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«Sein
oder nicht sein, leben oder sterben»: Mit dramatischen Worten gibt
sich der neue israelische Infrastrukturminister Avigdor Lieberman,
kaum im Amt, kampfentschlossen. Diesmal geht es um Wasser - Wasser
vom libanesischen Jordan-Quellfluss Hasbani.
«Wegen
Wasser brechen Kriege aus», warnt der Rechtsaussen Lieberman
vielsagend. Die libanesischen Behörden haben nämlich vergangene
Woche nahe der Grenze zu Israel mit dem Bau einer kleinen
Pumpstation begonnen.
Zwei Dörfer sollen Hasbani-Wasser erhalten. Es sind Dörfer, die 1982
im Libanonkrieg von ihren Bewohnern verlassen und von der bis Beirut
durchmarschierenden israelischen Armee zerstört worden waren. Seit
Israels Truppenabzug im Mai letzten Jahres sind ein paar Dutzend
Familien in diese Dörfer zurückgekehrt, und sie brauchen
Trinkwasser. Dafür wird eine Leitung aus 4-Inches-Röhren, also mit
einem Durchmesser von zehn Zentimetern, gelegt.
Von
«Casus belli» ist die Rede
Die
Wasserleitung war Israels grösster Zeitung «Yedioth Achronoth»
vergangene Woche die Schlagzeile auf der Titelseite wert: «Israel:
Wir werden die Umleitung des Hasbani-Wassers nicht dulden.» Das
Konkurrenzblatt «Maariv» stellte über eine Doppelseite die
Balkenüberschrift mit Liebermans Kriegswarnung. Beide Schlagzeilen
waren drei Inches hoch - fast so gross wie der Durchmesser des
Streitobjekts, des potenziellen «Casus belli», den mittlerweile auch
Uri Saguy, Chef der staatlichen Wassergesellschaft «Mekorot»,
ausgemacht hat.
In
Israel hat vor wenigen Tagen der nationale Wasserkommissar Shimon
Tal davor gewarnt, dass nach dem erneut überaus trockenen Winter im
kommenden Sommer gar ein Trinkwassermangel droht. Manch einer, der
den Wasserhahn aufdreht, wird es dann ebenso vergeblich tun wie
viele Palästinenser im Westjordanland seit Jahren unter israelischer
Herrschaft. Der vom Jordan gespeiste See Genezareth, Israels
nationales Reservoir, hat jetzt schon so wenig Wasser wie sonst nach
einem besonders heissen und langen Sommer; die Grundwasservorkommen
drohen zu versalzen.
Wasser aus drei Staaten
Zwei
Drittel des Genezareth-Seewassers stammen aus dem Jordan, dessen
drei Quellflüsse von drei verschiedenen Staaten ausgehen: Der
Hasbani entspringt im Libanon, der Dan in Israel und der Banyas in
Syrien; er hat seinen Ursprung auf den israelisch besetzten
Golanhöhen. 110 bis 130 Millionen Kubikmeter, 24 Prozent des
Jordanwassers, liefert der Hasbani, 54 Prozent der Dan, 22 Prozent
der Banyas.
Insofern wäre die israelische Aufregung verständlich, wenn die
Libanesen tatsächlich weiter reichende Pump- und Umleitungspläne
hätten. Davon ist aber über den neuen, elektronisch gesicherten
Grenzzaun hinweg nichts zu sehen. Zwei kleine Bauten, vermutlich für
die Pumpe und den Übererwachungsraum, sowie ein paar Röhren liegen
herum, auch Strommasten sind herangeführt worden. Will man den
eigenen Augen trauen, dann scheint es sich tatsächlich nur um eine
kleine örtliche Wasserleitung zu handeln.
Schlechte Erinnerungen geweckt
«Aber
man kann die Pumpstation erweitern, und dann ist die entnommene
Wassermenge bedeutender», meint Wasser-Kommissar Tal. «Wir wissen
alle um den Wassermangel.» Und weil dieser Mangel in den Dörfern der
bisherigen Kriegsregion Südlibanon trotz mehrerer Flüsse - neben dem
Hasbani der Litani und der Awali - nach wie vor besteht, liefert
Israel auch jetzt noch, fast ein Jahr nach seinem Abzug, Trinkwasser
in ein paar nahe Dörfer jenseits der Grenze.
