Bankrott-Erklärung vor
Neonazis
von Paul Spiegel,
Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland
Gastkommentar im Kölner
EXPRESS
Die Herabsetzung und damit
Abmilderung der gegen den Neonazi Manfred Roeder verhängten
Freiheitsstrafe kommt einer Bankrotterklärung der deutschen Justiz
vor den Neonazis gleich.
Beteuerungen, sich der besonderen Verantwortung der Justiz bewußt zu
sein, verkommen zu bloßen Phrasen und haben auch nichts mit der
stets beanspruchten Unabhängigkeit zum Schutz der Rechtsordnung zu
tun.
Die Justiz ist ein Teil dieser Gesellschaft und als solcher trägt
sie auch Verantwortung. Das heute durch das Landgericht Schwerin
ausgesprochene Urteil reiht sich in die Kette jener Urteile ein, die
sich in den vergangenen Wochen mehr durch Milde und Verständnis als
durch präventive Abschreckung auszeichnen.
Manfred Roeder hat gerade durch sein Verhalten und fortgesetztes
Leugnen in der Vergangenheit gezeigt, daß er uneinsichtig ist und
eben doch ein Wiederholungstäter bleibt, daran ändert auch das Alter
nichts.
Wenn die geistigen Väter der rechtsradikalen Szene mit der Milde des
Rechtsstaates rechnen dürfen, kann es kaum verwundern, daß
rechtsradikale Jugendliche solche Urteile eher als Ermunterung
verstehen.
Es bleibt zu fragen, ob die Justiz tatsächlich immer noch, oder
schon wieder, auf dem rechten Auge blind ist.
Ihrer Aufgabe, im Sinne einer stabilen Rechtsordnung für
Verlässlichkeit und Sicherheit für alle Menschen dieser Gesellschaft
gleichermaßen zu sorgen, kommt sie jedenfalls so nicht nach.
Eine ganze Reihe von engagierten Justizvertretern im Kampf gegen
Extremismus müssen sich im Angesicht solcher Urteile vorkommen wie
Don Quixote. Von den Opfern will ich gar nicht erst sprechen.
haGalil onLine
04-04-2001
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