"Inoffizielles Zentralorgan
des deutschen Zionismus":
Wie Antiimperialisten die Welt erklären
Von Karl
Pfeifer
Gelegentlich
kaufe ich die Hamburger Monatszeitschrift "konkret". Manche Texte ärgern
mich, andere bereiten Freude. Was ich nicht gewusst habe, erfuhr ich aus
einer
langen Abhandlung von Wilhelm Langthaler (W.L.), "konkret", so der
Oberguru der Wiener "Antiimperialistischen Koordination" (AIK), sei das
"inoffizielle Zentralorgan des deutschen Zionismus".
W.L. polemisiert
gegen eine Buchbesprechung von Walter Baier, Vorsitzender der KPÖ, der ein
Buch von Wilhelm Langthaler und Werner Pirker in der Februar-Ausgabe von
"konkret" rezensierte. Um nichts in der Welt möchte ich den langatmigen
Erklärungen von W.L., dass er und Werner Pirker allein die reine
"revolutionäre" Lehre vertreten, widersprechen. Auch möchte ich mich nicht
in die internen Streitigkeiten der KPÖ einmischen. Wer die Lehren von Marx,
Lenin und Gramsci besser vertritt, kann ich wirklich nicht beurteilen, zumal
ja W.L. stolz bekennt eine "Binsenweisheit" zu vertreten, die "in jeder
marxistischen Grundschulung vermittelt wurde."
Wer durch solch
eine Schulung ging, dem öffnen sich die Augen, plötzlich weiß er/sie, dass
die Realität unwichtig wird, denn "worauf es ankömmt", ist nicht die Welt zu
verändern, sondern sie durch marxistische Grundschulung manichäisch zu
erklären. Zum Beispiel so:
"Wir insistieren darauf: die USA sind das Land der Welt (vielleicht mit
Ausnahme Israels), in dem die Hegemonie der imperialistischen Oligarchie am
erdrückendsten ist, das heißt die antikapitalistischen Kräfte am schwächsten
sind, das heißt das Massenbewusstsein am reaktionärsten ist."
Was W.L.
besonders an den USA empört ist, dass diese "demokratische Selbstbestimmung
als Terrorismus" denunziert. Freilich macht er aus seinem Herzen keine
Mördergrube, er ist kein Anhänger der abstrusen Theorien, wonach die CIA und
der Mossad die Angriffe am 11. September 2001 geplant und durchgeführt
hätten, nein "warum soll man es islamistischen Militanten nicht zutrauen in
einem asymmetrischen Verteidigungskrieg den Feind im Zentrum seiner Macht zu
treffen". Man muss es W.L. lassen, er überrascht uns, wenn er den
terroristischen Angriff gegen die Türme in New York und gegen das Pentagon
als "demokratische Selbstbestimmung" begreift. Dass er mit den
"islamistischen Militanten" sympathisiert ist klar, haben sie doch "den
Feind", also die paar tausend Angestellten, darunter Feuerwehrleute und
Putzfrauen, getötet. Ein echter österreichischer Antiimperialist kann sich
dafür nur begeistern.
Walter Baier
schrieb: "Was dem Leser auf 142 Seiten zugemutet wird, ist also ein
'Antiamerikanismus', der als abstrakte, inhaltslose Negation eines nicht
weniger abstrakten, geradezu metaphysischen 'Amerikanismus' offen auch noch
für die reaktionärste Interpretation bleibt. In diesem Sinne können sich
Langthaler und Pirker nicht einmal verkneifen, im 'irakischen Widerstand'
den jüngsten Ausdruck einer Tendenz zum 'globalen Gegenmodell des
Amerikanismus' zu erkennen." Dazu bemerkt W.L.: "Die neokonservative
Kamarilla hätte es nicht pointierter ausdrücken können."
Wenn Baier die
Auslassungen über das "auserwählte Volk" vergleicht, die der notorische
Rechtsextremist Friedrich Romig und die beiden Wiener Antiimperialisten von
sich gegeben haben, dann wird das von W.L. als "Antisemitismuskeule"
abgelehnt. Wilhelm Langthaler postuliert auch: "Der Zionismus wurde als
Instrument des britischen Imperialismus im Nahen Osten gegründet und von den
USA als nachfolgende Hegemonialmacht übernommen."
Theodor Herzl,
der die moderne zionistische Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts begründete
als Agent des britischen Imperialismus ist etwas, was bislang nicht einmal
die kühnsten postmodernistischen israelischen "neuen Historiker" behauptet
haben. Überraschend ist auch zu erfahren, dass der Zionismus (wahrscheinlich
meint er den Staat Israel) von den USA übernommen wurde. Denn 1948 erhielt
der junge jüdische Staat seine Waffen von der Tschechoslowakei und eine
feste diplomatische Unterstützung von der Sowjetunion und ihren Satelliten.
Im Suezkrieg war Israel ein Verbündeter von Großbritannien und Frankreich.
Aber wer, so wie Wilhelm Langthaler, sein Wisssen während einer
marxistischen Grundschulung vermittelt bekam, der sieht halt die Welt von
einer höheren Ebene, eben von der Höhe der Binsenweisheit, die nichts aber
gar nichts mit der Realität zu tun hat.
hagalil.com
29-02-2004 |