Die
Anschläge als Markenzeichen radikaler Selbstaufgabe:
Marketing für die Ungläubigen
Was entsetzt, ist die Realität des Grauens und Schreckens. Was
fasziniert, ist das Wiedererkennen und die Perfektion eines
fiktionalen Szenarios - eben das, was man Terroristen vom Kaliber
eines Bin Laden abspricht: das logistische Vermögen, die USA nicht
nur in Angst und Rage zu versetzen, sondern nachhaltig zu
beeindrucken.
Wer nach den ideologischen Motiven dieser
Selbstmordanschläge, der radikaler Selbstaufgabe zugunsten der
Vernichtung sucht, wurde bis gestern - seitdem ist sie vom Netz -
unter dem Stichwort Dschihad, Heiliger Krieg, auf einer
Internet-Homepage der Taliban fündig: Zur Rettung der Menschheit sei
Ungläubigen eine Lektion zu erteilen, ja, es gelte sie auf den
rechten Pfad zu bringen und damit vor ewiger Qual und Pein (azab)
zu bewahren. So gesehen, wird der Dschihad zu einer Wohltat an den
Heiden und der Märtyrertod zu einer Strategie der Bekehrung. Denn in
der imponierenden Überwindung der Todesangst beweise der Dschihad
die Kraft des Islam. Seine Wahrhaftigkeit werde ihnen die Augen
öffnen, und indem sie sich mit dem Islam beschäftigen, könnten sie
Teil der muslimischen Bruderschaft werden.
In Worten des US-Marketings: Was wir in New York
und Washington erlebt haben, war eines der nachhaltigsten
Markeneinführungen (Brandings) der Geschichte, weit mehr als die
Zerstörung der Buddhas von Bahmiyan. Anders als bisher diskutiert,
geht es nicht so sehr um die Symbole der US-Weltherrschaft in Form
von Pentagon und World Trade Center. Das zu vermarktende Label ist
die Aktion der Zerstörung selbst. Das Objekt ist nicht so wichtig.
SUSANNE RENZ
taz 13.9.2001 Kommentar
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13-09-2001 |