Vor
allem aber sind es die politischen und geschichtlichen Aspekte, die
jede Wasserentnahme so brisant machen. Die Anrainerstaaten des
Jordans und des Sees Genezareth - Israel, Syrien, Libanon - befinden
sich noch immer im Kriegszustand. Zwischen ihnen besteht keinerlei
Abkommen über die Nutzung und Verteilung des Wassers. Doch seit fast
fünf Jahrzehnten gilt ein Status quo, den vor allem Syrien in den
fünziger und sechziger Jahren mehrfach vergeblich zu missachten und
zu seinen Gunsten zu verändern suchte.
Im
Jahre 1956 versuchte Syrien, Israel an der Wasserentnahme vom Jordan
und dem See Genezareth zu hindern. Der damals vom amerikanischen
Vermittler Eric Johnstone ausgearbeitete Verteilungsplan für das im
Jordanbecken anfallende Wasser wurde zwar nie unterzeichnet, gilt
jedoch grundsätzlich bis heute. In den sechziger Jahren arbeitete
indes die arabische Seite an Plänen zur Umleitung des Hasbani und
des Banyas in den Litani-Fluss; einen entsprechenden Beschluss hatte
die Gipfelkonferenz der Arabischen Liga 1964 getroffen. Vor allem
die Syrer machten sich an die Arbeit - trotz israelischen Warnungen.
Es kam zu mehreren schweren Feuerwechseln, ehe im Jahre 1967, noch
vor dem Sechstagekrieg im Juni, Israel die neu errichtete
Pumpstation bei Rajar - am gleichen Ort wie die heutige -
bombardierte und zerstörte.
Es
geht ums Prinzip
Seither
herrschte Ruhe. Bis vor einer Woche die Bauarbeiten für die
Pumpstation begannen. Nun hat das Hasbani-Wasser die Erinnerungen an
jenen Konflikt heraufbeschworen. Professor Dan Sashansky, Israels
anerkannte Wasser-«Autorität», meint zwar, dass der Schaden klein zu
sein scheint. Aber: «Der Präzedenzfall wiegt schwer. Wir dürfen auf
keinen Fall nachgeben.» Es geht also ums Prinzip. Generalstabschef
Shaul Mofaz sieht es gleich: Die Libanesen hätten gegen eine
internationale Abmachung verstossen, und falls sie trotz
internationaler Bemühungen nicht zurückkrebsen sollten, dann «müsste
geprüft werden, was zu machen ist».
Der
Minister für innere Sicherheit, Uzi Landau, traut allen Arabern und
daher auch den Libanesen grundsätzlich nicht über den Weg. Sie
hätten mehr als den Status quo verletzt: «Sie wollen nicht nur
Wasser, sondern haben noch ganz andere Absichten.» Auch Landau geht
es nicht allein ums Wasser, sondern vor allem ums Prinzip. Und, wenn
man bedenkt, dass es sich bei ihm um den nationalistischen
Chefideologen handelt, wohl auch darum, den Arabern den Meister und
keine eigene Schwäche zu zeigen.
Der
Chef schweigt
Fehlt
eigentlich nur noch Ariel Sharon - der Mann, der 1982 den
Libanonkrieg ausgelöst hat und seit Jahren warnt, man dürfe auch für
einen Friedensvertrag weder den Syrern noch den Palästinensern die
Herrschaft über oder alleinige Nutzungsrechte an irgendwelchem für
Israel lebensnotwendigen über- und unterirdischen Wasser einräumen.
Doch der israelische Regierungschef, der sich in diesen Tagen in den
USA aufhält, hat bis jetzt geschwiegen. Aus Prinzip oder aus
Klugheit - vielleicht weil er denkt, dass das abgepumpte
Hasbani-Wasser nicht einmal für einen sprichwörtlichen Sturm im
Wasserglas ausreicht.
haGalil onLine
20-03-2001
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