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In Israel drohen Weimarer Verhältnisse:
Links, wo kein Mensch ist

Von Moshe Zimmermann


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Vielen mag sich ein Vergleich des heutigen Israels mit der Weimarer Republik aufdrängen – man fühlt sich eben leicht an damals erinnert. Der alte General als letzte Hoffnung in der ausweglos erscheinenden Situation einer geschwächten Demokratie. 

Omry Sharon, engster Berater des neugewählten Ministerpräsidenten, seines Vaters Ariel Sharon, in der Rolle eines Oskar von Hindenburg? Und in welches Assoziationsgefüge ließen sich gar die ostentativen Treffen Sharons mit Vertretern der Wirtschaft und der von den Wirtschaftsmagnaten dabei demonstrierte Opportunismus einordnen?

Doch es darf nicht um Momentaufnahmen aus den zwanziger und dreißiger Jahren gehen, sondern um vergleichbare Strukturen: innere Schwächen eines demokratischen Systems und eine Gesellschaft, die in ihrem Selbstverständnis immer weiter nach rechts rückt. Konkret zu nennen wäre ein Wahlsystem, das zu viele Parteien und Fraktionen im Parlament ermöglicht, als dass es zu stabilen Mehrheiten führen könnte. Oder die 1992 eingeführten „Korrekturen“ dieses defizitären Wahlsystems, die Direktwahl des Ministerpräsidenten, nach der zwei Wahlverfahren miteinander konkurrieren, so wie in Weimar die Direktwahl des Reichspräsidenten und die Wahlen zum Reichstag nebeneinander standen. Wie negativ sich die Wahlreform in Israel ausgewirkt hat, zeigt die steigende Frequenz von Wahlen dieser oder jener Art und die radikale Schwächung der großen Parteien. Anderes bleibt beim Vergleich außen vor: die wirtschaftliche Lage Israels und die heute dem Populismus zur Verfügung stehenden Mittel. Doch dann sind da die Rolle der Armee, der Militarismus, der Nationalstolz und die Verunsicherung durch Gebietsverluste. Und wie sieht es mit dem Vergleich der politischen Traumata aus – 1922 Walther Rathenau, 1995 Yitzhak Rabin; oder der Frage nach der Rolle der Rechten?

Das böse Wort Transfer

Wie brisant Weimar für die heutige Situation Israels ist, zeigt schon der Umstand, dass die wichtigste liberale Tageszeitung Selbstzensur ausübte und einen Artikel zum Vergleich Weimar und Israel in der Schublade verschwinden ließ. Jenseits dieser Vergleichsmomente bleibt vor allem ein Element, das unsere Situation der ausgehenden Weimarer Republik so erschreckend ähnlich sein lässt: die Verunsicherung der politischen Linken bis hin zur Selbstaufgabe. Die Wahlniederlage Ehud Baraks hat endgültig aufgedeckt, was sich durch die Al-Aksa-Intifada bereits ansatzweise zeigte: Es gibt kaum eine Linke mehr in Israel.

In Israel ist links schon lange nicht mehr mit Sozialismus gleichzusetzen; dessen Nekrolog wurde vor langer Zeit geschrieben. Links bedeutete in Israel in den letzten Jahren die Unterstützung einer Friedenspolitik, die für die Räumung der besetzten arabischen Gebiete einschließlich der israelischen Siedlungen zugunsten der Gründung eines Staates Palästina eintrat und die dies mit der Gewährung der Gleichberechtigung an israelische Araber verknüpfte. Die Illusion, etwa die Hälfte der wahlberechtigten Israelis stehe auch nach der Wende von 1977 links, hat sich seit Beginn der Al-Aksa-Intifada im Herbst und erst recht seit Februar als eben solche erwiesen.

Die auch von linken Politikern und Intellektuellen geäußerte Enttäuschung über den Ausbruch der Gewalt auf palästinensischer Seite machte deutlich, dass es eher eine getarnte Rechte war, was uns bisher noch als links galt. Vor die Alternative zwischen Ehud Barak und Ariel Sharon gestellt, zogen zwei Drittel der israelischen Wähler den rechtsradikalen Sharon vor. Und nach den Wahlen haben dann zwei Drittel des Zentralkomitees der linken Arbeitspartei für eine Koalition mit dem „Erzgegner“ Sharon votiert. Vergessen war die Karriere des Falken, der 1979 gegen den Friedensvertrag mit Ägypten und 1993 gegen das Prinzipienabkommen mit der PLO eintrat. Verschwunden war das Verständnis für die Rechte der Palästinenser. Statt dessen schloss man sich dem Diskurs der Rechten an: Sicherheit hat Vorrang vor allem anderen, und Terror üben nur die Palästinenser aus. Dass diese in ihrer Verzweiflung die Spirale der Gewalt immer weiter hochschraubten – politisch sicher unklug –, hat die Selbstaufgabe der fassungslosen Linken nur verstärkt. Man führte einen resignierten Wahlkampf gegen Sharon, und der Widerstand gegen die Teilnahme der Arbeiterpartei an einer rechtsdominierten Koalition – euphemistisch „Regierung der nationalen Einheit“ genannt – blieb unter linken Intellektuellen marginal, auch deshalb, weil 80 Prozent des Volkes dafür waren.

