Hohmann erwarten neue Aufgaben:
Von der Zwangsarbeiter-entschädigung zur
Reaktorsicherheit
Pressetext CDU/CSU - Bundestagsfraktion
03-11-2003
ots Berlin - Der erste parlamentarische
Geschäftsführer der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Volker Kauder MdB, erklärt:
Der Abgeordnete Martin Hohmann MdB wird in Zukunft nicht mehr im
Innenausschuss des Deutschen Bundestages tätig sein. Damit ist Herr Hohmann
auch von der Berichterstattung für das Zwangsarbeiterentschädigungsgesetz
entbunden.
MdB Martin Hohmann wird künftig im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit mitarbeiten. In den Innenausschuss folgt für ihn die
hessische Abgeordnete Kristina Köhler MdB nach.
Hohmann-Affäre entspringt der Tradition von CDU/CSU:
Den rechten Rand bedient
Die Hohmann-Affäre entspringt der Tradition von CDU/CSU, rechtsaußen im
trüben zu fischen
Ulla Jelpke
Für den Deutschen Bundestag wird häufig die Metapher vom
»Haifischbecken« gebraucht. Daran mag etwas Wahres sein. Am Wochenende
zeigte sich aber, daß in der Politik auch die Spezies »Krokodil« weit
verbreitet ist. Jedenfalls weinten die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und
zahlreiche andere Mitglieder der Union öffentliche Krokodilstränen über den
CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann aus Fulda. Der Major der Reserve
und frühere Kriminaloberrat im Bundeskriminalamt hat mit einer Rede zum 3.
Oktober 2003 allgemeine Empörung ausgelöst, in der er eine »jüdische
Mitwirkung« an den angeblichen Verbrechen der russischen Oktoberrevolution
behauptet und die Frage nach den Juden als »Tätervolk« aufgeworfen hatte.
Damit drohte für die Union die Gefahr, in eine ähnliche
Antisemitismus-Debatte zu geraten wie die FDP im Frühjahr und Sommer 2002
nach Jürgen Möllemanns Attacken auf Michel Friedman. Dies wollte die
CDU-Führung offenkundig nicht riskieren und distanzierte sich eiligst von
ihrem Innenpolitiker Hohmann.
Sicher wäre es falsch, der Union insgesamt Antisemitismus zu unterstellen.
Aber die Distanzierungen von Hohmann wären glaubwürdiger, wenn es nicht eine
lange Tradition in der CDU und vor allem in der CSU gäbe, am rechten
politischen Rand im trüben zu fischen. Und Martin Hohmann war dabei bisher
für die Union ein willkommener Helfer.
Entgegen der gängigen These, wonach Wahlen in der »Mitte« gewonnen werden,
achtete die CDU/ CSU stets sorgfältig und wohl kalkuliert darauf, auch den
faschistoiden rechten Rand der Gesellschaft zu bedienen. In der
Restaurationsphase der Adenauer-Ära wurden bewußt Altnazis wie der
Kommentator der rassistischen und antisemitischen Nürnberger Gesetze, Hans
Globke, in die damalige Bundesregierung aufgenommen. Der politische Arm der
revanchistischen Vertriebenenverbände, die Deutsche Partei sowie der BHE
(Bund der Heimatlosen und Entrechteten), später fusioniert zur
Gesamtdeutschen Partei, wurde in die Union integriert. Franz Josef Strauß,
in der Spiegel-Affäre wegen Belügen des Parlaments gestürzter
Verteidigungsminister, später in die Große Koalition von CDU/CSU und SPD als
Finanzminister wieder aufgenommen, erhob den Nationalismus zur politischen
Doktrin der CSU. Er postulierte, daß es rechts neben der CSU keine
nennenswerte politische Kraft geben dürfe, das heißt, Neofaschismus wurde
durch Übernahme nationalistischer und rassistischer Positionen »bekämpft«,
indem diesem Spektrum eine Heimat in der CSU geboten wurde.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Bundestagswahlkampf 2002 gab
sich Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber zwar etwa in der Sozialpolitik
moderat, die Rolle des Hardliners übernahm aber für ihn Bayerns
Innenminister Günther Beckstein. Dieser sorgte mit einer rigiden
Ausländerpolitik und mit dem Ruf nach Law and Order für die gewünschten
Stimmen von rechts.
Diese Arbeitsteilung war aber nie nur ein Merkmal der CSU, sondern auch der
CDU. So brachte es ein stramm Nationalkonservativer wie Alfred Dregger,
erbitterter Gegner der sozialliberalen Entspannungspolitik, zum langjährigen
Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sein Nachfolger im Wahlkreis
Fulda, dort 1998 direkt gewählt mit 49,5 Prozent, wurde just Martin Hohmann,
der sich in der Folgezeit als typischer Vertreter eines
militant-konservativen Katholizismus der Prägung des berühmt-berüchtigten
Fuldaer Erzbischofs Johannes Dyba profilierte.
