Konservativ-rechtsextreme Kreise:
Deutsche Christen vor ihrer Auferstehung?Von
Matthias Fischer
In ihrem Kampf um die kulturelle Lufthoheit in
Deutschland scheint den extremen Rechten im wiedervereinigten Deutschland
kein Mittel zuwider. So ist es denn auch nicht weiter verwunderlich, dass
sie den Begriff des Christentums in ihre Machenschaften mit hineinziehen und
mit dem Begriff eines deutschen Nationalismus verbinden. Stehen die
berüchtigten "Deutschen Christen" kurz vor ihrer Auferstehung, welche
weiland dem Führer aller Deutschen, Adolf Hitler, huldigten, Christentum und
Nationalsozialismus für vereinbar hielten, und die öffentliche Demütigung,
Vertreibung und Deportation von Juden und anderen Minderheiten vielerorts
als die "von Gott gegebene Strafe" hinnahmen?
So
fanden sich denn, wie Andreas Schneider auf der Webseite des
Christlich-Konservativen Deutschland-Forums (CKDF) zur Geschichte dieser
Vereinigung vermerkt, bereits im Herbst 1992, also zwei Jahre nach der
Wiedervereinigung, "konservative Mitglieder und Abgeordnete der CDU
zusammen, in der Absicht, dem rechten Flügel der Union wieder eine
Organisationsform und Stimme und den konservativen Unionsvereinigungen einen
Dachverband zu geben." Die Idee scheint in der sich als mitte-links
verstehenden CDU-Führung ebenso wie in breiten Teilen der Basis nicht auf
allzu große Gegenliebe gestoßen zu sein, denn, so führt Schneider weiter
aus: "Dass dies von der Parteiführung, geschweige denn vom organisierten
linken und liberalen Flügel der CDU nicht gerne gesehen wurde, begriff man
schnell, als in Bonn und Umgebung keine Räumlichkeit von der CDU zu bekommen
war. So musste man am 5. Dezember 1992 mit der Gründung des
"Christlich-Konservativen Deutschland-Forum" (CKDF) auf ein Bonner
Rheinschiff ausweichen."
Zu ihren Bundessprechern wählten die 192
Gründungsmitglieder, darunter elf Bundestags- und mehrere
Landtagsabgeordnete, Claus Jäger – CDU-MdB aus Göppingen, Rudolf Karl Krause
– Bundestagsabgeordneter der CDU aus Sachsen-Anhalt, und Wolfgang Nowak –
sächsischer CDU-Landtagsabgeordneter. Einer von ihnen, Rudolf Karl Krause,
schied bereits wenige Monate später, im Mai 1993, aus dem
CKDF-Bundesvorstand aus und schloss sich den Republikanern an. Mag sein,
dass ihm das CKDF als ein Verein von Langweilern erschien, mit dem die
rechte Revolution so schnell nicht durchzuführen war, jedenfalls distanziert
sich die Webseite des CKDF in keiner Weise von dem Gründungsmitglied, noch
liefert sie Gründe, welche Ursachen oder Überwerfungen zu der Trennung
führten.
Auskunft erteilt die CKDF-Webseite hingegen darüber, dass
die verbliebenen Mitglieder sich anschließend an den "zügigen Aufbau einer
konservativen und nationalliberalen Sammlungsbewegung innerhalb der
Unionsparteien in Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesforen" machten. "Schon
kurze Zeit später existierten sechs Landesforen in Sachsen/Niederschlesien,
Schleswig-Holstein/Hamburg, Baden-Württemberg, Niedersachsen/Bremen,
Nordrhein-Westfalen und Hessen. Für die Bundesländer Berlin, Bayern und
Thüringen war die Gründung von Landesforen in Vorbereitung. Die Rekrutierung
von Interessenten lief über monatliche Kleinanzeigen in der "Jungen
Freiheit". Mitglied des CKDF konnte jedes CDU- oder CSU-Mitglied [...]
werden, das sich zu den Grundsätzen des Deutschland-Forums bekennt."
