Demoaufruf:
Aufstehen
gegen Antisemitismus und Antizionismus!
Der
Antisemitismus ist im Aufwind. Oder besser gesagt: er manifestiert
sich immer offener. Dieses Phänomen ist zwar schon seit 1989
verstärkt zu beobachten, hat aber in den letzten Jahren eine neue
Qualität erhalten. Sowohl die Zahlen der Bundesregierung als auch
des Innenministeriums weisen bei antisemitischen Straftaten für das
Jahr 2000 eine Steigerung um mindestens 60 % auf. Die OSZE
bezeichnet die Zunahme antisemitischer Gewalttaten in Deutschland
und anderen OSZE-Staaten als „alarmierend“ und fordert Konsequenzen.
Antisemitismus im Nachkriegsdeutschland
Das
gesellschaftliche Klima in der BRD hat sich aber auch unterhalb der
Schwelle konkreter Straftaten verändert: in seiner Paulskirchen-Rede
vor dreieinhalb Jahren hat Martin Walser, einer der führenden
Schriftsteller Deutschlands, öffentlich zu Protokoll gegeben, dass
er mit der deutschen Vergangenheit nicht länger belästigt zu werden
wünscht, dass endlich Ruhe sein müsse und dass er bei den Mahnern
und Mahnerinnen eigennützige Absichten wittere.
Damit hat er dem wiedererstarkenden Deutschland aus der Seele
gesprochen. In der nachfolgenden Debatte hat Ignaz Bubis eine
Niederlage erlitten und, verlassen von nichtjüdischen deutschen
Intellektuellen und Politikern, den Vorwurf der „geistigen
Brandstiftung“ zurücknehmen müssen. Somit war klar: es wird
inzwischen als legitim erachtet, endlich ‚Normalisierung‘ zu
wünschen und endlich nichts mehr hören zu wollen von Auschwitz, und
als legitim, diesem Wunsch in einem aggressiv-selbstmitleidigen
Tonfall Luft zu verschaffen.
Der
sekundäre Antisemitismus, also der Antisemitismus nicht trotz,
sondern wegen Auschwitz, macht die Juden für den prekären Zustand
der ‚deutschen Identität‘ verantwortlich. Er wird spätestens dann
manifest und aggressiv, wenn sich das Bedürfnis nach ‚Normalität‘
und ‚Schlussstrich‘ durch Einspruch gerade von jüdischer Seite
bedroht sieht. Dann gilt es sich ‚endlich‘ zu wehren gegen die
rachsüchtigen und medienmächtigen Juden und deren „Moralkeule“
Auschwitz.
Hier
trifft sich die Walser-Bubis-Debatte mit der aktuellen Diskussion um
den ‚Fall Möllemann‘. Ein führender Politiker einer etablierten
demokratischen Partei ist ‚endlich einmal aufgestanden‘ und hat sich
‚getraut‘ zu sagen, was viele denken: dass die Juden selbst schuld
seien am Antisemitismus, weil sie halt nun einmal so unsympathisch
sind, dass man Israel endlich auch einmal kritisieren dürfen müsse,
und dass die Israelis auch nicht besser seien als die Nazis. Dies
ist sehr wohl verstanden worden, auch wenn Möllemann konkret Michel
Friedmann als einen Repräsentanten der Juden in Deutschland wegen
seiner „intoleranten und gehässigen Art“ angegriffen hat. Fast im
selben Atemzug wurde erst ein in Wirklichkeit gar nicht bestehendes
Tabu der Kritik an Israel heraufbeschworen, um dann in großer
Heldenpose gebrochen zu werden. Gleichzeitig eignet sich der
Vergleich der israelischen Politik mit den Methoden der Nazis, der
am medienwirksamsten von Möllemann, Karsli und Blüm gezogen wird,
noch besser als das Auffinden von Auschwitz im Kosovo für die
Relativierung der deutschen Geschichte.
