Verworrene Geschichten von Hilde Matouschek:
Israelkritik oder ungezügelte Ressentiments?
"Ihr säßet unter Dächern schließlich jetzt
Hättet ihr auf das Messer nicht gesetzt"
Bert Brecht
Von Karl Pfeifer
Seitdem Fritz Edlinger, damals Bundesvorsitzender der
SPÖ-Unterorganisation Junge Generation (JG), 1982 einen Brief an die
jüdische Gemeinde Wien sandte, in dem er seinen antisemitischen
Ressentiments freien Lauf ließ, hat Edlinger Karriere gemacht, er ist
gleichzeitig Generalsekretär der Österreichische-Arabischen Gesellschaft und
Vertreter der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) im Nahostkomitee
der Sozialistischen Internationale.
Fritz Edlinger ist auch Herausgeber der periodischen
Zeitschrift "International". In der Nr.6/2003 fand ich unter dem Titel "Die
Berggasse: Verworrene Geschichten vom Exil" eine verworrene Geschichte von
Hilde Matouschek, in der einige der Lieblingsthemen linker "Antizionisten"
zu finden sind.
Zum Beispiel werden österreichische Juden, die keinen
Krieg gegen Österreich geführt haben und die – wären sie in Österreich
geblieben – der Tod erwartet hätte, wie so oft zuvor Palästinensern
gegenübergestellt, die unmittelbar während Kriegshandlungen, die von Arabern
ausgelöst wurden, die Flucht ergriffen oder vertrieben worden sind.
Auch Matouschek bemüht die Opfer-Täter-Umkehr, wenn sie
behauptet: "Die Kinder jener, die von den Nazis aus Österreich vertrieben
und ermordet wurden, sind im Nahen Osten selbst zu Tätern und Vertreibern
geworden." Wenn sie dann meint, "das Feststellen dieser Tatsache (wird) nur
allzu oft mit Antisemitismus gleichgesetzt und damit jegliche Kritik an der
Politik des Staates Israel im Keim erstickt", kann man nur noch fragen, wo
denn diese Dame lebt, denn es gibt kein anderes Land in der Welt, das von
österreichischen Medien so häufig und sehr oft unsachlich und ungerecht
kritisiert wird, wie Israel. Sicher kein Zufall, denn in Österreich lieben
es - und hier verwende ich die Wortwahl der Autorin – die Nachkommen der
Täter, bewusst oder unbewusst ihre Vorfahren mit solcher Opfer-Täter-Umkehr
zu entschulden. Matouschek kritisiert keineswegs den jüdischen Staat oder
dessen Politik, sie bringt ihre Ressentiments zu Papier, u.a. auch indem sie
den geschichtlichen Hintergrund und die Tatsachen der Geschichte vollkommen
außer acht lässt.
Es ist ja schon eine Verfälschung der Tatsachen, wenn man
die Stirn hat, die Vertreibung der Juden allein den Nazi in die Schuhe zu
schieben. Hier ging dem Massenmord eine beispiellose Ausplünderung vor, und
an der beteiligten sich nicht nur Nazi.
Matouschek betont, dass reiche Juden bzw. Juden mit
Verbindungen Österreich verlassen konnten, während die Armen hier blieben.
Diese Behauptung stimmt so nicht, denn bevor Juden das Land verlassen
konnten, wurden sie gründlich ausgeraubt. Nur den wenigsten gelang es einen
kleinen Teil ihres Vermögens zu retten. Matouschek stellt Siegmund Freud –
der Wien "verließ" einem Palästinenser gegenüber, dessen Familie "1967 nach
der israelischen Besetzung der Westbank, des Gazastreifens und Ostjerusalems
heimatlos wurde". Wieso seine Familie, die aus Nablus stammt "heimatlos"
wurde, erklärt uns die Autorin leider nicht.
Hier also ein wenig Nachhilfeunterricht: 1964 wurde die
PLO gegründet mit der Absicht "das zionistische Gebilde" zu liquidieren. Es
kam zu Sabotageakten von Palästinensern (drei Jahre bevor Israel die
Westbank und den Gazastreifen besetzte!). Diese Terroristen wurden in Syrien
ausgebildet, aber aus Jordanien nach Israel geschickt. Die Syrer selbst
schossen von den Golanhöhen im Frühjahr 1967 auf israelische Landwirte, die
ihre Felder östlich des See Genezareth bebauten. Am 7. April schossen
israelische Flugzeuge sechs syrische MIG 21 Flugzeuge ab. Die Spannung wuchs
und in dieser Lage verbreiteten die Sowjets falsche Nachrichten über
israelische Truppenkonzentrationen an der Grenze zu Syrien.
Ministerpräsident Eschkol lud den sowjetischen Botschafter ein, die Grenze
zu besichtigen, doch dieser lehnte ab.
Am 1. Mai hielt der syrische Ministerpräsident Zuayen eine
Ansprache und sagte, "durch solch einen Krieg können die Araber die
Zionisten aus Palästina vertreiben. Wir sollten den algerischen
Befreiungskrieg als ein Beispiel nehmen."
