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Diskurs über Antisemitismus:
Das Wunder von Neuhof

Von Felix Klopotek
Jungle World, 12.11.2003

Jemand geht in eine Kneipe, bestellt sich ein Bier und setzt sich in Ruhe hin. Plötzlich kommt ein Schlägertyp vom Nebentisch, baut sich bedrohlich auf und beschimpft den anderen. Dann dreht sich der Schlägertyp um, geht zu seinen Kumpels zurück und sagt: "Habt ihr gesehen? Ich habe nicht zugeschlagen, ich habe mich im Griff." Seine Kumpels applaudieren, und alles ist wieder beim Alten.

Was das ist? Der deutsche Diskurs über Antisemitismus. Man erinnere sich: Die Pointe der Friedman-Affäre war, dass sich hinterher die Protagonisten der deutschen Öffentlichkeit gegenseitig auf die Schulter klopften, weil die Debatte nicht antisemitisch verlaufen sei. Ähnliches wird sich in dem Skandal um die Rede Martin Hohmanns abspielen. In ein paar Wochen wird man das zügige Eingreifen der Öffentlichkeit und das Engagement der Politiker als Beweis für die politische Reife der Deutschen bewerten.

Die erschreckte Feststellung, dass der Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei (als wäre er da nicht schon immer gewesen), wird bald vergessen sein und die Fahndung nach CDU-Politikern, die sich fremdenfeindlich oder intolerant geäußert haben (als wäre das nicht ihr Job und als entspräche es nicht der Erwartung ihrer Klientel), wird bald vorüber sein. Die Debatte kommt ein weiteres Mal einer rituellen Reinigung gleich. Business as usual!

Business as usual? Die Grundstruktur des deutschen Diskurses über den Antisemitismus lautet schlicht: Wer Antisemit ist, bestimmt der Souverän, der Staat samt seinen ideologischen Apparaten. Wer die Antisemiten bestimmen kann, kann auch definieren, was heute Antisemitismus ist, und noch ein Stück weiter gedacht: Ihm obliegt die Sortierung seiner Bürger in schädlich und nützlich.

Abgesehen davon, dass in dieser Logik der Jude stets der Schutzjude bleibt, führt das in Hohmanns Fall dazu, dass keiner auf den ersten Teil seiner Rede eingeht. Dabei ist es gerade dieser erste Teil, der Hohmanns Ausschweifungen zur jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung motiviert. Seine Hetze gegen Sozialhilfeempfänger, die er Schmarotzer nennt, und gegen Politiker, die deutsches Vermögen ans Ausland und an Zwangsarbeiter verschwenden; sein Plädoyer für die Volksgemeinschaft. "Das Wir-Denken, die Gemeinschaftsbezogenheit, müssen aber zweifellos gestärkt werden", sagte Hohmann.

Alle Kommentare beziehen sich auf das Wort "Tätervolk". Denn es geht heute nicht mehr um Hohmanns entlastenden Befund, dass die Juden Bolschewisten seien und gemordet hätten, sondern um die authentische, ehrliche Trauer, die "deutsche Versöhnung mit sich selbst", wie Angela Merkel es nennt. Die Deutschen waren auch Opfer! Der Bombenkrieg! Die Vertreibung! Die Vergewaltigungen!

Hohmann macht für das Schmarotzertum die Verweichlichung der Volksgemeinschaft durch ihre selbstquälerische Haltung zur nationalsozialistischen Vergangenheit verantwortlich. Und schon ist er mittendrin im aktuellen deutschen Geschichtsdiskurs. Aber er zieht daraus die nach Maßgabe der Staatsräson falschen Schlüsse. Er erniedrigt die Juden zu Tätern, anstatt die Deutschen trotz aller Schuld zu Opfern zu erheben. Sein Fehler ist so gering, dass das Geschrei über ihn so groß sein muss.

Die Abweichung wird zur differentia specifica umgelogen. Doch das "Wunder von Bern" hat mit der "Rede von Neuhof" mehr zu tun, als die Zivilgesellschaftler glauben machen wollen.

hagalil.com 16-11-2003

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