Wie weit die Linke die Grenzen legitimer Politik aus den Augen verlor, zeigt die Bereitschaft, in dieser Regierung mit einer rechtsextremen Partei an einem Tisch zu sitzen, die nun nicht nur den professionellen Historiker an die Verhältnisse der Weimarer Republik erinnern müsste – eine Partei, die als Lösung für die palästinensische Bevölkerung der besetzten Gebiete den „freiwilligen Transfer“ auf ihre Fahnen geschrieben hat. Was das bedeutet, erfährt man aus dem Parteiprogramm: „Israel wird für die Beschleunigung des freiwilligen Transfers der Araber aus Judäa und Samaria sorgen, indem es die dortigen Universitäten und Hochschulen schließt, die Förderung der Industrie einstellt und für Arbeitssuchende die Arbeitsplätze in Israel sperrt.“ Im Jahre 1931 hatte die in München erscheinende zionistische Zeitung Jüdisches Echo geschrieben, um die Juden loszuwerden, brauche man keine Pogrome. „Wenn man Bienen loswerden will, so entzieht man ihnen die Nahrung und räuchert sie aus.“ Genau diese Taktik wurde in den ersten Jahren nach 1933 gegen deutsche Juden angewandt. Auch dass nach dem so genannten Anschluss Österreichs 1938 zur Beschleunigung der Auswanderung von Juden eine „Zentralstelle für die Auswanderung von Juden“ eingerichtet wurde, dürfte bekannt sein. Deren Leiter wurde unter anderem wegen seiner Tätigkeit in diesem Amt 1961 in Israel vor Gericht gestellt.

Im Programm der „Transferpartei“ ist nun zu lesen: „Die Regierung wird eine besondere Agentur gründen, deren Aufgabe die Förderung der Auswanderung sein wird.“ Der Parteiführer saß bereits vor zehn Jahren in einer israelischen Regierung. Damals war die Arbeitspartei in der Opposition. Heute scheint die Empfindlichkeit der Linken abgestumpft zu sein – in den Koalitionsverhandlungen nahm die Mehrheit der Arbeitspartei keinen Anstoß daran, mit der „Transferpartei“ gemeinsame Sache zu machen. Wie weit rechts die Arbeitspartei bereits steht, zeigt die Blindheit gegenüber der Tatsache, dass man meint, auf die Befunde der Kommission, die die Ereignisse der Demonstrationen im Oktober untersuchte, bei denen 13 israelische Araber ihr Leben verloren, nicht reagieren zu müssen; dass man die Wurzel des Übels, jüdische Siedlungen auf dem Westufer und in Gaza, prinzipiell für legitim hält.

Überschattet wird die Kapitulation der Linken von der Parole des „jüdischen Staates“. Zunehmend sorgt die Allianz von Nationalismus und Religion dafür, dass man den jüdischen Inhalt im religiös-fundamentalistischen Sinne auch in den Reihen der Linken für die raison d’etre des Staates Israel hält. Dies führt nicht nur zu einer Delegitimierung der arabischen Bürger, sondern auch zu einer sonderbaren Auseinandersetzung mit dem größten Paradox der israelischen Gesellschaft im letzten Jahrzehnt: Etwa ein Drittel aller Neueinwanderer, die aufgrund des Rückkehrgesetzes für Juden automatisch die israelische Staatsbürgerschaft erhalten haben, sind, vor allem nach orthodoxer Interpretation, keine Juden. Dennoch werden sie natürlich zum Militär einberufen. Nun wurde der oberste Erziehungsoffizier der Streitkräfte darauf aufmerksam gemacht, dass einige der Rekruten zur Vereidigung nicht nur die Hebräische Bibel erhalten wollen, sondern auch ein Neues Testament. Dies veranlasste den für seine religiös-nationalistische Haltung bekannten Offizier, eine Konversion dieser Soldaten zu empfehlen. Nichtjüdische Soldaten seien ihm nicht patriotisch genug. Wer kein Kämpfer mit Herz und Seele sein will, habe als uneinsetzbar in der israelischen Armee zu gelten.

Gespräche mit Journalisten zeigten, dass es nicht die rassistische und militaristische Sprache des Offiziers war, die man ihm übel nahm, sondern allein der Vorwurf, nichtjüdische Soldaten seien schlechte Soldaten. Ein Signal, dass der Diskurs der Rechten immer stärker zum Konsens und zum gemeinsamen Diskurs einer ganzen Gesellschaft wird – und ein Grund, an Weimar zu denken.


Der Autor lehrt deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem.

haGalil onLine 07-03-2001

 

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