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Weihnukka:
Mit Jesus fremdgehen

Um nichts in der Welt beneiden Juden die Nichtjuden. Außer um Weihnachten, ein Fest des Lichts und Kitsches

Von Yael Kupferberg

Sie wollte ihn, unbedingt. Einen, wie ihn alle, alle anderen Kinder im Kindergarten in Schmargendorf auch hatten. Der Weihnachtsbaum gehörte einfach zum Weltbild meiner Schwester. So etwas Unjüdisches. Unsere Eltern waren ratlos. Der Onkel aus den USA riet salomonisch: "Nun, ein Weihnachtsbaum wird keine Nonne aus ihr machen."

Der Weihnachtsbaum stand also klein und bescheiden, mit selbst gebastelten Sternchen geschmückt, neben der Chanukkia, dem neunarmigen Leuchter. Meine Schwester war selig und sang hebräische Melodien. Ich guckte zu. Das Beisammenstehen hinterließ keine Identitätsprobleme. Bei uns gab es dieses deutsch-jüdische Weihnachten nur dieses eine Mal, eben damals, als die Schwester quengelte und unsere Eltern pädagogisch sein wollten.

Um nichts beneidet man die Nichtjuden, außer um Weihnachten. Dass die Geburt Jesu gefeiert wird, ist für uns Juden unbedeutend. Er ist ein Prophet unter vielen gewesen, hat, wie es sich gehört, gegen die Herrschenden rebelliert und war ein falscher Messias. Nein, der Geburtstag dieses konvertierten Vorzeigejuden ist kein Grund zum Feiern.

Aber wir beneiden die Ästhetik und die Gemütlichkeit des Weihnachtsfestes. Der Schmuck auf den Straßen färbt ab. Sich dagegen immun zu wähnen, bedeutet, gegen die inneren Bedürfnisse ankämpfen zu müssen. Es geht um nichts anderes als teilzuhaben an dem herrlichen Schein, an der Glitzerwelt. Kurz, um ein kleines bisschen Kitsch. Endlich darf dieser heimliche Trieb dann unzensiert und mit voller Kraft zum Durchbruch gelangen. Nichts muss funktional, alles darf kitschig sein, herrlich. Wir haben eben nur das Beste der deutschen Nichtjuden angenommen: die deutsche Sprache, die humanistische Bildung und den Weihnachtsbaum.

Was auf den ersten Blick gegensätzlich wirkt, hat doch Gemeinsamkeiten. Es geht um das Licht. Sowohl die Chanukkia wie auch der Weihnachtsbaum spenden es in der menschenfeindlichen Dunkelheit unserer Breitengrade. Licht, Süßes und Leckereien gehören ebenso dazu wie geselliges Beisammensein, Singen und Schenken.

Doch es werden andere Gebete gesprochen, andere Lieder gesungen. Die sächsische Blautanne wird dann späte Zeugin jenes Wunders, welches sich im Morgenlande im Jahre 165 vor unserer Zeitrechnung begab: Chanukka gedenkt der Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels nach dem Sieg des Jehuda Makkabi über die Seleukiden. Der Talmud berichtet: Im geschändeten und verwüsteten Tempel fand sich noch ein kleiner Krug mit einem Tropfen geweihten Lampenöls. Ebendieser Tropfen brannte acht Tage lang. So konnte der Tempel gereinigt und in vollem Glanze wieder hergestellt werden. In Erinnerung daran wird die neunarmige Chanukkia entzündet, jeden Abend ein Licht mehr. So die Überlieferungen der Alten.

Die Mischung von Weihnachten und Chanukka, im Volksmund "Weihnukka", ist meine Sache nicht. So schön der Tannenbaum auch sein mag. Ich stelle ihn nicht neben die zierliche, bescheidene Chanukkia. Entweder oder. Lieber werde ich stille Zeugin der Geburt des falschen Messias. Bei Freunden, nur mit Blautanne und ohne Chanukkia. Plätzchen, Geschenke und Fairhandels-Tee zu kubanischer Gitarrenmusik erfreuen dann mein unchristliches Herz. Ich fühle mich weder fremd noch ganz dazugehörig.

Nur manchmal erfüllt mich kleine Schadenfreude. Wenn die Außentemperatur 7 Grad Celsius beträgt und statt großer, weißer Schneeflocken Nieselregen zu Boden fällt. Aus der Traum . . . Zu Hause erlischt dann das letzte kleine Licht der Chanukkakerze aus dem Morgenlande. Der Tempel ist wieder geweiht. Jesus Christus ist geboren. Meine Schwester ist niemals Nonne geworden, und ich gehe fremd. Obwohl: Jesus war auch Jude.

Yael Kupferberg, 23, studiert Germanistik und Jüdische Studien in Berlin

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der taz - die tageszeitung
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haGalil onLine 24-12-2001

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