Von Karl Pfeifer
1980, nach Veröffentlichung des Buches von Carl Schorske über die
Kultur in Wien am Ende des 19. Jahrhunderts, entdeckte man in Österreich,
dass aus der einstigen Blüte des Geistes und der Kunst in dieser Stadt
Profit ziehen kann.
Nachdem die Volksgemeinschaft 1938 in einem einmaligen Glückstaumel, sich
der Juden entledigt hatte, und das ging äußerst schnell und effizient, kam
man drauf, dass man in einer "arischen" Ostmark nur arischen Geist
konsumieren will. Noch lange nach dem Krieg wollte man diese
"Errungenschaft" bewahren. Man fühlte sich wohl in der geistigen Autarkie.
Bereits 1931 machte sich Kurt Tucholsky über den Alptraum einer "Autarkie"
lustig: "Wir schließen einfach die Grenzen zu./ Dann hat die liebe Seele
Ruh." Und Ruhe will auch das haben, was aus der "guten alten Zeit" noch so
leibt und lebt und sich in verzweifelten Briefen an die Neue Kronenzeitung
(NKZ) äußert, denn die geistige Autarkie ist in Gefahr. Und dieses
Zentralorgan dessen was noch aus der Volksgemeinschaft verblieben ist,
bringt solches unter das Volk, das mehrheitlich am Sonntag zur NKZ greift,
um sich seinen sowieso schon begrenzten Horizont noch enger machen zu
lassen. Das liest sich dann in der NKZ, 12.10.03, Seite 28 so:
"Ein Gedenkstein für Omofuma!
Bravo, so schürt man Ausländerfeindlichkeit!
Wenn man wissen will, wie das funktioniert, braucht man nur nach Österreich
kommen. Einem Soldaten, der im guten Glauben sein Vaterland, seine Einwohner
und unsere Großeltern und Eltern beschützt hat (Novotny) nimmt man das
Ehrengrab."
Das heißt im Klartext: Nicht Nazideutschland hat mutwillig einen
Angriffskrieg entfesselt, sondern die Alliierten und der gute Nazi Novotny
musste ja die Heimat Großdeutschland verteidigen. Dazu die Fakten. Mit den
Stimmen von SPÖ und Grünen wurde nach jahrelangen Diskussionen im Juli 2003
im Wiener Landtag die Aberkennung des Ehrengrabes für den
Nationalsozialisten und Luftwaffenmajor Walter Nowotny am Zentralfriedhof
beschlossen. Daraufhin setzte ein wahrer Entrüstungssturm ein. Niemand
Geringerer als Sascha Gasthuber, vormaliger Kader der neonazistischen
Kameradschaft Germania und nunmehriger Betreiber eines Internet-Versandes
von NS-Literatur und -Tonträgern (Yggdrasil), habe dies gegenüber der
Tageszeitung angekündigt. Nowotny habe, so Gasthuber, "sein Leben gegeben,
um die Zukunft der Kinder lebenswert zu gestalten". (SN 3.7.03) Schon in der
Vergangenheit zog das Ehrengrab Nowotnys immer wieder Rechtsextreme und
Neonazis an. Die Kameradschaft Walter Nowotny um Otto Rosskopf, welche
führende Aktivisten der neonazistischen Volkstreuen Außerparlamentarischen
Opposition (VAPO) integrierte, legte in unregelmäßigen Abständen dort Kränze
nieder. Gasthuber war im Vorjahr einer der Hintermänner der Kundgebung gegen
die gerade in Wien gezeigte Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht.
Damals griff der KSG die von (ehemaligen) Burschenschaftern dominierte
Plattform gegen die Schändung des Andenkens Verstorbener um Clemens Otten
unter die Arme.
Den Antrag auf Abschaffung des Ehrengrabes für Novotny brachte der GRÜNE
Landtagsabgeordnete David Ellensohn ein. Seither erhält er von
antisemitischen Österreichern Fanpost. Das kuriose dabei, und das leuchtet
vielen hiesigen Antisemiten nicht ein, wer heute einen Vornamen wie David
trägt, muss nicht automatisch Jude sein. David Ellensohn ist es nicht, aber
das hindert die Antisemiten nicht. Frei nach Lueger, wer ein Jud' ist
bestimmt der österreichische Antisemit.
Die Verweigerung eines Ehrengrabes für den Nazi Novotny empört auch Leute
aus der Mitte der Gesellschaft. Das führte dann dazu, dass vor der Neuen
Kronenzeitung Angst habende Sozialdemokraten, eine Mehrheit im Wiener
Landtag, alle Ehrengräber aus der Zeit 1938-1945 abgeschafft haben, denn
Zivilcourage ist in Österreich rar und die SPÖ will es sich doch nicht mit
Hans Dichand und der NKZ verderben.
Es kommt dann für den Leserbriefschreiber noch schlimmer: "Aber einem
Ausländer, der gegen das österreichische Gesetz verstoßen hat und unter
unglücklichen Umständen bei seiner Abschiebung ums Leben kommt, stellt man
einen Gedenkstein (und das angeblich ohne Genehmigung) auf. So schürt man
richtigen Rechtsradikalismus." Unterschrieben hat ein "Robert Suppan, Wien".
Tatsächlich haben Unbekannte in der Nacht von Donnerstag auf Freitag bei
der Wiener Staatsoper eine drei Meter hohe und fünf Tonnen schwere
Gratisskulptur "Marcus Omofuma Stein" ohne Genehmigung der Behörde
aufgestellt.
Der 25jährige Markus Omofuma sollte am 1. Mai 1999 in seine Heimat
Nigeria abgeschoben werden. Von den begleitenden Fremdenpolizisten wurde er
gefesselt und geknebelt und überlebte den Flug nicht. Dies führte zu einer
Diskussion im österreichischen Parlament und zur Gründung des
Menschenrechtsbeirates. Die drei Fremdenpolizisten wurden 2002 zu je acht
Monaten bedingter Haft verurteilt.
Hans Dichand und der NKZ veröffentlichen solche Leserbriefe. Und man weiß
nicht sind Sie mit diesem in solchen Leserbriefen sich äußernden braunen
Bodensatz in der österreichischen Gesellschaft einverstanden oder aber
wollen sie aufzeigen, das es diesen auch noch 58 Jahre nach der Befreiung
Österreichs durch die Alliierten immer noch gibt.