsmehrheiten und ihren Regierungen gleichzusetzen, wer an die Komplexität unterschiedlicher, in ergebnisoffenen Modernisierungskrisen befindlicher muslimischer Gesellschaften erinnert und das holzschnittartige Bild Samuel Huntingtons vom Kampf der Kulturen für gefährlich hält, der hat nicht Unrecht.
Doch womöglich geht die Gefahr gar nicht so sehr von den Massen, sondern von den Eliten aus. Inzwischen verdichten sich die Hinweise, dass der mit Unterstützung der pakistanischen Regierung Nukleargeheimnisse preisgebende «Vater der islamischen Atombombe», Quadir Khan, bisher zwar keine nachweislichen Beziehungen zu Al- Kaida, wohl aber zu malaysischen Stellen gehabt hat. Unter diesen Umständen erscheint auch Mohammed Mahatirs Rede, in der er die Muslime bezüglich des Palästinakonflikts aufforderte, von Selbstmordattentaten abzulassen und auf die Entwicklung von Waffen, von Bomben und Raketen zu warten, in einem anderen Licht.

Die Antworten, die liberale Gesellschaften dieser Bedrohung entgegenzusetzen hätten, sind noch nicht gefunden. Ob Chiracs «Anti-Kopftuch-Gesetz» Integration oder Desintegration der französischen Muslime fördern wird, steht in den Sternen. Dass der von der Bush-Administration in Afghanistan und im Irak eingeschlagene kriegerische Weg ebenso wenig funktioniert wie der in Saudi-Arabien und Pakistan bevorzugte duckmäuserische Weg, steht indes fest.

http://www.oltnertagblatt.ch

Micha Brumlik, Professor am Institut für allgemeine Erziehungswissenschaft der Johann-Wolfgang- Goethe-Universität in Frankfurt am Main; Direktor des Fritz-Bauer- Instituts, Studien- und Dokumentationszen- trum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust in Frankfurt am Main. Gekürzte Fassung, der Text erschien bereits in der «Frankfurter Rundschau».

hagalil.com 14-04-2004

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved