Ein Offener Brief an die Siedler:
Im Namen eurer und unserer Kinder
Von A.B. Jehoschua
Im Namen eurer und unserer Kinder,
seid mutig, Ihr Siedler, beweist Kühnheit und Vernunft, kehrt freiwillig in
den Staat Israel zurück.
...Überlegen wir gemeinsam, wie wir den Kindern, heute, morgen und
übermorgen Tod und Verletzung, Zerstörung und Trauer ersparen können. Fragen
wir uns, was zu tun ist, damit dies nicht mehr stattfindet. Prüfen wir, was
eines Kampfes um Leben und Tod zur Verteidigung des Staats Israel lohnt und
wofür ein solcher Tod keinen Sinn macht...
In Büroräumen,
Straßen, Konferenzsälen und Einkaufszentren bin ich Zeuge eines
besorgniserregenden Phänomens, das ich nie zuvor erlebt habe.
Zahlreiche Bürger Israels zeigen sich nunmehr gleichgültig, wenn
nicht feindselig euch, eurem Schmerz, eurer Trauer gegenüber. Ihr
seid sovielen dermaßen fern und seltsam geworden, daß selbst bei den
Tragödien, die ihr erlebt, sie vor Wut euch gegenüber kochen...
Fehlte es denn
euch an Platz innerhalb des Staates Israel, daß ihr nach Gaza und
ins Herzen Samarias gegangen seid? Ist denn Galiläa vollkommen
überbevölkert? Gab es in den Weiten des Negevs keinen Ort für euch?
Gehören all diese Orte nicht zum Boden Israels, wie es in euren
Augen Netzarim, Kfar Darom, Gusch Katif oder Psagot tun? Ist euer
Herz derart versteinert, daß ihr nicht den entsetzlichen Preis
versteht, den euer Beharren auf Siedlungen, selbst im Herzen
palästinensischer Städte, uns und euch kostet?...
Sagt uns mal,
kennt ihr ein einziges Beispiel in der Geschichte für ein Volk, das
endlos ein anderes Volk zu beherrschen vermochte? Kennt ihr einen
einzigen Ort auf der Welt, an dem Menschen im eigenen Land ohne
Bürgerrechte leben, wie es den Palästinensern in ihrer Heimat
ergeht?
Was soll denn
ZaHaL (Zwa Haganah leJisrael, die israelische Verteidigungsmacht) da
erreichen?
Eine Million
Algerier sind während des Jahrzehnts ihres Aufstandes von den
Franzosen umgebracht worden. Mit äußerster Grausamkeit und
Beharrlichkeit haben die Franzosen erbarmungslos die Algerier
unterdrückt, zerstört, getötet und bestraft. Das alles hatte jedoch
keinerlei Erfolg um den Kampf zur allgemeinen Unabhängigkeit
niederzudrücken: nach 130 Jahren Kolonisierung musste Frankreich
ihre Bürger in die Metropole repatrieren und Algerien seine
Unabhängigkeit geben.
Selbst wenn es
uns gelänge das palästinensische Volk auseinanderzunehmen, wir
könnten seinen Unabhängigkeitswillen und sein Recht auf einen Staat
auf 22%(!) des Gebiets, das es als seine Ursprungsheimat ansieht,
nicht zerstören.
Heute lamentiert
ihr über die Osloer Verträge? Gab es vor Oslo keine Attentate? Und
unter Jizhak Shamir und Menahem Begin, gab es da keine Kriege? Sind
damals keine Siedler gestorben? Habt ihr sie vergessen? Habt ihr den
Libanon Krieg vergessen? Habt ihr die 1.200 dort umgekommenen
Soldaten
vergessen? Habt ihr die Soldaten und die Sicherheitsleute
vergessen, die in den Gassen von Nablus oder Hebron getötet oder
verletzt worden sind? Habt ihr die Messerstechereien in Rischon
leZion und in den südlichen Stadtteilen von Tel Aviv vergessen? Habt
ihr die Bomben auf unseren Märkten vergessen?
Brüder Siedler,
seid nicht stur, sondern stark und weise. Allein der starke und
weise Mensch weiß im Namen des Lebens sich selbst für das Leben zu
entscheiden. Allein der Weise versteht es zu verzichten, ohne zu
glauben damit ginge seine Welt unter. Wir lieben unser Land nicht
weniger als ihr. Genauso wie ihr, haben wir in allen Kriegen Israels
gekämpft - und deswegen unterscheiden wir genau zwischen dem, wofür
zu kämpfen lohnt, und dem, wofür zu kämpfen sinnlos ist. Euer Leben,
das Leben euer Kinder ist uns kostbar: kehrt nach Hause zurück,
verlasst das Exil in Palästina.."
Auszüge aus
einem offener Brief von
A.B. Jehoschua
erstveröffentlicht am 28.11.00 - und noch immer aktuell
A.B.Jehoshua (RealAudio)
Forum:
Brief an die Siedler
Siehe auch:
haGalil onLine
23-03-2001
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