Gibsons Passionsfilm:
Blutrünstig und verantwortungslos
[DISKUSSION
/ FORUM]
"Ich bin erschüttert, aber weniger vom Inhalt
des Filmes als von seiner Blutrünstigkeit und Verantwortungslosigkeit. Der
Film könnte Leute zum Antisemitismus bewegen", so der Wiener Oberrabbiner
Paul Chaim Eisenberg nach einer Vorführung der "Passion Christi", zu der der
Constantin-Verleih Vertreter der Glaubensgemeinschaften geladen hatte. Der
Film soll am 18. März in Österreich anlaufen.
Nach dem rund zwei Stunden langen, sehr blutigen Film war die Stimmung auch
bei anderen Religionsvertretern gedrückt bis nachdenklich. Für den
evangelischen Oberkirchenrat Michael Büncker ist der Vorwurf des
Antisemitismus durchaus gerechtfertigt: "In der Übertreibung und Auswahl ist
der Film offenkundig antisemitisch. Die Schuld wird ausschließlich bei den
Juden gesucht, die Römer hingegen ständig entschuldigt."
Von einem grauenvollen "sadomasochistischen Machwerk" sprach der reformierte
Landessuperintendent Peter Karner: "Die Leiden Christi dienen als Vorwand
für einen Film, dessen Brutalität sonst nicht durchgegangen wäre. Außerdem
hat er viele Fehler im Hinblick auf das biblische Material." Der Film setze
jene "schrecklichen theologischen Irrtümer" fort, die Kirchen in eine
jahrhundertelange Judenfeindschaft verstrickt haben und sie "mitschuldig
werden ließen an der Shoah". Mel Gibson vertrete in "The Passion" einen
Fundamentalismus, der geeignet sei, "antisemitische Vorurteile zu fördern".
"In der Bibel zerreißt der Vorhang des Tempels, im Film bricht gleich der
ganze Tempel auseinander. Das ist missverständlich und zu dick", so der
evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm.
Der Wiener Dompfarrer Anton Faber meinte im ORF, man müsse die Menschen auf
den Film vorbereiten: "Ich war sehr betroffen. Bei der Annagelungsszene wird
wohl jedem schlecht- aber es wird wohl so oder ähnlich gewesen sein. Für
mich ist das ein Film für katholische Erwachsene, der mit entsprechender
Vorwarnung äußerst zu empfehlen ist."
Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen sagte im ARD-"Morgenmagazin", der
Film sei so blutig, dass die Gefahr bestehe, "dass der Zuschauer nur das
Blutige sieht und nicht die Heilsbotschaft". Die Zuschauer sollen den Film
nicht allein anschauen, riet der Erzbischof. Deshalb werde es ein
Begleitprogramm der katholischen Kirche zu dem Film geben.
Wie dieses Begleitprogramm aussehen könnte steht noch in den Sternen.
Vielleicht wird sich dann auch jemand der seltsamen Darstellung des durch
den Film huschenden Satan annehmen. Wieso dieser androgyn auftritt ist dem
Laien schleierhaft. Vermutlich ist es hier, natürlich mal wieder ganz
unbewusst, gelungen eine weitere Feindgruppe in's Visier zu nehmen, ist es
doch ein wichtiges Anliegen christlicher Fundamentalisten sexuell
alternative Lebensformen zu verteufeln.
Die katholische Gemeinschaft "Amici di Dio"
startet jedenfalls die Aktion "The Passion - 1:3". Nach Informationen des
kath.net sollen wenige Tage vor dem Start
von "The Passion of the Christ" in den deutschen und österreichischen Kinos
durch E-mail, Telefon und SMS-Aktionen möglichst viele Menschen in
Österreich und Deutschland auf den Gibson-Film aufmerksam gemacht werden:
"Alle Christen sind aufzurufen diesen Film zu besuchen und andere zum Besuch
des Filmes einzuladen und auf den Film hinzuweisen".
In Polen ist der Film bereits angelaufen.
kath.net berichtet von zahlreichen Orten
in denen Pfarreien und Lehrer Kinobesuche ganzer Schulen und Kirchgemeinden
organisiert haben. Bereits am ersten Wochenende wurden über 340.000 Karten
verkauft. Der ehemalige polnische Premier Tadeusz Mazowiecki zeigte sich
tief berührt. Laut der Online-Ausgabe der "Gazeta Wyborcza" wies er Kritik
an dem Film zurück: "Es geht zuweit hier von einer "Bibel für die Armen im
Zeitalter der Computeranimation" zu reden. Im Namen dieser Armen bitte ich
ganz demütig: Lasst uns diesen Film erleben, besonders in der Fastenzeit".
Schon bei der festlichen Premiere des Films im Volkstheater in Warschau
erklärte er: "Ich kann über die 'Passion' nicht nur wie über einen Film
denken - es ist ein großes Erlebnis." Auch in Portugal und Griechenland ist
der Film mittlerweile angelaufen.
Bisher spielte der Film rund 220 Millionen Dollar ein, bald dürfte die
300-Millionen-Marke überschritten werden. Der bisherige Erfolg verhalf
Hollywood zu einem deutlich besseren Gesamtergebnis im Vergleich zu 2003.
Bevor "Die Passion Christi" in die Kinos kam, lagen die Wochenendeinnahmen
für die Top-12-Filme durchschnittlich 7% unter denen des Vorjahres, am
letzten Wochenende lagen sie um satte 39% über den Ergebnissen von 2003.
Brutal, paradox und antisemitisch:
"Die Passion"
des Mel Gibson
Am Aschermittwoch den 25. Februar lud die Filmgesellschaft zu
einer Pressevorführung um neun Uhr morgens in das Matthäuser Kino am
Hauptbahnhof in München ein. Nicht nur wegen der unchristlichen (oder
christlichen) Zeit war der Film auf nüchternen Magen eine unerträgliche
Zumutung. Der Film beschreibt in blutigen, extrem brutalen Bildern die
letzten zwölf Stunden im Leben Jesu...
Spezial zum Kinostart:
"Die
Passion" von Mel Gibson
Als Juden und Jüdinnen sollten wir uns nicht nur dazu äußern, inwieweit der
Film nun antijudaistische Klischees transportiert oder nicht, sondern die
Frage an die Christen zurückgeben, ob der Film das zeigt, was wir über ihre
Religion lernen sollen: Eine Religion des Blutes, der Gewalt, der Schmerzen
und der Brutalität...
[DISKUSSION
/ FORUM]
dg /
hagalil.com
29-03-2004 |