Nebensachen aus Jerusalem:
Unkoschere Eisfächer
Hausputz und
Vorratshaltung vor dem Pessachfest
Zentralheizung und
Kühlschränke mit großen Eisfächern sind in Israel unverzichtbar,
wenn man sich mit seinen Nachbarn gut stellen will. Die wenigsten
Wohnungen haben eine richtige Heizung, und an manchen Winterabenden
wird es äußerst kühl. Dann braucht man einen Nachbarn, bei dem man
sich zumindest für die Dauer der Nachrichten und des anschließenden
Spielfilms aufwärmen kann.
Für das große Kühlfach
besteht hingegen jährlich nur eine Woche lang Bedarf - aber der ist
heftig. Es geht um das jüdische Pessachfest, mit dem immer im April
die Juden des "Exodus", des Auszugs ihres Volkes aus Ägypten,
gedenken. "Sieben Tage lang darf sich kein Sauerteig in euren
Häusern finden", heißt es im 2. Buch Mose, "denn jeder, der
Gesäuertes isst, dessen Seele soll ausgerottet werden." Fast
nirgendwo ist in dieser Zeit "Hametz", gesäuerterTeig, zu erstehen.
Der unfromme Mensch baut
deshalb vor und kauft Toast und Fladenbrot, Brötchen und Baguette.
Denn sicher kommen ausgerechnet in der Pessachwoche Verwandte oder
Freunde zu Besuch, die auf den unkoscheren Inhalt des Eisfaches
bauen. An Pessach ist alles unkoscher, was Sauerteig enthält. Dazu
gehören Brot, panierte Schnitzel, Kuchen und Bier.
Rund ein Drittel der Israelis
hält sich an die frommen Regeln. In den Supermärkten wird deshalb
schon Wochen vor dem Fest Kuchen aus Matzemehl angeboten. Die Regale
der Sauerteigprodukte werden mit riesigen Plastikplanen umwickelt
und zugeschnürt. In frommen Häusern wird sauber gemacht und jeder
Krümel beseitigt.
Bei so einem Hausputz stellt
sich jedes Jahr erneut die Frage: Wohin mit den an Pessach nicht
koscheren Nahrungsmitteln? Meist landen sie im Müll, denn was das
ganze Jahr über als fromme Tat beim Schöpfer Pluspunkte bringen
könnte, nämlich das Brot den Armen zu geben, geht an Pessach nicht,
solange es sich bei den Armen um Juden handelt. In diesem Jahr haben
friedensbewegte Studenten die perfekte Lösung gefunden: Das
säuerliche Gut soll an die Not leidenden Palästinenser gegeben
werden.
Am siebenten und letzten Tag
des Pessach bilden sich schon in den frühen Abendstunden manchmal
meterlange Schlangen vor den Bäckereien, die schon vor Ende des
Festes backen dürfen: bei den arabischen Israelis. In Jaffa,
unmittelbar bei Tel Aviv, macht der arabische Brotbäcker Abulafia am
letzten Pessachtag das beste Geschäft im Jahr. Inzwischen
jendenfalls wieder. Jahrelang war es still um Abulafia geworden,
nachdem ein Team der TV-Serie "Versteckte Kamera" heimlich ihre
Geräte im Backraum anbrachte. Die Fernsehleute planten, wie in der
Serie üblich, die unbemerkt Beobachteten zu foppen. Zu ihrer
Überraschung mussten sie entdecken, dass die Bäcker abwechselnd in
den Teigtrog pinkelten. Ein Akt des Protests gegen die überwiegend
jüdische Kundschaft. Der Skandal blieb nicht aus, doch inzwischen
schmeckt das Brot von Abulafia wieder - vor allem am letzten Abend
von Pessach.
SUSANNE KNAUL
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20-03-2001
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