Volksstimme-Fest 2003:
Wien bleibt Wien
Von Karl Pfeifer
Seit ein paar Jahren bin ich u.a. der Wiener Korrespondent der
antifaschistischen Londoner Monatsschrift "Searchlight" und sandte meinen
Bericht "Ultra-left group lines up with Holocaust denier", der im August 2003
Heft publiziert wurde, über die Umtriebe der "antiimperialistischen
Koordination" (AIK) in Wien. Der "European Editor" Graeme Atkinson, der meinen
Texten den "brush up" verpasst rief mich an und fragte: Wieso schreibst Du über
linke Antisemiten und setzt nicht das Wort links unter Anführungszeichen. Ein
Antisemit - so mein Freund Graeme - kann nicht links sein und ein Linker kann
kein Antisemit sein.
Ohne jetzt semantisch erklären oder definieren zu wollen, was
"links" und was "antisemitisch" ist, wäre es ein wahres Wunder wenn Linke, die
ja Teil der Gesellschaft sind, frei von Antisemitismus wären. Da wir aber - wenn
wir den offiziellen Erklärungen glauben - in Österreich in einem Land leben, in
dem es keinen Antisemitismus gibt, ist es nur logisch, dass alle Linke auch
erklären nicht antisemitisch zu sein. Und sogar die wildesten Antisemiten unter
ihnen finden dann eine jüdische Großmutter oder einen jüdischen Onkel - und last
but not least einen jüdischen Kronzeugen - der ihren "Antizionismus", hinter dem
sich meistens ein kruder Antisemitismus verbirgt, bestätigt. Der britische
Philosoph Ted Honderich, der die Selbstmordattentate gegen Juden gutheißt,
erklärte in einer 3sat-Sendung allen Ernstes er könne kein Antisemit sein, war
er doch mit einer Jüdin verheiratet. Ähnliches hörten wir auch vom
österreichischen Milliardär und FPÖ-Politiker Thomas Prinzhorn, der zur Sprache
brachte, er hätte doch von einer Jüdin ein jüdisches Kind.
Wie immer wir Antisemitismus definieren, eines muss insbesondere
in den Nachfolgeländern des "Dritten Reiches" klar sein, Holocaustleugnung und
die Rechtfertigung von Holocaustleugnung ist antisemitisch. Man möchte meinen,
dass wäre auch allen Linken klar. Doch weit gefehlt, ein Teil der
österreichischen Linken lehnt Holocaustleugnung nur dann ab, wenn dieser von
rechts kommt. Ein Araber, der in seiner "Verzweiflung" den Holocaust leugnet und
noch dazu erklärt ein Linker zu sein und für eine holocaustleugnende Querfront
von Neonazi und Linken in Neonazi-Medien wirbt, ist - da er ja den
"Imperialismus" bekämpft - ein wertvoller Bundesgenosse. Und wenn die AIK
Verständnis und Sympathie für diesen Holocaustleugner (Dr. Ibrahim Alloush)
äußert, dann gibt es auch Mitglieder der KPÖ, die sich nicht entblöden, die AIK
und deren Verharmlosung der Holocaust-Leugnung in Schutz zu nehmen. Die KPÖ
gestattete auch dieses Jahr dieser Gruppe am jährlich stattfindenden Wiener
"Volksstimme-Fest" eine Informationskoje aufzustellen. Allerdings, da es
Beschwerden der exliierten irakischen und kurdischen Kommunistischen Partei
gegeben hat, mit der Auflage, nicht die Fahne des Baath-Regimes mit den Worten
Allahu Akbar zu zeigen.
