Wiener Praxis:
Österreich verschärft seine Asylgesetze
Von Hito Steyerl
Jungle World, 05.11.2003
Was restriktive Asylgesetzgebung angeht, wird
Österreich zum Spitzenreiter in Europa. Doch mit der Asylgesetznovelle, die
das Parlament gerade verabschiedete, entsteht nicht nur in Österreich eine
einzigartige Situation, sondern die Novelle widerspricht in weiten Teilen
auch geltendem Recht.
In dieses neue Gesetz wurden auch genau die
Regelungen des alten Asylrechts wieder aufgenommen, die vom Obersten
Gerichtshof bereits als verfassungswidrig zurückgewiesen wurden.
Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes
protestierten daher nicht nur NGO, sondern auch solche Einrichtungen wie der
UNHCR, der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, das Völkerrechtsbüro
des Außenamtes und der Menschenrechtsbeirat des Innenministeriums wegen
gravierender Verstöße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und die
Europäische Menschenrechtskonvention.
Doch all das blieb ohne Erfolg.
Denn schon mit dem alten Asylgesetz herrschte
die in der EU einzigartige Praxis, Asylbewerberinnen auf die Straße zu
setzen. Nach Angaben der Asylkoordination waren rund zwei Drittel aller
AsylbewerberInnen davon betroffen. Alle Flüchtlinge aus Staaten wie etwa
Armenien oder der Türkei
wurden prinzipiell von der Unterbringung und Versorgung durch Bundesstellen
ausgeschlossen. Unter die Regelung fielen auch Flüchtlinge, die einfach als
"nicht hilfsbedürftig" eingestuft wurden.
Innenminister Ernst Strasser von der ÖVP hatte
eine entsprechende Richtlinie kurz vor den Neuwahlen im vergangenen Jahr
erlassen und wollte damit den Wählern signalisieren, dass nicht nur die FPÖ,
sondern auch die christliche Volkspartei ÖVP eine rabiate und am Rande der
Legalität operierende Abschreckungspolitik gegen Flüchtlinge befürwortet und
auch realisiert. Doch der Ausschluss aus den Hilfseinrichtungen führte im
Winter zu Scharen obdachloser Flüchtlinge – eine Situation, die die NGO mit
verzweifelten Aktionen zu mildern versuchten, indem sie etwa Flüchtlinge in
besetzten Kirchen und privat angemieteten Unterkünften unterbrachten.
Der Oberste Gerichtshof erklärte die
Regierungspraxis in zwei Urteilen eindeutig für illegal. Anstatt jedoch die
Flüchtlinge endlich unterzubringen und zu versorgen, wurden von der
Regierung auch noch die Regressforderungen der NGO, die Notunterkünfte
organisiert hatten, ausgeschlagen. Nach österreichischer Lesart genügt es,
um einen Flüchtling als "nicht hilfsbedürftig" einzuschätzen, wenn er von
einer NGO Leistungen bezog.
Mit dem neuen Asylgesetz ist diese Praxis
beschlossen worden. Dabei stört sich in der Regierung niemand daran, dass es
eindeutig gegen die Genfer Konvention verstößt, denn es erlaubt es,
Flüchtlinge schon während ihrer Berufung abzuschieben, wenn sie aus so
genannten sicheren Drittländern eingereist sind. Darüber hinaus haben
Flüchtlinge alle Beweise für ihre Verfolgung bei der ersten Vernehmung zu
präsentieren. Später vorgelegte Dokumente werden nur noch in Ausnahmefällen
berücksichtigt.
Obwohl das Gesetz nach Ansicht der meisten
Experten keine Chance hat, eine Prüfung durch den Obersten Gerichtshof zu
überstehen, lassen sich die Volksvertreter in ihrem Eifer weder beirren noch
bremsen.
Der nächste Vorstoß der FPÖ liegt schon vor: ein
Kopftuchverbot auf öffentlichen Plätzen.
hagalil.com
10-11-2003 |