Öffentliche Distanzierung
von der "Judensau" in Cadolzburg:
Staatliche Sau-Skulptur erhält einen distanzierenden
Kommentar
Wolfram P.
Kastner und Günter Wangerin
Institut für Kunst und Forschung, München
Die größte
judenfeindliche Sauerei in Deutschland befindet sich seit Jahrhunderten in
Cadolzburg: ein Steinrelief, das Juden darstellt, die an den Zitzen einer
Sau saugen und den After küssen. Das Wort und die Skulptur (aus dem 15.
Jahrhundert) fanden und finden bei den Nazis Anklang. Über 25 derartiger
Schandbilder befinden sich noch immer an deutschen Kirchen – ohne einen
distanzierenden Kommentar wie in Wittenberg.
Mit einem weißen
Schriftzug vor dem Burgtor, Tafeln und Informationsblättern machten wir am
26. Juli 2003 um 11.00 Uhr auf den unverminderten Skandal aufmerksam und
forderten eine Tafel mit einer Erläuterung und einer unmissverständlichen
Distanzierung. Unterstützt wurde diese Forderung von einigen Jugendlichen
und Bürgern aus Nürnberg, Fürth und Cadolzburg.
Cadolzburger
Provinzgrößen wandten sich massiv dagegen: der Bürgermeister rief Polizei
und Feuerwehr und erklärte die öffentlichen Straßen zu seinem Privatbesitz,
ein Landtagsabgeordneter beschimpfte uns als "Arschlöcher" und erklärte,
dass eine Informationstafel dort nie angebracht werde; eine Kulturtante
nannte uns "Trittbrettfahrer" und der Gemeindegeschichtler
"Selbstdarsteller".
Nun aber
veranlasste Staatsminister Faltlhauser, "dass von der Schlösserverwaltung
sofort eine Informationstafel bei dem Relief angebracht wird."
Zunächst verwies
uns das Ministerium auf ein Museum, in welchem das menschenverachtende
Relief kommentiert würde. Ein solches Museum existiert aber nicht und ob es
jemals ein Burgenmuseum – weitab von dem niederträchtigen Schandbild – in
Cadolzburg geben wird, steht in den Sternen künftiger Wirtschafts- und
Haushaltssituationen. Im ersten – noch ablehnenden - Schreiben hatte sich
das zuständige Ministerium darauf berufen, dass auch die jüdischen Gemeinden
eine Kommentierung für unnötig hielten.
Aber das
Gegenteil ist wahr:
"Wir danken Ihnen dafür, dass Sie sich so verdienstvoll in einer
Angelegenheit engagieren, in der auch wir eindeutig Handlungsbedarf sehen.
Eine Kommentierung der antijudaistischen Skulpturen ist dringend notwendig,
und dieser Auffassung ist auch der Präsident des Landesverbandes ..." heißt
es in des Zentralrats der Juden in Deutschland an uns.
Wir haben das
Bischöfliche Ordinariat in Regensburg und das Staatliche Hochbauamt wegen
der Sauerei am Regensburger Dom angeschrieben und dazu aufgefordert, dort
eine Tafel mit Erläuterung und unmissverständlicher Distanzierung in deutsch
und englisch anzubringen.
Wir hoffen, dass
dieses Anliegen nun auch in Nürnberg, Bayreuth und Heilsbronn Erfolg haben
wird – nachdem die Bayerische Staatsregierung das Anliegen unterstützt.
In diesem Jahr
werden wir die zuständigen Stellen in Brandenburg, Magdeburg, Nordhausen und
Zerbst anregen, sich endlich angemessen von kirchlichen Wurzeln des
Antisemitismus und der Zeugnissen zu distanzieren.
Feuerwehr löscht das Wort "Judensau":
Die staatliche Sau-Skulptur bleibt ohne Kommentar
Orte, in denen sich
"Judensau"-Skulpturen befinden:
Aerschot/Belgien, Chorgestühl Notre Dame, 16.
Jhdt.
Bad Wimpfen Ritterstiftskirche St. Peter, 13. Jhdt.
Basel, Münster, 1432
Bayreuth, Stadtkirche
Brandenburg, Kathedrale, ca. 1230
Cadolzburg, äußeres Burgtor, 15. Jhdt.
Colmar, St. Martin Münster, 14. Jhdt.
Eberswalde, St. Maria Magdalena, spätes 13. Jhdt.
Erfurt, Chorgestühl, frühes 15. Jhdt.
Gniezno/Gnesen, Kathedrale, Mitte 14. Jhdt
Heiligenstadt, Annakapelle, ca. 1300
Heilsbronn, Klosterkirche, 15. Jhdt.
Köln, Dom, 14. Jhdt.
Lemgo, Marienkirche. 13. Jhdt.
Magdeburg, Kathedrale, Ende 13. Jhdt.
Metz. Kathedrale, 14. Jhdt
Nordhausen, 1380
Nürnberg, St. Sebald um 1320
Regensburg, Dom, Mitte 14. Jhdt.
Spalt bei Nürnberg, ehem. Chorherrenstift, 15. Jhdt.
Strasbourg
Uppsala, Kathedrale, Mitte 14. Jhdt.
Warburg
Wittenberg, Stadtkirche, 14. Jhdt.
Xanten, Kathedrale, ca. 1265
Zerbst, Nikolaikirche, 15. Jhdt.
Wiener Neustadt, 15. Jhdt. (ehemals an einem Privathaus am Hauptplatz 16,
heute im Stadtmuseum)
Nicht mehr vorhanden in:
Anhalt-Köthen, Dessau,
Diesdorf (bei Magdeburg),
Frankfurt/M,
Freising (bis 1921; zuletzt erwähnt)
Friedberg
Heidingsfeld
Kehlheim (bis 1. Hälfte 19. Jhdt. An einem Privathaus, auf
Anordnung des königlichen Landrichters demontiert,
1895 wieder an der Stadtapotheke, 1945 wahrscheinlich
"removed by order of an officer of
the US Army",
Salzburg,
Torgau
hagalil.com
07-01-2003
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