In der "Jungen Welt", die am Volksstimmefest verteilt wurde und
in der der Nationalbolschewist Werner Pirker (ehemaliger Moskau-Korrespondent
der "Volksstimme") nostalgisch die guten alten Zeiten des Volksstimmefestes
beschreibt, als man nach der Sportschau "auf ein Budweiser am Rude-Pravo-Stand
(ging), wo tschechische Blasmusik gestandene Wiener in ihr ursprüngliches Sein
zurückversetzte". Nach diesem zarten Hinweis auf die nicht "germanische"
Abstammung vieler Wiener kommt bei Pirker noch die Weinverkostung der
ungarischen "Nepszabadsag", dann fanden am Stand des "Neuen Deutschland" "die
alldieweil bei Radeberger und Thüringer Würsten konspirative Treffen zwischen
kommunistischen Jungpolitikern und sozialdemokratischen Linken statt, begossen
mit einem Steh-Wodka bei der Prawda." Das waren noch die guten alten Zeiten als
es noch den "großen" und unfehlbaren Bruder gab und der Alkohol billig war. Aber
diese guten Zeiten sind vorbei, beklagt Pirker: "Das Volksstimme-Fest ist zum
linken Szene-Fest geworden, zum Tummelplatz des "zivilgesellschaftlichen
Diskurses": offen und pluralistisch." Und Pirker trauert auch diesen Zeiten
nach, als die KPÖ ihre "Abweichler" gnadenlos ausschloss. Als "Friedenskämpfer"
lehnt er natürlich den "pazifistischen Konsens" ab, denn "abweichende Positionen
trifft die Härte des bürokratischen Reglements. Antiimperialisten haben das
Hissen der Flagge des unterworfenen Irak zu unterlassen." Doch Werner Pirker und
die "Junge Welt" wären nicht das, was sie sind, wenn sie da nicht klare Stellung
beziehen würden. Auf Seite 2 bringt er ein Interview mit Walter Baier, dem
Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Österreichs unter dem sinnigen Titel
"Gegen irakische Nationalfahne: Allah von Volksstimme ausgeladen?" und stellt
dem gegenüber ein Interview mit dem Vorsitzenden des Grüppchen AIK, um das sich
jetzt die Alt- und Jungstalinisten scharen.
Beim Volksstimme-Fest verteilten junge nichtjüdische Österreicher
ein Flugblatt unter dem Titel "Vorsicht: Mogelpackungen am Volkstimmefest! Auch
der rot lackierte Haufen bleibt innen braun". Diese jungen Leute protestierten
mit ihrem Flugblatt "Nämlich gegen die Tatsache, dass es nationalistischen
Gruppen möglich gemacht wurde, auch heuer wieder ihre antisemitische und
antiamerikanische Hetze am Volksstimmefest zu verbreiten. Wir finden es
unerträglich, wenn die Nachkommen der Judenmörder von gestern den Judenmördern
von heute öffentlich applaudieren... Aber die AIK schloss nicht nur ein Bündnis
mit dem irakischen Faschismus, auf ihrer Homepage finden sich auch Lobgesänge
auf Vojislav Seselj, dem Führer der neofaschistischen Serbischen Radikalen
Partei. Ihr Wunsch, Israel als jüdischen Zufluchtsort zu vernichten Die AIK
fordert ein "arabisches Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer"! kennzeichnet
sie darüber hinaus als antisemitisch...
Dass die AIK und geistesverwandte Gruppen sich immer noch als
Teil der Linken begreifen können, spricht nicht für sie, sondern gegen diese
Linke. In ihrer Sucht nach Massenwirksamkeit und einfachen Welterklärungen ist
diese Nachgeburt des Kalten Krieges ebenfalls auf den "Antiimperialismus"
gekommen. Damit wir uns richtig verstehen: Diese "AntiimperialistInnen"
bekämpfen nicht den Imperialismus als globales, warenförmiges System von Unrecht
und Ausbeutung, sondern die USA und Israel als Hort des Bösen. Ihr Hauptfeind
steht nicht im eigenen Land und sie scheuen nicht das Bündnis mit dem Feind "des
großen und des kleinen Satans", auch wenn dieser ein ausgemachter Faschist und
Massenmörder wie Saddam Hussein ist. Bei der AIK begegnet uns diese
ressentimentgeladene Weltanschauung in ihrer reinsten Form. Diese kann nicht
anders als faschistisch bezeichnet werden. Ist sie doch geprägt von
Antisemitismus, Nationalismus, plumper Schwarz-Weiß-Malerei, Personalisierungen
und Verschwörungstheorien, Lobpreisungen vormoderner Lebensformen und der
entsprechenden ideologischen Überbauten, Gewaltverherrlichung, einem finsteren
Kult des Todes und von chauvinistischem Heroismus. Dass die AIK mittlerweile
auch offenen Zuspruch von Neonazis erfährt, überrascht da nicht mehr..."
