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"Jüdische Gemeinde stärkt
Nachama" - so ging es über den dpa-Ticker an die hießige Presse und
wurde auch meist so übernommen - beim Berliner Tagesspiegel sogar
auf der Titelseite.
Die Interpretation der
Wahlergebnisse mutet teilweise abenteuerlich an: Da wird Andreas
Nachama der bisherige Gemeindevorsitzende schon so gut wie sicher
zum neuen Gemeindevorsitzenden erklärt. Er habe mit 1601 Stimmen die
Mehrheit von 3557 Stimmen erhalten, und sein Herausforderer Moishe
Waks sei mit 992 Stimmen deutlich abgeschlagen auf Platz 14
gelandet.
Mehr als die Realitäten der Wahl zeigt dies, was man mit Statistik
machen kann:
Von den 11250 Gemeindemitgliedern waren 9588 wahlberechtigt. Von
ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben 3557 Personen.
Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 37 %, die noch geringer war
als die vor 4 Jahren. Jeder dieser Wähler konnte bis zu 21 Stimmen
vergeben. Es wurden 46429 Stimmen abgegeben. Hätte jeder Wähler
seine 21 Stimmen genützt, dann wären dies über 75 000 Stimmen
gewesen. Der Stimmenunterschied zwischen dem 4. Platz von Meir
Piotrkowski mit 1112 Stimmen und dem 14. Platz von Moishe Waks mit
992 Stimmen ist bei diesem Wahlverfahren nicht allzu gravierend.
Insgesamt erhielt die Liste "jüdische Einheit", bei der auch Andreas
Nachama kandidierte, 7 Sitze. Das "jüdische Forum", bei dem Moishe
Waks kandidierte, hat 8 Sitze erhalten. Den Ausschlag bei der Wahl
des 5köpfigen Vorstands, der dann den Gemeindevorsitzenden bestimmen
wird, geben also die 6 verbleibenden Kandidaten, die entweder
kleinen Gruppierungen angehören oder als unabhängige Bewerber
angetreten sind. Von diesen haben sich schon 2 dezidiert gegen
Andreas Nachama als neuen Gemeindevorsitzenden ausgesprochen.
Deshalb: Was den Gemeindevorsitz betrifft, ist bis zum ersten
Zusammentreten des neuen Gemeindeparlaments am 2. Mai noch alles
offen.
9 der Gewählten sind neu in diesem Gremium. Die Zahl der aus den
ehemaligen GUS-Staaten stammenden Repräsentanten hat sich von 3 auf
9 erhöht, wobei nur einer zu den Neuzuwanderern der letzten 10 Jahre
gehört, nämlich Dimitri Feldmann, der Herausgeber von "Ruski
Berlin". Die jüngere Generation der unter 40jährigen ist nur mit 2
Personen vertreten - der Frauenanteil ist mit 4 Personen ebenfalls
deutlich unterrepräsentiert.
IW /
juden-in-berlin.de
PS: Zur gegenwärtigen
Struktur der jüdischen Gemeinde zu Berlin: Von den 11 250
Mitgliedern sind 33,5 % über 60 Jahre und 17 % unter 20 Jahre. 6040
Mitglieder sind weiblich und 5210 sind männlich.
Etwa 23 % wurden in Deutschland geboren, 65 % in den ehemaligen
GUS-Staaten, 5 % in Israel und 6 % in anderen Ländern. (Quelle:
Jüdisches Berlin vom März 2001)
haGalil onLine
20-03-2001
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