Zwischen dem 16. und 18. Mai forderten die Ägypter den
Abzug der UNO-Friedenstruppen aus der Pufferzone Sinai. Der Generalsekretär
der UNO U-Thant gab dem statt und schon am 20. und 21. Mai verließen die
UNO-Friedenstruppen den Sinai. Am 21. Mai verordnete Nasser die Mobilmachung
und noch am 22. Mai erklärte Ägypten die Sperrung der Meerenge von Tiran,
d.h. den Zugang zum israelischen Hafen Eilat, obwohl von Israel gewarnt,
dass sie dies als ein casus belli sehen würden. Am 26. Mai hielt Nasser eine
Rede vor Funktionären arabischer Gewerkschaften und erklärte, dass die
Sperre der Meerenge Teil eines Kriegsplanes wäre, dessen Ziel "die
Befreiung" Palästinas sei. "Wenn Israel den Krieg will, dann wird es
vernichtet werden", erklärte der ägyptische Diktator während dieser Rede.
Am 3. Juni wurden auf dem Luftweg zwei ägyptische
Kommandoregimenter nach Jordanien transportiert und am 4. Juni war eine
irakische Panzer-Brigade in Jordanien auf dem Weg in die Westbank.
Am 23. Mai proklamierte Radio Damaskus: "Arabische Massen,
das ist Euer Tag. Eilt auf die Schlachtfelder. Die Zeit ist gekommen, um zu
kämpfen. Araber kämpft! Lasst sie wissen, dass wir den letzten
imperialistischen Soldaten mit den Därmen des letzten Zionisten aufhängen
werden." Ahmad Sa’id, Direktor der aus Kairo sendenden "Arabischen Stimme"
erklärte am 18. Mai: "Die zionistische Baracke in Palästina steht vor dem
Zusammenbruch und wird vernichtet. Was Israel betrifft, was können die
Araber vorbereiten? Jeder von den hundert Millionen Arabern lebte während
der letzten 19 Jahre nur mit einer Hoffnung – zu leben, um den Tag zu sehen
an dem Israel liquidiert wird. Es gibt kein Leben, keinen Frieden, keine
Hoffnung für die Banden der Zionisten im eroberten Land zu bleiben."
Am nächsten Tag sagte er nachdrücklich: "Araber, Es ist
unsere Chance einen Schlag des Todes und der Vernichtung gegen Israel und
seine Anwesenheit im Heiligen Land zu führen. Es ist das ein Krieg auf den
wir warten und in dem wir triumphieren werden. Allah Akbar!"
Der irakische Ministerpräsident sprach vom "Treffen mit
unseren arabischen Brüdern in Tel Aviv". Und Ahmed Schukeiri, der Vorgänger
Arafats erklärte: "Unter den Juden wird es praktisch keine Überlebende
geben." Wall Street Journal publizierte am 2. Juni ein Interview mit diesem
Chef der PLO, der erklärte: "Wir machen weiter mit Guerilla Angriffen in
Palästina. Wir erwarten, dass unsere Aktionen zu Reaktionen von Israel
führen – zu einer Kettenreaktion. Das wird definitiv zum Krieg führen; wir
wissen das, wir akzeptieren das."
Die Jordanier, die bis zum Juni 1967 die Westbank
besetzten, erhielten durch General Bull, Chef der UNO-Beobachter in der Früh
des 5. Juni 1967 kurz nach dem israelische Flugzeuge Angriffe gegen Ziele in
Ägypten flogen, die Mitteilung der Israelis, die ihnen für den Fall, dass
sie sich nicht am bewaffneten Konflikt beteiligen zusagten, dass Israel
nichts gegen Jordanien unternehmen werde. König Hussein erfuhr davon erst um
11 Uhr, als jordanische Kampfflugzeuge bereits auf dem Weg zu israelischen
Zielen waren. Um 11.45 eröffnete die in Ostjerusalem stationierte
jordanische Artillerie das Feuer auf das jüdische Westjerusalem. Trotzdem
sandte die israelische Regierung einen letzten Aufruf an die Jordanier das
Feuer sofort einzustellen. Doch um 13.30 Uhr am 5. Juni 1967 besetzte
jordanische Infanterie das Hauptquartier der UNO in Jerusalem, das sich in
einer Pufferzone befand.
Hätten also die Jordanier nicht Israel angegriffen, so
wäre die Westbank weiterhin unter jordanischer Besetzung und Mustafa Hadi,
könnte nicht für seine Flucht, Vertreibung oder Einwanderung nach Österreich
den Staat Israel verantwortlich machen.
Mustafa Hadi besitzt ein Haus in der Wiener Berggasse, in
dem einst Theodor Herzl den "Judenstaat" verfasste. Als er sein Lokal, die
Pizzeria "Valentino" eröffnete, wusste er dies nicht. Erst als einige Jahre
später eine Gruppe orthodoxer Juden vor dem Haus stand, erfuhr er davon.