Somit sollten Zweifel an der Nähe des CKDF zu weit rechts
stehenden bis rechtsextremen Vereinigungen ausgeräumt sein.
Zwar
repräsentiert das CKDF nicht den Mainstream deutsche Christdemokratie, doch
sollte man sich ebenso wenig der Illusion hingeben, dass es ausschließlich
das Geschöpf einer Handvoll sektiererischer Sonderlinge am rechten Rand der
CDU/CSU war. Die nachfolgende Auflistung liest sich wie ein Auszug aus den
CDU-Abgeordnetenlisten: Volker Schimpff – Abgeordneter im Landtag zu
Dresden; Wolfgang Nowak – ebenfalls Mitglied des sächsischen Landtags sowie
Mitglied der Programmkommission der sächsischen CDU; Julia Schätzle –
Vorsitzende des Christdemokraten für das Leben e.V. in Baden- Württemberg;
Josef Weber und Roland Rösler – beide engagiert im Petersberger Kreis der
hessischen CDU, Rösler gleichzeitig Landesvorsitzender des hessischen
Christdemokraten für das Leben e.V. Auch Heinrich Lummer, MdB der Berliner
CDU, identifizierte sich mindestens zeitweilig mit den Zielen und Methoden
der CKDF: Am 6. Februar 1993 noch als "prominenter Gast" bei der Gründung
des sächsischen Landesforums zugegen, wurde er später zum stellvertretenden
Bundessprecher des CKDF.
Die Verästelungen ins (wo nicht quietistische) politisch
vorwiegend konservative pietistische und ins rechtskatholische Milieu werden
an den bereits erwähnten Verbindungen verschiedener CKDF-Landessprecher zum
Verein der Christdemokraten für das Leben e.V. (CDL) sowie am Engagement des
Hessen Roland Rösler in der Paneuropa-Union deutlich, als deren
internationaler Vorsitzender das Mitglied des Europäischen Parlaments Otto
von Habsburg firmiert. Politischen Beistand gewährte dem CKDF auch der
ehemalige baden-württembergische Landtagsabgeordnete Franz Longin, seines
Zeichens Sprecher der Südmährischen Landsmannschaft und Mitglied der
Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
Verbindungen
ins extreme rechte Spektrum treten in eklatanter Weise an Persönlichkeiten
wie dem baden-württembergischen Landessprecher Roland Bubik zu Tage, einem
ehemaligen Redakteur der Jungen Freiheit. Die Tatsache wird von der
CKDF-Homepage distanzlos und politisch neutral wiedergegeben, so dass man
davon ausgehen muss, dass die Ideen des Rechtsblattes Junge Freiheit jenen
des Christlich-Konservativen Deutschland-Forums zumindest nicht diametral
zuwiderlaufen.
Und so suchte man Anfang 1994, vermutlich angespornt durch
die in kurzen Abständen gefolgte Gründung von Landesforen in
Nordrhein-Westfalen, Berlin-Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen, den
Kontakt zum CDU-Generalsekretär Peter Hintze. Das höhere CDU-Establishment
schien der Initiative gegenüber anfänglich zu taktieren, und so sagte Hintze
"bei einem Treffen mit der Bundesspitze des CKDF auch zu [...], die Gruppe
wohlwollend zu beobachten" (Andreas Schneider). Wohl "unter dem Eindruck des
Wahlergebnisses der Republikaner in Baden-Württemberg und anhaltenden
Mitgliederverlusten der CDU" noch weiter beflügelt, erlangt die CKDF-Führung
ein zweites Gespräch mit CDU-Generalsekretär Hintze und stellte die
Forderung (sic!) auf, in der CDU als Vereinigung anerkannt zu werden. Hintze
stimmt unter Bedingungen zu, lässt jedoch wenige Wochen später durch seinen
Justitiar mitteilen, dass eine Anerkennung nicht in Frage käme.
