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"Es wird keinen Nahost-Krieg geben"

Von Richard Chaim Schneider

Der Publizist und Filmemacher Richard Chaim Schneider wurde 1957 als Kind ungarischer Juden und Holocaust-Überlebender in München geboren. Er publizierte diverse Bücher über das jüdische Leben in Deutschland. Vor drei Jahren erschien sein Buch »Israel am Wendepunkt«. Für seinen Dokumentarfilm »Wir sind da! Die Geschichte der Juden in Deutschland von 1945 bis heute« wurde er im vergangenen Jahr unter anderem mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet.

Schneider lebt abwechselnd in München und Jerusalem. Mit ihm sprachen Klaus und Ulrich Lindenauer über die derzeitige Situation in Israel und in den palästinensischen Gebieten.

Sie sind erst kürzlich von einem längeren Aufenthalt in Israel zurückgekehrt. Dort haben sie eine Reportage über die Auswirkungen der so genannten Al-Aksa-Intifada auf den Alltag von Israelis und Palästinensern gemacht. Was ist Ihnen besonders aufgefallen?

Die eigentliche Katastrophe an der neuen Intifada ist, dass die Verständigung zwischen den moderaten Kräften beider Seiten unmittelbar nach dem Ausbruch fast vollständig zum Erliegen gekommen ist. Der Dialog, den palästinensische und israelische Friedengruppen über Jahre hinweg geführt haben, ist von Seiten der Palästinenser radikal abgebrochen worden. Die wenigen Israelis, die sich immer für Gespräche und Frieden eingesetzt haben, waren schockiert, dass man sie quasi in einen Topf mit all den Rechten im Land geworfen hat. Das führte fast automatisch dazu, dass viele Linke zu den Rechten abgewandert sind. Und diejenigen Linken, die diesen Schwenk nicht vollzogen haben, sind als politische Kraft mittlerweile kaum noch von Gewicht.

Trotzdem gibt es noch kleine Gruppen, die intensiv miteinander in Kontakt stehen. Sie werden jedoch von beiden Seiten extrem angefeindet, wobei jene Palästinenser, die nach wie vor dialogbereit sind, auch Morddrohungen aus den eigenen Reihen erhalten.

Innerhalb Israels scheint der Konflikt gerade die Orthodoxen politisch zu stärken.

Nur bedingt. Die orthodoxen Parteien in Israel, die nur eine relativ kleine gesellschaftliche Gruppe repräsentieren und auch prozentual nicht so wichtig sind, haben bisher immer das Zünglein an der Waage dargestellt, ähnlich wie die FDP in Deutschland.

Ein gewagter Vergleich.

Aber ein zulässiger. Ungeachtet der jeweiligen politischen Rahmenbedingungen haben die orthodoxen Parteien eigentlich immer versucht, egal ob sie nun mit den Linken oder mit den Rechten koalieren wollten, für sich das Beste herauszuschlagen und die großen Parteien gegeneinander auszuspielen. In der aktuellen politischen Situation ist das aber irrelevant. Es handelt sich um eine innenpolitische Konstellation, die immer vorhanden war und nach wie vor vorhanden ist.

Die außenpolitische Belastung hat aber auch eine Schwächung jener gesellschaftlichen Akteure bewirkt, die sich gegen die hegemonialen Strömungen von Säkularismus und Orthodoxie in Israel wenden, wie etwa jüdisch-israelische Feministinnen, die im Kontext der Friedensbewegung die Forderung nach einer pluralen jüdischen Religion mit einer völligen Trennung von Staat und Religion verbunden haben. Wegen der Intifada werden solche innenpolitischen Konflikte erst einmal zurückgestellt. Im Augenblick hat man andere Sorgen.

Sorgt man sich denn auch wegen der Unruhen unter den arabischen Israelis? In ihrem vor drei Jahren erschienenen Buch »Israel am Wendepunkt« schreiben Sie, dass sich ihre Situation mit derjenigen der sephardischen Juden vergleichen lässt. Werden die arabischen Israelis im Zuge der neuen Intifada verstärkt diskriminiert?

