"Der Jude
1926-1928":
Jüdische Moderne zwischen Universalismus
und Partikularismus
1916 wurde die Zeitschrift "Der Jude" als Organ der Zionistischen
Weltorganisation gegründet. Ihr Herausgeber Martin Buber konzipierte
sie als Zeitschrift der jüdischen Moderne, in der auch
Nichtzionisten zu Wort kamen.
Die Zeitschrift ist vor allem Zeugnis eines neuen
Selbstverständnisses. Schon der Name ist Programm. Buber selbst
neigte noch in seiner Studentenzeit dazu, das Wort "Jude" als
Schimpfwort zu verstehen. Die neue Zeitschrift sollte klar zeigen,
dass der Ausdruck wieder mit Stolz gebraucht wurde und ihm seine
uneingeschränkte nationale Würde wiedergegeben wurde.
"Der Jude" sollte zunächst dem gebildeten Publikum die nationalen
Ziele der Juden in Ost- und Mitteleuropa näher bringen. Neben
theoretischen Abhandlungen zur Ideologie des Zionismus befaßte sich
die Zeitschrift daher mit konkreten politischen, sozialen und
wirtschaftlichen Entwicklungen der Juden in Europa und Palästina.
Die Liste der Autoren, die im Laufe des zehnjährigen Erscheinens der
Zeitschrift, vertreten waren, liest sich wie ein Who-is-Who der
jüdischen Geisteswelt: Leo Baeck, Franz Kafka, Hermann Cohen, Franz
Rosenzweig, Arnold Zweig, Margarete Susmann und viele andere.
Die Beiträge waren von den allgemeinen geistigen Strömungen der Zeit
beeinflußt und versuchten, diese für die Belebung der jüdischen
Kultur fruchtbar zu machen.
"Der Jude" stellte außerdem ein Gegengewicht zu den bis dahin
existierenden zionistischen Zeitungen, wie "Die
Welt" von Theodor Herzl, dar. Er vertrat jene Position der
vorwiegend deutschen Zionisten, die für eine jüdisch-arabische
Koexistenz in Palästina eintrat.
Trotzdem werden in der Zeitschrift viele Prämissen des Zionismus
deutlich, vor allem die Annahme, dass Assimilation unehrenhaft sei.
"Der Jude" markiert damit das Entstehen einer neuen Selbstkonzeption
im deutschen Judentum, die einen leisen, aber doch radikalen Bruch
mit der jüdischen Selbstdefinition im 19. Jahrhundert bedeutet.
Die Berichte über die jüdische Kultur gingen aber weit über die
Interessen des Zionismus hinaus und dokumentieren die Vielfalt des
geistigen Lebens der Juden im deutschsprachigen Raum der
Zwischenkriegszeit.
Eleonore Lappin, bekannt v.a. durch ihre Beiträge zur Gesichte der
Juden in Österreich, legt mit ihrer Untersuchung der Zeitschrift
Bubers einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Zionismus und der
politischen und sozialen Entwicklungen der Juden in Europa vor.
Eleonore Lappin: Der Jude
1916-1928
Jüdische Moderne zwischen Universalismus und Partikularismus
Mohr Siebeck, Tübingen 2000
ISBN 3-16-147035-4
Euro 65,00
aue /
haGalil onLine
20-12-2000 |