Von nun an beginnt der (Selbst-?) Auflösungsprozess des
CKDF, jedenfalls kommt es im Frühjahr 1998 in Nordrhein-Westfalen zum Bruch
mit der CDU, als diese ein deutsch-türkisches Forum als CDU-Vereinigung
anerkennt, das rechtskonservative und "nationalliberale" CKDF hingegen
weiterhin ignoriert und auch ansonsten nur mangelhaft auf die deutsches
Ehrgefühl verletzende Anti-Wehrmachtsaustellung reagiert. Es kommt zu
massenhaften Übertritten von CKDF-Mitgliedern zum Bund Freier Bürger (BFB)
und der CKDF-Bundessprecherrat beschließt die Einstellung seiner Arbeit.
Ende gut, alles gut, könnte man denken. – Aber weshalb
gleich so optimistisch?
Bereits im November 1998 treffen sich die noch aktiven
Landesforen in Kassel und beschließen die Arbeit des Bundesforums als
Länderrat fortzuführen. Das zerbrochene NRW-Landesforum wird zu diesem Zweck
reanimiert, Parteilosen wird der Zugang ermöglicht. Zum kommissarischen
Vorsitzenden wird der ehemaligen Superintendent Dr. theol. Ulrich Woronowicz
("Sozialismus als Heilslehre", "Der Islam und das Werte zertrümmernde
Abendland") aus Berlin gewählt. Als ehemaliger Superintendent, salopp
ausgedrückt eine Art "Regionalbischof" in der Evangelischen Kirche der
Union, steht der Name Woronowicz für Mitglieder der Kirche, deren Rolle
nicht ganz marginal sein kann, als Amtsträger a.D. spricht er allerdings
auch nicht offiziell für die Kirche. Von einer gewissen Verbreitung
rechtskonservativen bis extrem rechtskonservativen Gedankenguts darf
angesichts seiner Rolle in der CKDF allerdings ausgegangen werden.
Aus den engeren Kontakten des hessischen Landesforums zur
hessischen CDU ergibt sich eine Namensänderung in "Arbeitskreis
Konservativer Christen", die CKDF-Homepage behauptet: "um die
organisatorische Verbindung deutlich zu machen." Schön, dass die enge
organisatorische Verbindung zur Koch-CDU offen zugegeben wird, aber was hat
das mit dem Namen zu tun? Weggelassen wurde das "D" wie Deutschland,
vielleicht weil Deutsch-Republikaner zu sein 1998 bereits ohnehin nicht mehr
ganz so "in" – oder jedenfalls nicht der Erfolg versprechende Weg zur
"Erneuerung" Deutschlands – war, und man sich deshalb nach einem
appetitlicheren Namen umsah? Die Vermutung scheint einleuchtend, wenn man
betrachtet, dass sich das baden-württembergische Landesforum gar die
kryptische Bezeichnung "CDU 21" zulegte – "21" wie in dem Datum des 29. Juli
1921, dem Tag, als Hitler "mit diktatorischen Vollmachten" den Vorsitz über
die NSdAP übernahm?
In diesen Tagen Anfang November 2003 fällt die Bezeichnung
der Organisation "Arbeitskreis Konservativer Christen" (AKC) auch wiederholt
in der Online-Ausgabe des Spiegel im Zusammenhang mit dem
Antisemitismus-Skandal um den hessischen CDU-Parlamentarier Martin Hohmann –
so habe der "Arbeitskreis konservativer Christen (...) bereitwillig Hohmanns
Neuhofer Rede in Auszügen via Internet verbreitet". Erwähnenswert ist an
dieser Stelle vielleicht auch die Verbindung Hohmanns und der Fuldaer CDU
mit dem Namen des im Jahr 2000 verstorbenen katholischen Rechtsaußen und
Bischof zu Fulda, Johannes Dyba.
Den Zusammenhang zwischen dem CDU-Mann Martin Hohmann und
der AKC stellt im übrigen, wie die nachfolgende Abbildung zeigt, auch die
Homepage der Konservativen Christen selbst her.