Martin Hohmann, im persönlichen Umgang höflich und zurückhaltend, machte aus
seinen reaktionären politischen Ansichten nie ein Hehl. Unter Berufung auf
die Bibel forderte er, Homosexuellen keine »falsche, feige Toleranz und
Akzeptanz« entgegenzubringen. Das Gesetz über homosexuelle
Lebenspartnerschaften löste bei ihm »Empörung und Entsetzen« aus. Die
CDU-Kampagne gegen die doppelte Staatsangehörigkeit, die Roland Koch einen
Wahlsieg in Hessen und das Amt des Ministerpräsidenten einbrachte,
unterstützte Hohmann aktiv. Als Mitglied des Innenausschusses des Bundestags
kritisierte er das – aus seiner Sicht – »totalitäre Gutmenschentum«. Als
eines seiner politischen Hauptziele bezeichnet der 55jährige den Kampf gegen
die multikulturelle Gesellschaft. Interviews gab und gibt er gerne der
Jungen Freiheit, die vom Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen als
rechtsextremistische Publikation beobachtet wird. In dieser Wochenschrift
nannte er die Berliner Großdemonstration gegen rechts Ende 2000
»beschissen«, weil an dieser Demo auch die PDS beteiligt war.
Selbstverständlich war und ist Hohmann ein entschiedener Gegner der
Wehrmachtsausstellung von Jan Philipp Reemtsma.
All dies konnte der CDU-Führung und Angela Merkel nicht unbekannt sein.
Dennoch betraute die Union Martin Hohmann mit dem Thema
»Zwangsarbeiterentschädigung«, wohl wissend, daß Hohmann der Meinung war,
die Deutschen hätten schon genug für die Naziverbrechen bezahlt, umgekehrt
aber seien etwa deutsche Kriegsgefangene nicht hinreichend entschädigt
worden. So saß bei den internationalen Verhandlungen in den Jahren 1999 und
2000, als endlich – skandalös spät! – über symbolische finanzielle
Leistungen an die Opfer der Zwangsarbeit gesprochen wurde – für die CDU/CSU
ausgerechnet Martin Hohmann mit am Tisch. Nicht genug damit, durfte er für
die Union auch noch im Bundestag bei der Verabschiedung des
Stiftungsgesetzes (das die Zwangsarbeiterentschädigung regelt) das Wort
ergreifen.
Die internationale Aufmerksamkeit, welche diese historische Debatte auf sich
zog, nutzte Hohmann dazu, um im Bundestag die Frage zu stellen, welche Höhe
denn nunmehr die deutschen Entschädigungsleistungen schon erreicht hätten
und ob nicht daher die – ohnehin geringen – Zahlungen an ehemalige
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter als »übertrieben« anzusehen seien.
Als einer der wenigen Abgeordneten stimmte Hohmann gegen das
Stiftungsgesetz. Gleichwohl entsandte ihn die CDU/CSU als stellvertretendes
Mitglied in das Kuratorium der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung,
Zukunft«, die die Auszahlung der Gelder kontrolliert. Die politische Absicht
ist leicht durchschaubar. Die Union ließ in einer Frage wie der
Zwangsarbeiterentschädigung eben auch jemandem wie Hohmann Raum, sich zu
artikulieren, um rechte Wähler zu bedienen.
Nach alledem sind Hohmanns jüngste Entgleisungen keineswegs ein Blitz aus
heiterem Himmel. Sie passen in das »Schlußstrich-Denken« des Abgeordneten,
der selbst formuliert: »Viele unserer Wähler stehen – wie ich selbst – eben
rechten Werten näher als linken.« Eben das weiß auch die Unionsführung, und
sie hat es jahrelang für sich genutzt. Denn Hohmann wurde von seiner Partei
2002 in Fulda wieder als Direktkandidat für den Bundestag nominiert, und
sein strikt rechter Kurs kam offenbar in der Bevölkerung gut an. Mit 54
Prozent wurde er wiedergewählt. Es ist nicht bekannt, daß dies der
CDU-Führung peinlich gewesen wäre. Erst jetzt ist anscheinend für Angela
Merkel das Maß voll. Zu spät: Längst ist die Affäre nicht mehr allein ein
Skandal Hohmann, sondern genauso auch ein CDU-Skandal.
3.11.03 / Junge Welt
hagalil.com
03-11-2003 |