Mit einer Zweidrittelmehrheit stimmte die
Arbeitspartei auf einem Sonderparteitag gestern
Abend in Tel Aviv für eine große Koalition mit
dem Likud. An der Abstimmung auf der stürmischen
Sitzung, die teilweise von chaotische Zuständen
und Protestaktionen gestört wurde, nahmen jedoch
nur etwa die Hälfte aller Delegierten teil.
Das Abstimmungsergebnis muß auch als Sieg für
Shimon Peres gesehen werden, der massiv für die
Regierungsbeteiligung geworben hatte.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Ergebnisses
trat er ans Podium und sagte, das Votum sei ein
Dienst für Staat und Partei. Die Sondersitzung
sei außerdem ein eindrucksvolles Beispiel für
die lebendige Demokratie innerhalb der Partei.
Das andere Lager wurde vom scheidenden
Außenminister Schlomo Ben Ami angeführt, der an
die Partei appellierte, gegen eine gemeinsame
Regierung mit Ariel Scharon zu votieren. Dies
würde Stillstand anstatt Veränderung bedeuten
und damit den klinischen Tod der Partei mit sich
bringen.
Medienberichten zufolge lief Peres in seiner
Gegenrede zu Ben Ami zu Höchstform auf.
Insgesamt durften jeweils neuen Redner sprechen,
die sich gegenseitig niederzuschreiben
versuchten. Ehud Baraks Rückzug aus der Politik
hinterlässt einen tiefen Riss in der Partei, der
auf diesem Sondertreffen zu tiefgreifenden
Auseinandersetzungen führte.
Vor dem Tel Aviver Cinerama, wo das Treffen
stattfand, demonstrierten junge Parteimitglieder
und gerieten dabei mit der Polizei in Konflikt.
Aber auch in der Halle gab es immer wieder
Buhrufe, Pfiffe und spontane Protestaktionen,
die die Reden störten.
Trotz aller Auseinandersetzungen konnte sich die
Partei jedoch relativ deutlich zu einer
Entscheidung durchringen. Das Zentralkomitee
behielt es sich jedoch vor, selbst
über die Entsendung von Ministern in die
Scharon-Regierung zu entscheiden und damit nicht
wie üblich die Parteiführung zu beauftragen.
Diese Entscheidungen sollen am Donnerstag
fallen.
Nach vorläufigen Vereinbarungen mit Scharon
könnte die Arbeitspartei die Ressorts Äußeres,
Verteidigung, Verkehr, Landwirtschaft, Handel
und Industrie sowie Wissenschaft, Kultur und
Sport übernehmen. Dazu kämen zwei Minister ohne
Portfolio. Der israelische Armeesender Galej
Zahal berichtete, dass Scharon heute bereits mit
kleineren Parteien Gespräche über deren Eintritt
in die Koalition aufgenommen habe, um nach der
Entscheidung der Arbeitspartei nun möglichst
rasch zu einer Einigung zu kommen.
haGalil onLine
27-02-2001
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