Das
Kramer-Projekt:
Lob der VerzweiflungGudrun
Schroeter tacheles-reden / haGalil
Der österreichische Lyriker Theodor Kramer (1897-1958)
ist in Deutschland eher einer der vergessenen Dichter des 20. Jahrhunderts.
Weitaus mehr gedacht wird seiner in seinem Geburtsland Österreich. Dort
existiert eine „Theodor-Kramer-Gesellschaft“ und jährlich wird der „Theodor
Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil“ verliehen. In diesen
Landen wurden einige seiner Lieder in den 80er Jahren durch die Folk-Gruppe
„Zupfgeigenhansel“ verbreitet und in den 90er Jahren vertonte der Musiker
Hans Eckehardt Wenzel Texte des Lyrikers Kramer unter dem Titel „Lied am
Rand“.
Die beiden Berliner Künstler David Fuhr (Klavier, Gitarre,
Bandoneon) und Harald Hahn (politischer Kabarettist) haben sich nun einem
Teil des Werkes Theodor Kramers angenommen und skizzieren in einer Collage
aus Gedichten, Liedern, Szenen und dokumentarischen Tonbandaufzeichnungen
Lebensstationen des Dichters. Ergänzt von zur Gegenwart gezogenen, scharfen
Analogien gestalten sie einen künstlerischen Abend, der sich festen
Genrezuschreibungen entzieht.
Doch wer war Theodor Kramer? „Arbeiterdichter“,
„Soziallyriker“, „erschreckter Kleinbürger“, „Sauf- und Fressdichter“, einer
der „ganz großen der österreichischen Literatur“?
Als Jugendlicher trat Kramer der Freideutschen Jugend bei,
engagierte sich in dem Wiener Arbeitskreis „Anfang“. Erste
Gedichtveröffentlichungen erschienen in „Die Bühne“. Aus finanziellen
Gründen musste er sein Studium abbrechen, schlug sich durch – und schrieb.
Sein Freund Leo Perutz unterstützte ihn auf der Suche nach
Veröffentlichungsmöglichkeiten im Wiener Dschungel der Verlage und
Zeitschriften der 20er Jahre. Es erschienen ein Gedichtband sowie
Publikationen im „Simplizissimus“ und in der Wiener „Arbeiter-Zeitung“. Der
Blick Theodor Kramers richtete sich an den Rand der Gesellschaft, er
schrieb für die „Die keine Stimme haben“ (1925), thematisierte die Not und
Armut der Dörfler, Proleten und Ausgegrenzten.
Die Wendejahre 1933/34, noch zu Beginn des Jahres 33 nahm
er teil an der Gründungsveranstaltung der „Vereinigung Sozialistischer
Schriftsteller“, die folgende Repression ließ die Handlungsräume immer enger
werden. 1938 folgten Berufsverbot, Arbeits- und Wohnungslosigkeit und
psychischer Zusammenbruch. Alfred Rosenberg denunzierte ihn als „Hofpoeten
der Demokratie“ – unter anderem wegen seines „jüdischen Jargons“. Mit Hilfe
Thomas Manns, der ihn der britischen Einwanderungsbehörde als einen „der
größten Dichter der neuen Generation“ empfahl, gelang Kramer schließlich die
Flucht nach Großbritannien. Erst kurz vor seinem Tod kehrte er nach
Österreich zurück. Von den etwa 12.000 Gedichten, die Theodor Kramer
geschrieben hat, sind etwa 2.000 veröffentlicht.
Harald Hahn beschreibt die Faszination, die die Texte
Theodor Kramers auf ihn ausübten: „Er hat immer einen klaren Blick nach
unten, und er ließ sich nicht einspannen in die parteiideologischen
Kontroversen seiner Zeit ...“ Seine sozialistischen Genossen etwa
kritisierten an ihm seine fehlende Parteiidentifikation. „… und er saß als
Sozialist und Demokrat zwischen den Stühlen.“
Mit dem Stück „Lob der Verzweiflung“ bringen die beiden
Künstler Theodor Kramers Weg von Verfolgung, Exil und Widerstand auf die
Bühne.
Entstanden ist ein sparsam arrangiertes Programm, in dem
die Gedichte Kramers in ihrer Sprachdichte und Metaphorik musikalisch
unterlegt einen starken Ausdruck finden. Im ersten Teil wird die bedrückende
Atmosphäre des aufkommenden Nationalsozialismus in Szenen, (Lied-)Texten und
Dokumenten montiert, zu Beginn des zweiten Teils sitzt der jüdische
österreichische Sozialist als „feindlicher Ausländer“ interniert in einem
Lager in Großbritannien und schreibt seinen „Brief über das Meer“. Es
gelingt den beiden Künstlern eine dichte Stimmung des „Lobs der
Verzweiflung“ zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Kampf und
Zusammenbruch zu gestalten. Ausgewählt und bearbeitet wurden die Texte aus
der heutigen Perspektive. „Die Szenenfragmente, in denen wir mit der
Aktualisierung arbeiten, verstehen wir als einen doppelten Schutz:
Einerseits soll einer reinen Konsumhaltung den Texte gegenüber vorgebeugt
werden, aber ebenso ihrer einfachen Historisierung.“
Als nächsten Schritt planen die beiden Künstler die
Publikation der Lieder und Texte. Auf der Suche nach entsprechenden
Agenturen mussten sie allerdings bisher feststellen, dass „Das Kramer
Projekt“ gegen den aktuellen Zeitgeist schwimmt. Die Kulturpolitik habe sich
geändert, so Harald Hahn. Themen wie Verfolgung, Exil und Widerstand stehen
nicht mehr unter den Top-Ten des Vermarktungsprogramms. Die Suche geht
weiter nach Menschen, für die es auch kulturpolitisch wichtig ist, genau
diese Thematik zu fördern.
Auf der ausführlichen Website „Lob der Verzweiflung“
finden sich die kommenden Auftrittstermine. Außerdem kann das Programm als
Ganzes, wie auch in Teilen für Veranstaltungen und Konferenzen etc.
gebucht werden.
Information und Kontakt:
www.lob-der-verzweiflung.de
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30-09-2003 |