Aktuelle Meinungsumfragen zeigen, wie richtig Möllemann mit seinem
Kalkül lag: über ein Viertel der Deutschen sind sich mit ihm in der
Aussage einig, dass die Juden am Antisemitismus selbst schuld seien
(ZDF Politbarometer, Mai 2002), und 36 % der Deutschen können
folgerichtig verstehen, wenn man „Juden nicht ausstehen kann“
(Frankfurter Sigmund-Freud-Institut 2002). Dieser Anteil hat sich in
den letzten drei Jahren verdoppelt.
Und
so verschärft sich das gesellschaftliche Klima, da es jetzt auch in
der Mitte der Gesellschaft kein Problem mehr zu sein scheint, dem
lange unterdrückten Antisemitismus Luft zu verschaffen. Jüdische
Organisationen und prominente Einzelpersonen machen tagtäglich diese
Erfahrung und erhalten ressentimentgeladene Briefe in bislang
ungekannter Zahl, gezeichnet mit vollem Namen und Adresse. Da
schreibt nicht der rechte Rand, sondern der Mittelstand.
Antisemitismus und Antizionismus
Der
Zionismus ist entstanden als Reaktion auf die Tatsache, dass
Jüdinnen und Juden über die Jahrhunderte hinweg in ganz Europa
antisemitischer Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt waren.
Kulminiert ist diese Verfolgung in der Vernichtung durch die
deutschen NationalsozialistInnen. In Folge von Auschwitz war die
Forderung nach einem eigenen jüdischen Staat, die zuvor unter
Jüdinnen und Juden durchaus umstritten war, als unabdingbare
Notwendigkeit offensichtlich geworden.
Der
Antizionismus ignoriert diesen Zusammenhang und weigert sich, diese
Notwendigkeit zu akzeptieren. Seine Übergänge zum Antisemitismus
sind fließend: Israel wird bezeichnet als „künstliches Gebilde“ - in
linker Diktion heißt das dann „Brückenkopf des US-Imperialismus“ -
und dieses „künstliche Gebilde“ wird in Gegensatz gesetzt zu dem
„natürlich“ in seiner Scholle verwurzelten „palästinensischen Volk“.
Die Entstehungsgeschichte dieses „palästinensischen Volkes“ ist
genau so jung wie die des Staates Israel, und es gibt weltweit
Staaten mit einer weitaus kürzeren Geschichte - die aber dennoch
nicht mit diesem Etikett versehen werden. Der Schluss liegt nahe,
dass hier das alte antisemitische Stereotyp vom „wurzel- und
heimatlosen Juden“ ein neues Gewand gefunden hat.
Es
bereitet Teilen der Bevölkerung wenig Schwierigkeit, wenn ein neues
„Auschwitz in Ramallah“ entdeckt wird. „Scharon ist - ein Mörder und
Faschist“ ist eine der beliebtesten Parolen auf vielen
pro-palästinensischen Demonstrationen, dicht gefolgt von „Israel -
Kindermörder“; auf Plakaten werden Davidstern und Hakenkreuz in eins
gesetzt; mit Hakenkreuz beschmierte Israelfahnen werden verbrannt;
es ertönen „Heil Hitler“- und „Tod den Juden“-Rufe. Und in den
letzten Monaten wurden gerade in zeitlicher Nähe zu
pro-palästinensischen Nahost-Demonstrationen als Jüdinnen oder Juden
erkennbare Menschen Opfer von tätlichen Angriffen.
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Das gesellschaftliche Klima in der BRD hat sich in den letzten
Jahren und Monaten in beunruhigender Weise verändert. Es ist
höchste Zeit, öffentlich zu zeigen, dass es sich hierbei um eine
gefährliche Entwicklung handelt, die es zu bekämpfen gilt.
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Wir rufen daher auf zur Demonstration gegen Antisemitismus und
Antizionismus, hier und überall
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