Wirklich fündig auf unserer Suche nach national gesinnten
deutschen Christen im Amt der Kirche werden wir, indem wir noch einmal zum
CKDF und seinem Landesverband NRW zurückkehren. Als dieser nämlich im März
1999 reanimiert wird, wird nach Angaben der CKCF-Homepage dessen
Landessprecher, Pastor Ekkehard Jacoby, also ein aktiver, hauptamtlicher
Sohn der Evangelischen Kirche im Rheinland, in den Bundessprecherrat als
weiterer stellvertretender Vorsitzender nachgewählt. Im Januar 2000 wird,
ebenfalls laut CDKF-Homepage, auf einer ordentlichen
Landesmitgliederversammlung ein Landesvorstand unter Pastor Jacoby gewählt,
ein, wie es scheint, eher umtriebiger Mann, auf dessen Dienste als Referent
unter anderem die vom Informationsdienst gegen Rechtsextremismus (IDGR)
geführte "Evangelische Notgemeinschaft in Deutschland e.V." (ENiD) mit Sitz
in Renningen bei Leonberg zählen darf.
Als geistige Mentoren des Vereins gelten laut IDGR der
langjährige (1966-1982) Vorsitzende Alexander Evertz, Pastor i.R., sowie
Pastor Werner Petersmann, der in den Jahren 1934 bis 1945 bei den Deutschen
Christen aktiv war und sich danach der evangelischen Vertriebenenarbeit
widmete. Gleichzeitig war Petersmann Bundestagskandidat der NPD, als
weiterer Funktionär der Evangelischen Notgemeinschaft fungiert Adolf
Künneth, Leitender Regierungsdirektor a.D.
Die Programmatik der ENiD wird im Artikel 2 ihrer Satzung
beschrieben, nämlich: "...die Besinnung auf den Auftrag der Kirche, der in
der rechten Verkündung des Evangeliums besteht. Daraus ergibt sich notwendig
auch die Treue im Umkreis der irdischen Pflichten zur Familie, zum Nächsten,
zu Volk und Vaterland."
In dem Periodikum des Vereins, der monatlich erscheinenden
"Erneuerung und Abwehr" wird vor "Überfremdung" gewarnt, die "Reinheit der
Völker" gefordert. Als Denkfabrik des Vereins gilt den IDGR zufolge das
Walter-Künneth-Institut e.V., welches selbst wiederum Teil der Evangelischen
Notgemeinschaft ist. Mitglieder und Funktionäre der ENiD treten als Autoren
in der laut Bundesverfassungsschutzbericht 2001 als "Forum für
rechtsextremistische Meinungsäußerungen" bezeichneten Wochenzeitung "Junge
Freiheit" in Erscheinung.
Pastor Ekkehard Jacoby war Unterstützer des als rechte
Psycho-Sekte geltenden Vereins für psychologische Menschenkenntnis (VPM) mit
Hauptsitz in Zürich, als dessen Referent Prof. Dr. theol. Peter Beyerhaus,
Dozent für Missionswissenschaft und ökumenische Theologie an der Universität
Tübingen, auftrat.
Jacoby referiert immer wieder an Studientagungen, unter
anderem im Mai 2002 ("Christlicher Glaube und Fundamentalismus") an der
Theologischen Hochschule der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
("Augustana-Hochschule") mit Sitz im fränkischen Neuendettelsau, oder im
Johannes-Haw-Haus in Leutesdorf bei Neuwied ("Bekennende Evangelische
Gemeinde Neuwied" [1]). Nach Einschätzung der Evangelischen Kirche
Deutschlands (EKD) ist die Evangelische Notgemeinschaft dem "äußersten
rechten Rand" der EKD zuzuordnen, während die EKD den Verein ungeachtet der
Tatsache, dass darin konservatives und rechtsextremistisches Gedankengut
miteinander vereint werden, als lediglich "sehr konservative
Laienorganisation" einstuft.
[1] Vorsitzender des "Theologischen Konvents der Konferenz
Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands e.V."
(KBG) ist – Prof. Dr. theol. Peter Beyerhaus (Homepage der KBG).
Als die "Junge Freiheit" noch eine Kirchenseite hatte, fanden sich dort
gelegentlich Artikel von Personen aus dem Umkreis der "Konferenz Bekennender
Gemeinschaften" (Antifaschistische Nachrichten 18/1999).
hagalil.com
04-11-2003 |