[antisemitismus.net]
Geschichte und Gegenwart:
Antisemitismus
Einleitung von Samuel Salzborn zu "Antisemitismus
- Geschichte und Gegenwart"
In den letzten Jahren ist es immer wieder zu Diskussionen über
Antisemitismus in Deutschland gekommen, wie zuletzt beispielsweise
anlässlich der Äußerungen bzw. Publikationen von Jürgen W. Möllemann, Martin
Walser, Ted Honderich oder
Martin Hohmann. Mal waren es kleinere Debatten, mal größere
Kontroversen.
Bemerkenswert an der Entwicklung der diskursiven Verarbeitung
antisemitischer Invektiven in jüngerer Vergangenheit ist neben einer
sinkenden Skandalisierungsbereitschaft von antisemitischen Positionen durch
die Medien vor allem eine relativ geringe öffentliche Sensibilität für die
Ideologie des Antisemitismus. Antisemitisches Denken scheint erst an dem
Punkt als ernsthaftes gesellschaftliches Problem wahrgenommen zu werden, an
dem der Antisemitismus vom latenten zum manifesten, ja vor allem
gewaltförmigen Phänomen wird.
Eine solche Sichtweise bagatellisiert Antisemitismus, da dieser nicht als
substanzielles Problem der bundesdeutschen Gesellschaft wahrgenommen wird,
sondern als politische Marginalie, der man aus Gründen medialer
Verwertbarkeit nur punktuelle und konjunkturelle Bedeutung zuspricht. Damit
wird Antisemitismus nicht als genuiner Angriff auf aufgeklärte,
zivilisatorische und universelle Gesellschaftsvorstellungen
begriffen, wobei die daraus resultierende Ignoranz gegenüber antisemitischem
Denken und Handeln zugleich die Ausgrenzung Menschen jüdischen Glaubens aus
der bundesdeutschen Gesellschaft zur Folge hat, die in letzter Konsequenz
bis zu deren physischer Verfolgung geht.
Dass die Ursachen für Antisemitismus jedoch ebenso wenig
in der jüdischen Religion wie im realen Verhalten von Jüdinnen und Juden zu
suchen sind, sondern der Antisemitismus dem Wahn des Antisemiten bzw. der
Antisemitin entspringt, folglich der Antisemitismus auch ein politisches und
gesellschaftliches Problem mit den Antisemit(inn)en ist, ist dabei eine
ebenso oft formulierte wie bisher weitgehend folgenlos gebliebene
gesellschaftstheoretische Erkenntnis.
Um den gegenwärtig in Deutschland und Europa wieder massiv
zunehmenden Antisemitismus wirksam bekämpfen zu können, bedarf es einer
genauen Analyse seiner historischen Entwicklung und damit auch der
Wandlungen und Veränderungen antisemitischer Argumentationsfiguren.
Gleichermaßen notwendig ist die Hinterfragung der gesellschaftlichen
Voraussetzungen für Antisemitismus und die Auseinandersetzung mit den
politischen wie kulturellen Rahmenbedingungen, in denen antisemitische
Ideologie gesellschaftlich und politisch wirksam wird. Einen kleinen Beitrag
dazu soll der Sammelband "Antisemitismus
- Geschichte und Gegenwart" leisten.
Rezension:
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen:
Antisemitismus -
Geschichte und Gegenwart
Antisemitismus - Geschichte und Gegenwart
Netzwerk für politische Bildung, Kultur und
Kommunikation e.V., Giessen,
ISBN 3-00-012714-3, Euro 10,00,
Bestellen?
hagalil.com
14-04-2004 |