Bikkur Cholim
Von Yizhak Ahren (Köln)
Wer
einen Kranken besucht, der erfüllt, wie Rabbiner Aaron Levine in seinem Buch
»Bikkur Cholim. Visting the Sick« (Toronto 1987) ausführt, gleich mehrere Gebote
der Tora. Es ist bemer kenswert, dass man vor einem Krankenbesuch keine Bracha
spricht. Die Frage drängt sich auf, warum ein Jude, bevor er am Sukkot den Fest
strauß in die Hand nimmt und ebenso vor dem Tefillin-Anlegen einen Segensspruch
macht, nicht aber vor der Erfüllung des Mitzwa von Bikkur Cholim.
Um die unterschiedliche Praxis verständlich zu machen, ist ein Kriterium
anzugeben, wann bei einer Mitzwa eine Bracha gesagt wird und wann nicht.
Tatsächlich liegen mehrere Erklärungen vor, warum vor einem
Krankenbesuch keine Bracha zu sprechen ist. Hier sei nur die Auffassung
von Rabbiner Isaak ben Moses aus dem 13. Jahrhundert referiert. In
seinem Werk »Or Sarua« (= Gestreutes Licht) ist zu lesen, dass man nur
über eine solche Mitzwa eine Bracha spricht, die von Zeit zu Zeit - und
sei es täglich einmal - zu er füllen ist. Besteht aber eine
ununterbrochene Verpflichtung wie z.B. beim Gebot der Gottesfurcht, dann
wird keine Bracha gesagt.
Da Bikkur Cholim zu den Mitzwot
zählt, von denen man sich nie be freien kann, sage man vor ihrer
Erfüllung keine Bracha. Die Tatsache, dass wir jederzeit verpflichtet
sind, Kranke zu besuchen, ist für die Praxis sehr wichtig - aber auch
für die Theorie. Sie lehrt uns, dass wir im Judentum keine Event-Kultur
sehen dürfen. Wer eine Mitzwa für eine Art Gimmick hält, der hat das
Wesentliche nicht begriffen. Die Mitzwot der Tora sind lehrreiche
Richtlinien für unser Leben.
Die Tora verlangt von den
Mitgliedern des jüdischen Volkes nicht nur einzelne Handlungen zu
festgelegten Zeitpunkten, sondern eine bestimmte Haltung zu Gott und zu
den Menschen. Bedarf es eines Beweises für diese These, dann genügt der
Hinweis auf die Mitzwot, die wie Bikkur Cholim ständig zu erfüllen sind.
Erstersch. in "Jüdische
Korrespondenz"
Monatsblatt des
Jüdischen Kulturvereins Berlin e.V.
Shevat 5761 |