Erneute Verhandlung:
Maurice Papon bekommt einmal mehr "Recht"
Von Bernard
Schmid, Paris
Wer
beschuldigt ist, die Deportation von 1.700 Juden während des Zweiten
Weltkriegs organisiert zu haben, ist und bleibt allemal besser dran als ein
"gewöhnliche" Straftäter. Denn nach wie vor bleibt Maurice Papon in den
Augen vieler Mitglieder der französischen Staatsklasse ein konservativer
Ehrenmann hatte er doch nach dem Krieg die Ämter des Polizeipräsidenten
von Paris, und später eines Ministers unter Valéry Giscard d'Estaing
bekleidet. Doch dann wurde Papon doch noch wegen seiner Rolle als
Mitarbeiter der Präfektur von Bordeaux im Zweiten Weltkrieg belangt, und
1998 zu zehn Jahren Haft wegen Mittäterschaft bei "Verbrechen gegen die
Menschlichkeit" verurteilt.
Das Gefängnis
von innen gesehen hat er dennoch nur kurze Zeit. Aus gesundheitlichen
Gründen blieb er bis zur Verhandlung seines Berufsverfahrens frei, während
andere Straftäter, die zu vergleichbaren Haftstrafen verurteilt wurden,
ihren Berufungsprozess im Gefängnis abwarten. Prompt hatte Papon sich vor
der Berufungsverhandlung im Oktober 1999 in einen Schweizer
Luxus-Wintersport abgesetzt, dank der tätigen Beihilfe gaullistischer
Freunde, die ihm die Original-Ausweispapiere eins verstorbenen
Résistancekämpfers geborgt hatten (1). Wieder eingefangen, verbrachte Papon
aber nur zwei Jahre hinter Gittern, bevor er im September 2002 aus
Gesundheitsgründen freigelassen wurde.
Jetzt hat er ein
Verfahren angestrengt und am letzten Donnerstag gewonnen, in dem er sich
darüber beschwerte, dass der Oberste Gerichtshof seine Verurteilung 1999
ohne Diskussion des Sachverhalts bestätigte, da Papon sich selbst durch
seine Flucht der Debatte habe. Deswegen hatte der Europäische Gerichtshof
Frankreich bereits im Juli 2002 gerügt. Im Mai 2004 wird also der Oberste
Gerichtshof erneut über Papon zu Gericht sitzen; es gilt allerdings als
wahrscheinlich, dass er das vorherige Urteil bestätigt. Papon wird der
Verhandlung als freier Mann beiwohnen.
Vor zwei Wochen
erklärte der 93jährige in einem Interview mit dem konservativen
Wochenmagazin Le Point, er empfinde keinerlei Bedauern: "Ich habe mich nie
in einer Position befunden, in welcher ich ein Ereignis ausgelöst hätte, das
zur Reue Anlass geben würde; ich weiß nicht, warum ich Reue zeigen sollte."
Anmerkung:
(1) Vgl.
http://www.antifaschistische-nachrichten.de/1999/22/024.htm.php
hagalil.com
01-03-2004 |