Die Diskriminierung hat tatsächlich zugenommen. Die Aufstände im Norden Israels im vergangenen Herbst, in deren Verlauf 13 arabische Israelis von der Polizei erschossen wurden, markierten einen Wendepunkt im Selbstverständnis dieser Bevölkerungsgruppe. Ihre Loyalität zu den Palästinensern wie auch die Bereitschaft zum Kampf gegen Israel ist seither viel stärker geworden. Viele begreifen sich nicht mehr als Teil der israelischen Gesellschaft, was auch ein Grund für den Wahlsieg Sharons war. Die meisten arabischen Israelis haben sich bei der Wahl im Februar der Stimme enthalten, statt wie bisher für die Linke zu stimmen.

Inzwischen glauben viele, dass sich nicht nur die Rechte, sondern auch die Linke gegen sie wende. Das ist ein innenpolitisches Novum, und ich glaube, dass sich angesichts der momentanen Lage die meisten Israelis noch gar nicht im Klaren darüber sind, was das auf lange Sicht politisch bedeutet.

In ihrem Buch vertreten sie auch die These, Israel befinde sich wegen seiner vielschichtigen inneren Spannungen am Rande des Abgrunds. Die äußere Bedrohung halten Sie hingegen für sekundär. Sehen Sie das heute immer noch so?

Ja, mit dem Unterschied, dass die äußere Bedrohung heute scheinbar massiver geworden ist. Dennoch wird es im Moment keinen Nahost-Krieg geben. Kein einziger arabischer Staat würde für die Palästinenser in den Krieg ziehen. Die Solidarität mit ihnen geht nicht so weit, dass die politischen Führungen in den arabischen Staaten die Konsequenzen unmittelbar bewaffneter Auseinandersetzungen auf sich nehmen würden. Zudem liegen die meisten Staaten im Nahen Osten ökonomisch ohnehin am Boden. Diese Situation würde sich durch einen offenen Krieg verschärfen.

Die politische Konstellation innerhalb der palästinensischen Gebiete birgt weiteres Konfliktpotenzial. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob Jassir Arafat nur ein Getriebener ist oder ob er noch Autorität in seiner eigenen Partei und deren Unterorganisationen, wie etwa der Fatah und den Tansim-Milizen besitzt.

Das Gerücht, Arafat kontrolliere die Situation nicht mehr, ist Unsinn. Im Gegenteil: Er hat die Lage total unter Kontrolle. Als der PLO-Chef nach dem Bombenanschlag in Tel Aviv vor einigen Wochen Handlungsdruck verspürte, war für drei Tage absolute Ruhe. Das heißt natürlich nicht, dass Arafat jeden Fundamentalisten grundsätzlich davon abhalten kann, eine Bombe zu werfen. Dennoch stellt es seine Autorität unter Beweis.

Wenn die Politik der Autonomiebehörde dermaßen planvoll ist, wie sind dann Ariel Sharons politische Handlungsspielräume gegenüber den Palästinensern bemessen? Wäre auf lange Sicht auch ein Premierminister Ehud Barak gezwungen gewesen, ähnlich zu agieren, wie es Sharon heute macht?

Im Grunde genommen hat Barak ähnlich wie Sharon gehandelt. Vom vergangenen Herbst bis zu den Neuwahlen im Februar dieses Jahres war die Intifada bereits im Gange. Unter dem Befehl Baraks hat die israelische Armee damals schon massiv zurückgeschlagen. Allerdings sind zu dieser Zeit die Verhandlungen nicht abgebrochen worden. Immer wieder hat die israelische Seite Zugeständnisse gemacht. Die Palästinenser waren wirklich sehr dumm, sie nicht anzunehmen. Man muss fast vermuten, dass sie die heutige Situation, in der Hoffnung, die internationale Gemeinschaft würde sich einmischen, herbeibomben wollten.

Sharon wiederum verfügt über einen viel größeren Handlungsspielraum, als Barak ihn je hatte. Aus zwei Gründen. Zum einen haben die Rechten generell viel bessere Voraussetzungen, Frieden zu schaffen; die Linke wird immer mitziehen. Ein ähnliches Engagement der Linken hingegen stößt bei den Rechten fast immer auf Ablehnung. Zum zweiten regiert Sharon, anders als Barak zu Zeiten von Camp David, mit einer breiten Koalition, und wenn er einen echten Frieden in die Wege leiten würde, hätte er ein viel leichteres Spiel innerhalb der Knesset als sein Vorgänger.

Am 8. Juli findet in Berlin eine Diskussion mit Richard Chaim Schneider über seine Filmreihe »Wir sind da!« statt. Im »Kato«, U-Bhf. Schlesisches Tor, um 19.30 Uhr.

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