November 9 1938 * Kristallnacht * 2001
Max Schmeling:
Arischer Champion
und Retter von Juden
von Baruch Tenembaum
Gründer der Internationalen Raoul-Wallenberg-Stiftung
Der Boxer Max Schmeling, Weltmeister im Schwergewicht und weltbekannt
durch die beiden Kämpfe mit Joe Luis, in denen er in den Vereinigten
Staaten die Rolle des Schurken einnehmen musste, wird immer noch
ungerechterweise mit Nazideutschland in Verbindung gebracht. Sein Titel
und seine Figur wurden von Adolf Hitler für die nationalsozialistische
Propaganda missbraucht, um arische Überlegenheit zu demonstrieren.
Trotzdem hat sich Schmeling innerhalb und außerhalb des Rings stets als
ein Ehrenmann gezeigt.
Erst viele Jahre später wurde bekannt, dass Schmeling während des
Nationalsozialismus sein Leben riskiert hat, indem er jüdische Kinder in
seinem Hotelzimmer versteckt und ihnen so die Flucht aus Deutschland
ermöglicht hat.
Schmeling begann seine professionelle Karriere 1924, mit neunzehn Jahren.
Zwei Jahre später gewann er den deutschen Meistertitel im
Halbschwergewicht. Bevor er 1929 in den Vereinigten Staaten kämpfte,
hatte er sich bereits den europäischen 175 Pfund-Titel sowie die
deutsche Meisterschaft im Schwergewicht erkämpft. In New York erregte
Schmeling Aufsehen, als er zwei der besten Schwergewichtsboxer Johnny
Risko und Paolino Uzcudun, besiegte. Durch diese Triumphe stieg er auf
den zweiten Platz der Weltrangliste auf: der Weltmeistertitel war nun
zum Greifen nahe.
Durch seinen sensationellen Sieg am 19. Juni 1936 über den
afroamerikanischen Schwergewichtsboxer Joe "Brauner Bomber" Luis, den
viele für den besten Boxer aller Zeiten in seiner Gewichtsklasse halten,
wurde Schmeling, ein Mann mit liberalen Ansichten und einem jüdischen
Manager, Max Jacobs, unfreiwillig zu einem Symbol für die vermeintliche
Überlegenheit der Nordisch-germanischen Rasse. In Nazideutschland wurde
dieser Triumph – zu Schmelings Unbehagen – in rassistischer Weise als
ein Beweis für die Minderwertigkeit der "Neger" gefeiert.
Die Revanche im Yankee-Stadium, zu der sich am 22. Juni 1938 mehr als
70000 Zuschauer einfanden, wurde, mehr als jeder andere Kampf in der
Geschichte des Schwergewichtsboxens, als eine Konfrontation rassischer
und politischer Prinzipien ausgetragen. Joe Luis sollte nicht nur für
sich selbst, sondern für den Stolz Amerikas und seiner schwarzen
Bevölkerung in den Ring gehen. In der ersten Runde, nach zwei Minuten
und vier Sekunden, endete der Kampf mit einem Knock Out Schmelings,
herbeigeführt durch einen Ausbruch unkontrollierbarer Schläge des Boxers
Luis.
Trotzdem wird Max Schmeling auch für das in die Geschichte eingehen, was
er außerhalb des Boxrings geleistet hat. Die Geschichte von Max
Schmeling ist die Geschichte eines Helden, der während des Pogroms am 9.
November 1938 das Leben von zwei jüdischen Jugendliche, den Brüdern
Lewin, gerettet hat. Ein Mann aus einfachen Verhältnissen, der im
Konflikt mit dem Naziregime und Hitlers Rassenpolitik im Dritten Reich
stand, ein Mann der außerordentliche Großzügigkeit, Rechtschaffenheit
und Menschlichkeit bewiesen hat, und der trotzdem nie über diese Taten
gesprochen hat.
Robert Wiesbord und Norbert Heterich von der University of Rhode Island
beschreiben in einem Artikel, der in der Zeitschrift History Today
veröffentlicht ist, wie Schmeling sich bereit erklärte, die beiden
jugendlichen Söhne seines jüdischen Freundes Lewin zu verstecken, als
die Schrecken der nationalsozialistischen Judenverfolgung in der
Reichspogromnacht im November 1938 einen neuen Höhepunkt erreichten.
Er brachte die Lewin-Söhne, Henry und Werner, in seine Suite im
Excelsior-Hotel und hinterließ eine Nachricht am Empfang, dass er krank
sei und nicht gestört werden möchte. Später, als die Wellen des Hasses
etwas abgeflaut waren, half Schmeling ihnen, das Land zu verlassen und
sich in Sicherheit zu bringen. Sie konnten fliehen und gelangten in die
Vereinigten Staaten, wo einer der Brüder, Henry, Eigentümer einer
bekannten Hotelkette wurde. Erst 1989, als Henry Lewin Schmeling nach
Las Vegas einlud, um ihm für seine lebensrettende Tat zu danken, wurde
diese Episode bekannt. Bis heute ist Henry Lewin davon überzeugt, dass
er und sein Bruder ihr Leben dem berühmten Boxer verdankten und dass
dieser für diese humanitäre Tat sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg – Hitler, der nie überwinden konnte, dass
Schmeling kein Parteimitglied werden wollte, hatte ihn zu den
Fallschirmjägern eingezogen und mit selbstmörderischen Aufgaben betraut
– boxte Schmeling fünf weitere Kämpfe, schaffte es jedoch nicht mehr
zurück in die Top Ten. Er gewann einige Kämpfe, wurde aber im Mai 1948
von einem anderen Boxveteran, Walter Neusel, nach Punkten geschlagen.
Auch nachdem er sich aus dem Boxsport zurückgezogen hatte, blieb der
ehemalige Weltmeister, der in seinen 70 Kämpfen 56 gewonnen und 4 mit
Unentschieden beendet hat, ein beliebter und geachteter Mann, nicht nur
in Deutschland, sondern auch in Amerika. Er gewann die goldene Schleife
der Vereinigung der deutschen Sportpresse, wurde Ehrenbürger der Stadt
Los Angeles und erhielt 1967 den Amerikanischen Sport Oscar. 1977
veröffentlichte er seine Autobiographie "Erinnerungen". 1957 erwarb
Schmeling eine Coca-Cola Lizenz und etablierte sich als erfolgreicher
Unternehmer in Hamburg-Wandsbek. Er ist heute als einer der
großzügigsten Stifter in Deutschland bekannt.
Schmeling pflegte viele Freundschaften, und auf die eine oder andere Weise
wurde jeder seiner Gegner im Ring zu seinem Freund. Regelmäßig und ohne
davon Aufhebens zu machen überwies er dem heruntergekommenen Joe Luis
Geld; eine Freundschaft, die über den Tod hinaus bestand: Schmeling
bezahlte seine Beerdigung.
haGalil onLine 08-11-2001 |