"Anfangs dachte ich, die wollen mich auch von hier vertreiben" kommentiert
Hadi rückblickend dieses Ereignis. Und Matouschek bringt dies bedenkenlos zu
Papier. Wir wissen von palästinensischen Terroristen, die in Wien Juden und
Nichtjuden ermordet und verletzt haben, aber wir wissen nichts von
orthodoxen oder anderen Juden, die in Österreich Palästinenser angegriffen
hätten. Hier wird wieder einmal Täter-Opfer-Umkehr geübt. Gerade diese Tage
hat der französische Oberrabbiner Sitruk, den religiösen Juden geraten,
nicht mit der Kippa auf die Straße zu gehen, denn die Angriffe moslemischer
Jugendlichen gegen Juden, die als solche zu erkennen sind, häufen sich. Doch
wenn es gegen Juden geht, dann wird jedes Ressentiment unkommentiert
transportiert.
Und im Land, in dem ein sozialistischer Innenminister eine
Entschädigung der jüdischen Opfer erfolgreich verhindert hat und diese bis
heute nur zu einem winzig kleinen Teil geleistet wurde, lässt Matouschek
Hadi folgendes sagen: "Warum spricht niemand von uns? Warum gibt es so
unterschiedliche Kategorien von Vertriebenen? Solche die eine
Wiedergutmachung erhalten und andere, deren Land ohne Entschädigung
konfisziert wird? Warum kann ich nicht in mein Geburtshaus nach Nablus
zurückkehren?" Diese Argumentation haben wir bislang lediglich von
Revanchisten und Rechtsextremisten gehört.
Damit werden also die Opfer der deutsch-österreichischen
Volksgemeinschaft, die um ihr Leben fürchten mussten mit den Palästinensern
verglichen, deren Führer erklärten, sie wollen die Juden Israels vernichten
und die einen provozierten Krieg verloren haben.
"Millionen PalästinenserInnen leben unter der
Armutsgrenze, Israel hat in den vergangenen Jahren das palästinensische
Wirtschaftssystem völlig zerstört" stellt die Autorin in den Raum, ohne
natürlich zu erwähnen, was seit dem Herbst 2000 auf beiden Seiten geschehen
ist. Dann beachten sie bitte Hadi’s Reihenfolge, wenn er die Frage ob er
eine Chance für den Frieden sieht, beantwortet mit "Nicht, solange Scharon
an der Macht ist, und mit ihm Bush in den USA, der diese legitimiert."
Immerhin wurde Sharon vom israelischen Volk demokratisch
gewählt und er braucht nicht von Bush legitimiert zu werden. Und weil
Mustafa Hadi, seines Zeichens als Vorsitzender der Palästinensischen
Gemeinde in Österreich sich für die "Freiheit Palästinas" einsetzt, hat er
ja schon vor der Al Aksa Demonstration in Wien am 28.9. eine Erklärung
unterschrieben, in der u.a. postuliert wird: "Wir setzen uns für den
internationalen Kampf für ein Ende der kolonialen Besetzung von Palästina
ein und verlangen die Demontage aller israelischen Siedlungen und die
sofortige Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge." Welche koloniale
Besetzung sie meinen, wird aus früheren Forderungen nach einem arabischen
Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer klar.
"Nationalsozialisten oder Palästinenser"
Apropos Sharon und Bush. Die Palästinensische Gemeinde
Wien hat eine Karikatur veröffentlicht, die Sharon als großen Affen zeigt,
der einen kleinen Affen, nämlich Bush im Schoß hält. Die deutsche
Neonaziwebsite Heimatschutz hat diese Karikatur freudig übernommen, mit
folgendem Text: "Echt affig: Bush und Scharon
Die palästinensische Gemeinde Österreichs veröffentlicht ein Bild, das wir
unseren Lesern natürlich nicht vorenthalten wollen:
Natürlich distanzieren wir uns von jeglicher Darstellung anderer Menschen
als Untermenschen oder Tiere. Aber wenn es für die Systempropaganda recht
und billig ist, deutsche Nationalisten als Ratten oder Kröten darzustellen,
wer wollte da Nationalsozialisten oder Palästinensern übelnehmen, wenn sie
Israeliten als Untermenschen oder Affen darstellen?"
Soweit die Neonazis, die anscheinend mit der
Palästinensischen Gemeinde den Glauben an die jüdische Weltverschwörung
teilen. Mit Linken wieder findet die Palästinensische Gemeinde über den
Antiamerikanismus eine gemeinsame Plattform. Matouschek gegenüber erklärt
Mustafa Hadi, dass Sharon die Legitimierung von Bush braucht, das heißt,
dass die USA das Sagen haben. Auf die Website seiner Organisation lässt er
aber eine Karikatur setzen, die Bush als kleinen Affen zeigt, der von Sharon
abhängt. Ein scheinbarer Widerspruch. Doch in Wirklichkeit signalisiert die
Palästinensische Gemeinde, dass sie sowohl nach links als auch nach rechts
offen ist.
hagalil.com
02-12-2003 |