Einem Studenten, der dieses Flugblatt am Volksstimmefest
verteilte, trat ein siebzehnjähriger Junge mit der Frage entgegen: "Warum nennst
Du mich einen Antisemiten?". Der Student beteuerte, dass er ihn nicht kenne und
somit auch nicht wissen könne, ob er Antisemit sei. Der Junge identifizierte die
Gruppe, zu der er gehöre, und die im Flugblatt tatsächlich erwähnt wurde. Auf
die Frage des Studenten, was denn seine Gruppe befürworte, antwortete er mit
Überzeugung, dass er persönlich auch für diejenigen eintrete, die sich einen
Sprenggürtel um den Bauch binden und in Israel Selbstmordattentate begehen. Der
Student antwortete gelassen: "Du hast Deine Frage selbst beantwortet, Du trittst
ein für die Tötung von so viel als möglich Juden, also bist Du ein Antisemit."
Dem Mitarbeiter der "Volksstimme"
Franz Schandl kommt der Antisemitismus aus dem österreichischen Bauch vollkommen
unbeabsichtigt heraus. Er widmet seinen Leitartikel dem Ex-Österreicher Arnold
Schwarzenegger, dessen Person und Politik auch sachlich kritisierbar wäre.
Schwarzenegger kann einem gefallen oder nicht gefallen, aber zu schreiben "Wenn
österreichische und amerikanische Idiotie zu einer einzigen kumulieren, dann
kommt so etwas wie Arnold Schwarzenegger raus" braucht nicht kommentiert zu
werden. Doch es kommt schlimmer, wie es auch in rechtsextremen Zeitschriften zu
lesen und am Stammtisch zu hören ist. Dass Schwarzenegger gewinnt, "dürfte
ausgemachte Sache sein, höchstens es gelingt, ihm irgendeine kriminelle
Machenschaft anzuhängen, ein Nahverhältnis zu Jörg Haider oder gar den Nazis
nachzuweisen. Aber auch da meint der Sohn eines österreichischen NSDAP-Mitglieds
vorgesorgt zu haben. Das Holocaust Memorial Trust in Los Angeles wird ebenso wie
das Simon Wiesenthal Centre in New York von ihm großzügig finanziell
unterstützt."
Dieser antisemitische Furz des Schandl kommt ganz unbewusst, aber
er ist laut und er stinkt. Denn er drückt damit aus, was Rechtsextreme aber auch
linke Antisemiten glauben, dass Amerika von "Juden" beherrscht wird, und dass
diese diktieren.
Doch wer im österreichischen Glashaus, mit braun-blauem
Bodenbelag sitzt, der sollte nicht so mit Steinen um sich werfen. In den USA
konnte ein Michel Moore einen Oscar-Preis gewinnen und die Politik Bush
öffentlich verdammen.
Wie ging Österreich zu Lebzeiten von Thomas Bernhard mit diesem
um? Man erinnere sich nur an den Misthaufen, den österreichische "Patrioten" vor
dem Burgtheater abluden, um gegen seinen "Heldenplatz" zu demonstrieren, obwohl
meiner Meinung nach dieses Stück ein zartes Understatement über den hier so tief
verwurzelten Antisemitismus ist. Doch leichter als sich mit dem österreichischen
antisemitischen Konsensus zu befassen ist es gegen "den Imperialismus" und den
"Apartheid-Staat Israel" aus dem Wiener Wirtshaus den Kampf zu führen, um so
selbst zum Teil dieses Konsensus zu werden.
Karl Pfeifer:
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hagalil.com 01-09-2003 |