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Der Andrang war gewaltig: 400 Gäste
sollten es ursprünglich sein, 900 waren es am Ende - noch einmal so viele
durften gar nicht erst anreisen. Die Bundeszentrale für politische Bildung hatte
zu einem Kongress über Rechtsextremismus nach Leipzig geladen. "Verirrung,
Provokation oder Protest?", lautete die Frage. Die Antwort blieb weitgehend
vage.
Es gibt ein kurzweiliges
Geburtstagsspiel, das heißt im Hessischen "Schlappes hat den Hut verloren" und
geht so: Alle am Tisch haben eine Nummer, einer fängt an und sagt etwa: "1 hat
ihn nicht, 15 hat ihn." Daraufhin 15: "15 hat ihn nicht, 7 hat ihn."
Undsoweiter. Wer seinen Einsatz verpennt, muss ein Pfand abgeben. Mit etwas Pech
steht man am Ende fast nackt da.
Eine Variante dieses Spiels wurde nun in
Leipzig aufgeführt. Nur hieß es dort anders - nämlich: "Rechtsextremismus und
Fremdenfeindlichkeit - Was können wir dagegen tun?" Eine Podiumsdiskussion.
- Da war zum Beispiel Bernd
Wagner, Leiter des Berliner Zentrums Demokratische Kultur (ZDK),
der sagte: "In den letzten zehn Jahren wurden in unserer
Gesellschaft gravierende Sünden zugelassen."
- Daraufhin Michel
Friedman, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in
Deutschland: Mit den Sünden sei schon 1945 angefangen worden, er
erwarte nun endlich einen "Aufstand der Zuständigen", namentlich
der Politik.
- Die allein könne das
Problem nicht lösen, erwiderte der Politiker Otto Schily.
- Aber auch nicht der
Wirtschaft überlassen, konterte Polit-Entertainer Klaus Staeck,
der mehr Geld für Jugendprojekte forderte.
- Mit "Jugendbespaßung"
freilich sei es nicht getan, urteilte Björn Richter, der
22-jährige Sprecher des Landesjugendrings
Mecklenburg-Vorpommern.
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Was wiederum Bernd Wagner zu der Mahnung veranlasste, das
Problem Rechtsextremismus nicht eindimensional auf Jugendliche
zu schieben.
Um es kurz zu machen: Am Ende gab's
keine Gewinner, aber jede Menge Ratlosigkeit. Die Frage "Was können wir tun?"
blieb auf beunruhigende Weise unbeantwortet.
Kluge Gedanken gab es zwar, wie den von
Friedman, der den Hang zu Gleichmacherei - Stichwort Neue Mitte - und zum
Duckmäusertum in diesen Tagen beklagte. "Wir streiten uns zu wenig", wetterte er
- was die Zuhörer widerspruchslos hinnahmen. Wie überhaupt die gesamte
Veranstaltung friedlich vor sich hin plätscherte. Was nicht zuletzt daran lag,
das Andersdenkende, mit denen sich zu streiten lohnte, gar nicht erst eingeladen
worden waren. Und so blieb auch dieser Kongress weitgehend im Rahmen der
bekannten Koordinaten: Betroffenheit über die weiter gestiegene Zahl
fremdenfeindlicher Straftaten; Unmut darüber, dass Politiker - siehe die
Vaterlands(losen)-Debatte - gerne Öl ins Feuer schütten; Einigkeit darüber, dass
Was-auch-immer geschehen muss.
Hin und wieder blitzten zwar
nachahmenswerte Beispiele auf wie das Projekt des Jugendpfarrers Christian
Weber, der in Brandenburg rechte und linke Jugendliche an einen Tisch geholt
hat. Weit häufiger aber gab es Sätze wie diese zu hören: "Wir müssen Jugendliche
für die Demokratie gewinnen" (Schily) und "Man kann Rechtsextremismus nicht wie
einen Gordischen Knoten zerschlagen" (Steffen Reiche, Jugendminister
Brandenburg). Was er von solchen Aussagen hält, machte ein Teilnehmer auf einer
Pinnwand deutlich: "Gibt es ein Handeln nach all dem Gerede?"
Siehe auch:
haGalil onLine
26-03-2001
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